"Bist du fern von Lissabon, träumst du immer noch davon"
Von Elke Bubrowski
Ganz offensichtlich ist weder Vico Torriani * noch seinem Texter etwas zu Lissabon eingefallen. Wunderbare Tage, sternenklare Nächte und die schönsten Frauen - nichtssagender geht's kaum noch, beliebige Versatzstücke einer orts- und gesichtslosen Idylle. Die unglaubwürdige Verliebtheit
des selbsternannten "Fremdenführers von Lissabon" spiegelt das Bild dieser Stadt im Deutschland
der 50er Jahre: eine abstrakte unbekannte Schöne im Süden Europas, eine Leerstelle.
Dabei hätte Vico, wäre da nicht die fatale kulturelle "Gleichschaltung" durch die Nazis gewesen, mit Gewinn auf den Text der Comedian Harmonists * zurückgreifen können, die ja nun mit Vilsmaiers Film in aller Munde und Ohr sind, 1935 aber verboten worden waren. Zwar hatten offenbar auch die Mitglieder dieser sog. ersten Boygroup Deutschlands keinerlei eigene praktische Ortskenntnisse, als sie in den 20ern "Wie wär's mal mit Lissabon?" produzierten. Beim Vergleich der Texte stellt sich aber auf den ersten Blick heraus, um wieviel gewitzter letztere zu Werke gingen. Allein die Absetzung Lissabons von dem folkloristisch besetzten Spanienbild (Torreros, Kastanien, Gitarren) als etwas "Bess'res" überzeugt in ihrer Pfiffigkeit, spielt sie doch gleichzeitig auf die alte iberische Spannung zwischen den beiden Völkern an. Auch die wenigen weiteren Details zeugen von etwas Einblick: der Hinweis auf die Freundlichkeit der Portugiesen, die Schwierigkeiten des Spracherwerbs, die Schönheit der Vegetation, schließlich auch noch das grundsätzliche und
ewige Heimweh, saudade, all das ist da. Ein paar Wissenssplitter immerhin; jedoch - das macht
Vicos Text uns deutlich - sie überlebten nicht.
Und heute? Es findet sich wohl kaum eine zweite europäische Großstadt, die im Normalbewusstsein und der Unterhaltungsindustrie so wenig klischeebesetzt ist wie diese. Ob Wien, Paris, London, Prag, Rom oder Moskau, all diese und viele andere Namen lassen sich ohne weiteres mit standardisierten Bildern zu Filmen, Schlagern und Werbespots verarbeiten. Wien z.B. zerfällt in dieser Sichtweise in charmante Küß-die-Hand-Gesten, Sachertorte, Fiaker und Walzer. Aus solchen Versatzstücken entsteht eine kulturelle Prägung, die es erschwert oder unmöglich macht, in München mehr zu sehen als Hofbräuhaus-Bierseligkeit, Fischeridylle auf Capri usw. Vielleicht ist das die Chance für Lissabon? Im EXPO-Jahr in die öffentliche Aufmerksamkeit gerückt, könnte sich diese Stadt, gerade weil sie weitgehend ein weißer Fleck auf der
folkloristischen Landkarte ist, in ihrer ganzen spannenden Widersprüchlichkeit präsentieren: ihre
mittelalterlichen und hypermodernen Elemente, das laute Chaos, die Vehemenz und die
zahlreichen kleinen Idyllen, eine so gar nicht international nivellierte Stadt, eigenständig und
unverwechselbar. Wie wird wohl der nächste deutsche Schlager dazu titeln?
Comedian Harmonists
Wie wär's mal mit Lissabon
Torreros, Musik und Kastanien,
Gitarren und Gesang im Mondenschein.
Und Spanien und immer nur Spanien!
Ja, Kinder, fällt Euch denn nichts Bess'res ein?
Torreros und olé -
Das ist doch längst passé.
Wie wär's mal mit Lissabon?
Das ist grad' so schön wie Spanien:
Wein, Oliven und Geranien
Blühn an Fenstern und Balkon.
Also, auf nach Lissabon,
In die Stadt der Portugiesen!
Du wirst sicher Freund mit diesen
Und Du hast sehr viel davon.
Zwar sprichst Du noch nicht fließend Portugiesisch
Doch das Land ist paradiesisch.
Voller Pracht umsäumen Palmen jeden Platz.
So manche Portugiesin hat für deine Sympathie Sinn
Und zum Abend unter Palmenbäumen sicher einen Schatz.
Zauberhaft ist dieser Ort,
Und du willst nie wieder fort.
Bist du fern von Lissabon,
Träumst Du immer noch davon,
Von der Stadt der Portugiesen.
Olé
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Portugal-Post Nr. 1 / 1998
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