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ESSA NOSSA DITOSA LÍNGUA II
Vom Klang der portugiesischen Sprache

Von Peter Koj

In seinem Gedicht Lisboa zählt Gerhard C. Krischker die Verständigungsprobleme auf, die er anfangs mit den Bewohnern von Portugals Metropole hatte:

am anfang haben wir uns
nicht gut verstanden

deine sprache hielt ich für polnisch
...

Nun sind meine Polnischkenntnisse zwar mehr als begrenzt; trotzdem kann ich diesen immer wieder angestellten Vergleich mit dem besten Willen nicht nachvollziehen. Was zeichnet den Klang der portugiesischen Sprache aus, um in die Nähe des Polnischen zu geraten?

Die Hauptmerkmale, die in diesem Zusammenhang immer wieder zitiert werden, sind: die Zischlaute, die Nasale und eine gewisse "Weichheit" in der Lautbildung. Um mit letzterem anzufangen, so wird diese "Weichheit" gerne der "Kraft" des Spanischen entgegengesetzt und es wird der unsinnige Vergleich vom "weiblichen Element" (= Portugal) und "männlichen Element" (= Spanien) bemüßigt. Dabei wird völlig übersehen, dass mit dem "harten, kraftvollen" Spanisch das Kastilische gemeint ist und all die "weicheren" spanischen Varianten wie z.B. Andalusisch oder die südamerikanischen Versionen außer Acht gelassen werden.

Und wie sieht es mit den von manchen als so störend empfundenen Zischlauten aus? Da müssen wir uns doch an unsere eigene Nase, oder besser gesagt, Zunge fassen. In der deutschen Sprache zischt es an allen Ecken und Enden. Wir haben sogar ein eigenständiges Schriftzeichen für diesen Laut, das sch. Es findet sich sowohl am Wortanfang (schade), im Wortinnern (waschen), als auch im Wortauslaut (Marsch). Das Portugiesische verfügt zwar nicht über solch ein Zeichen, dafür wird aber das s am Ende einer Silbe, bzw. eines Wortes wie sch aus gesprochen (nicht in den meisten Gebieten von Brasilien und einigen Landstrichen im Norden Portugals). Die Hauptstadt Portugals wird also lischboa ausgesprochen.

Am Anfang eines Wortes oder einer Silbe wird ein s immer wie s ausgesprochen. Verfallen Sie also nicht in den Fehler einer deutschen Fernsehansagerin, die in ihrem Übereifer den ehemaligen Ministerpräsidenten Cavaco Schilva aussprach. (Natürlich gibt es auch Zischlaute am Anfang portugiesischer Wörter, doch diese schreiben sich dann mit ch oder x.) Wenn das s jedoch in Verbindung mit einem anderen Konsonanten auftritt (z.B. sp oder st), wird es auch im Anlaut wie sch ausgesprochen. Genauso wie im Deutschen, es sei denn, Sie kommen aus der Gegend um Hannover und ssstolpern über jeden ssspitzen Ssstein. Es dürfte also im Deutschen mit Sicherheit mehr gezischt werden als im Portugiesischen!

Das lässt sich noch steigern, wenn Sie die schwäbische Variante dazunehmen. Und so hat man versucht, gerade die Häufigkeit von Zischlauten im Schwäbischen mit dem Portugiesischen in Verbindung zu bringen und hier einen weiteren Beleg (neben der Stückleswirtschaft, zu Hochdeutsch: Minifundienwirtschaft) für den zivilisatorischen Einfluss der Sueben zu sehen, die fast 200 Jahre den Norden Portugals besiedelt hatten (429-585 n. Chr.). Ein anderer wohl kaum ernst zu nehmender Erklärungsversuch ist, dass die angeblich so zahlreichen Zischlaute der Portugiesen der phonetische Widerhall der ständig rauschenden Brandung des Atlantiks sind.

Nun, wegen der Nasale bräuchte man auch nicht unbedingt das Polnische, also eine slawische Sprache, zu bemühen. Mit dem Französischen gibt es eine Sprache aus der gleichen romanischen Familie, die auch über Nasale verfügt. Allerdings gibt es im Portugiesischen noch mehr Nasale als im Französischen, und besonders die nasalisierten Diphthonge (ãe, õe) sind für manche deutsche Schülerohren "peinlich", d.h. extrem, ungewöhnlich. All dies zusammengenommen, d.h. die Nasale, die Zischlaute und die vielen "weichen" oder stimmhaften s (nur im Wortanlaut wird das s scharf gesprochen), gibt dem Portugiesischen einen Klang, der einmal sehr passend mit dem starkem Pedaleinsatz beim Klavierspielen verglichen wurde.

Das Gefühl, dass man beim Portugiesischsprechen ständig aufs (Klavier)Pedal tritt, wird noch verstärkt durch die unterschiedliche Behandlung, welche die Vokale erhalten, je nachdem ob sie in einer betonten Silbe stehen oder einer unbetonten. So wird im Nebenton aus dem o ein kurzes u ("Portugal" wird purtugal ausgesprochen), das a wird zu einem kurzen Stöhner (ähnlich wie das Englische a in a book) und das e verschwindet völlig ("Setubal" wird wie stubal ausgesprochen, bitte nicht schtubal, wie manche zischwütigen Deutschen es besonders typisch aussprechen möchten).

Eine einheitliche Aussage über den spezifischen Klang des Portugiesischen ist schon insofern schwierig, weil je nach Region das Portugiesische etwas anders ausgesprochen wird. Sieht man einmal vom Galego und Mirandês ab, die als eigenständige Sprachen gelten, und auch vom Brasilianischen mit seinen verschiedenen Ausprägungen (Nordeste, Carioca etc.), so lässt sich vom Klang her ein Alentejaner (verflacht die Diphthonge, hängt gern ein i an ein Schluß-r) leicht von einem Algarvio (verdumpft die Vokale, z.B. a zu o), einem Azorianer (spricht u wie ü), einem Lissabonner (verschluckt die Silben - come as sílabas) oder gar einem Portuenser unterscheiden.

Haben Sie verstanden, was der Wirt an der Ribeira die beiden Nordlichter fragt? Hier ist die Lösung: Então, moços! O que vai ser? Um cimbalino? Ou antes um cálice de porto? Da hilft auch kein wildes Blättern im Wörterbuch. Wer sich mit der portugiesischen Sprache einlässt, wird sicher zu Anfang mit ihrem Klang zu kämpfen haben. Dies scheint den Engländern genauso zu gehen wie uns Deutschen. Im Collins Cobuild Dictionary of English (erschienen bei Pons/Klett) fand ich unter dem Stichwort speech folgendes bezeichnendes Beispiel: She found it difficult to acquire the speech sounds of Portuguese (S. 1401).

Manche geben diesen Kampf sehr früh auf, wie z.B. eine meiner ehemaligen Teilnehmerinnen an einer (freiwilligen!) Arbeitsgemeinschaft. Sympathischerweise schrieb sie mir einen langen Brief, in dem sie ihren Schritt begründete. Hauptursache war, "dass mir die Sprache, so wie ich sie bisher kennen gelernt habe, vom Klang her überhaupt nicht gefällt." Vielleicht hätte sie ein wenig länger aushalten sollen, um dann allmählich die Klangschönheit der portugiesischen Sprache zu entdecken. Diese ist aber nicht nur schön, sondern auch kompliziert und kapriziös. Ganz wie eine echte Prinzessin, die zu erobern den Prätendenten auf eine harte Probe stellt.

Vielleicht ist der Klang des Polnischen auch so eine Prinzessin. Leider ist es mir versagt, Ähnlichkeiten zwischen den beiden Prinzessinnen festzustellen. Die Portugiesen machen sich jedenfalls einen Spaß daraus, eine vermeintliche Verbindung des Portugiesischen zu den skandinavischen Sprachen her zustellen, indem sie den folgenden Spruch schnell herunterrattern: Se cá nevasse, fazia-se cá esqui. Damit Sie diesen Spruch nicht nur verstehen, sondern auch zum Klingen bringen, stelle ich Ihnen in der nächsten Folge ein paar Reisesprachführer vor, die sie auf Ihren nächsten lusitanischen Urlaub begleiten sollen.





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Portugal-Post Nr. 1 / 1998






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