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Interview mit Enzio von Baselli, Honorarkonsul der Bundesrepublik Deutschland in Faro*

 
P-P:
Herr von Baselli, was hat Sie Nordlicht dazu verleitet, sich hier in Europas südlichstem Zipfel niederzulassen?

EvB: Ende der 50er Jahre bin ich in Hamburg in einer Höheren Handelsschule gewesen und hatte einen portugiesischen Klassenkameraden, der von seinen Eltern nach Hamburg geschickt worden war, um Deutsch zu lernen und die Handelsschule zu besuchen. Und der hat mir so vorgeschwärmt von Portugal, und mein Wunsch war es sowieso, in den Süden zu gehen, weil ich in Norddeutschland nicht leben mochte, des schlechten Wetters wegen. Ich liebe meine Heimat, ich liebe Schleswig-Holstein, ich liebe Hamburg. Es ist wunderschön, doch meistens regnet es. Da ist der Wurm drin. 

P-P: Seit wann sind Sie Honorarkonsul hier in Faro?

EvB: Honorarkonsul bin ich geworden am 7. Februar 1974, kurz vor der Revolution. 

P-P: Und wie kommt man dazu, Honorarkonsul zu werden?

EvB: Wie die Jungfrau zum Kinde. Man kann sich nicht darum bewerben. Ich bekam eines Tages ein Schreiben von dem damaligen deutschen Botschafter, Herrn von Holleben, ich sollte ihn gerne mal in Lissabon besuchen. Ich war völlig ahnungslos, fuhr nach Lissabon. Dort sagte er mir, man hätte mich sozusagen aus der Masse gepiekt und fragte, ob ich bereit wäre, das Amt des Honorarkonsuls zu übernehmen. Ich hab dann „ja“ gesagt, aber hinzugefügt, ich müsste erst einmal mit meiner Frau sprechen. Mein Vorgänger, Caiado, ein Portugiese, war drei Jahre vorher gestorben und drei Jahre lang war sein Sekretär, Herr Werner Heinen, der heute hier noch vielen Leuten bekannt ist, kommissarischer Amtsleiter. 

P-P: Und was war die Motivation, als Sie dieses Amt angenommen haben?

EvB: Das sind verschiedene Aspekte, die da eine Rolle spielen. Das eine ist, dass es mir in meinem ganzen Leben immer sehr viel Spaß gemacht hat, mit Menschen umzugehen. Zum zweiten glaube ich, dass es sehr viel Erfüllung im Leben bringt, anderen Leuten helfen zu können, was ja im Vordergrund der Tätigkeit eines Konsuls oder Beamten des Auswärtigen Dienstes steht. Und letzten Endes dürfen Sie nicht vergessen, dass ich damals als greenhorn hier  in das Algarve kam. Als Enzio von Baselli wäre ich bei den Behörden von irgend jemandem abgespeist worden. Aber wenn Sie als Honorarkonsul der Bundesrepublik Deutschland einen Bürgermeister, einen Polizeichef, den Zivilgouverneur oder wen auch immer sprechen wollen, so brauchen Sie nur Ihre Visitenkarte abzugeben und werden gleich vorgelassen. Und meine Philosophie ist, dass wenn man etwas gibt, man vielleicht auch etwas wiederbekommt im Leben. 

P-P: Und wie ist es mit dem ersten Teil des Titels, d.h. dem Honorar bestellt?

EvB: Ich wurde hier Konsul – das möchte ich betonen – ich wurde nicht Honorarkonsul. Und zu Zeiten Willy Brandts wurde das dann umgeändert, und es wurde der Titel „Honorarkonsul“ erfunden. Das heißt aber nicht, dass ich ein Honorar bekomme, oder gewisse Prozente der Gelder, die ich laut Auslandsgebührenordnung erheben muss. Ich bekomme absolut Null. Und noch etwas: das Sofa, auf dem Sie im Augenblick sitzen, ist mein Sofa, der Schreibtisch ist mein Schreibtisch, die Bilder an der Wand sind meine Bilder. Hier gehört nichts dem Bund. 

P-P: Könnten Sie in groben Zügen mal darstellen, was Sie hier so machen?

EvB: Mein lieber Mann, was mach ich hier so alles?! Zum Beispiel Beratung bei Testamentsangelegenheiten, Beglaubigungen von Übersetzungen (wobei wir übrigens nicht dazu da sind, Übersetzungen anzufertigen. Das Konsulat ist kein Übersetzungsbüro; aber für Behörden müssen Übersetzungen beglaubigt werden), Ummeldungen von Autos. Im Grunde genommen die Tätigkeit eines Rathauses, die Tätigkeit eines Einwohnermeldeamtes, die Tätigkeit eines Fast-Notars (d.h. keine Beurkundungen vornehmen, aber Beglaubigungen). Und darüber hinaus habe ich hier auch schon alles erlebt: Morde, Selbstmorde, Flugzeugabstürze, Brand, Entführung, Erpressung, Eisenbahnunglück, Konkurs eines großen Reiseunternehmens und dazu noch eine Revolution, was nicht jeder von sich behaupten kann. 

P-P: Und wie ist die Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt und den anderen Konsulaten hier in Faro?

EvB: Eine direkte Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt steht mir nicht zu. Meine vorgesetzte Dienststelle ist die Deutsche Botschaft in Lissabon. Und die Zusammenarbeit mit der Botschaft ist wie Ebbe und Flut. Es hängt sehr davon ab, wer gerade der Botschafter oder die übrige Besetzung ist. Mal hat man keinerlei Schwierigkeiten und man wird enorm gefördert, mal – wie das im menschlichen Leben so ist – ist die Straße plötzlich zum schlechten Weg geworden. Und da muss man dann auch eine Weile durchhalten, denn alle vier Jahre – das ist das Glück eines Honorarkonsuls – ändert sich der vorgesetzte Botschafter. 

P-P: Und die ausländischen Kollegen?

EvB: Zusammenarbeit in dem Sinne gibt es nicht, aber wir haben einen sehr guten Zusammenhalt und wenn es nötig ist, helfen wir uns sehr. 

P-P: Mir wurde erzählt, dass das englische Honorarkonsulat, zuletzt geleitet von einem Enkel von Teixeira Gomes1, umgewandelt worden ist in eine reguläres Konsulat. Wäre es nicht an der Zeit, auch das deutsche Konsulat entsprechend aufzubessern? Ich könnte mir vorstellen, dass es ähnlich viele Deutsche wie Engländer hier im Algarve gibt.

EvB: Wenn der deutsche Finanzminister, Herr Eichel, uns hören würde, würde er laut kichern. Die Bundesrepublik hat dafür – zumindest augenblicklich – kein Geld. Die Wiedervereinigung kostet sehr, sehr viel und steht im Vordergrund. 

P-P: Sie sind ja der dienstälteste Konsul hier in Faro – der Doyen, wie man sagt. Kann man das vom Konsulat auch so sagen?

EvB: Also erst einmal möchte ich sagen: die Konsuln der anderen Länder, 22 oder 23 an der Zahl, sind nicht alle in Faro. Sie verteilen sich. Der Italiener sitzt in Vila Real de Stº António, der Mexikaner sitzt in Lagos, der Engländer, der Schwede, der Isländer sitzen in Portimão, der Holländer hier in Faro, ebenso wie der Deutsche, und das seit 1752. Das ist ein tolles Datum. Das heißt dass die „Dienststelle des Honorarkonsuls“ (so darf sie sich heute offiziell nennen) im nächsten Jahr 250 Jahre alt, und damit sind wir – soweit das nachzuforschen ist – wohl die älteste konsularische Vertretung im Algarve.

P-P: Das ist ja eine spannende Sache. Wie sind Sie darauf gekommen? Steht das in irgendwelchen Schulbüchern?

EvB: Das war nicht ganz einfach. Es war persönliche Neugierde, die mich fragen ließ: Seit wann gibt es diese Dienststelle in Faro? Und da hat es geheißen: 1959. Damit musste ich mich zufrieden geben. Auf deutscher Seite gab es auch nichts nachzuforschen, weil im Krieg in Berlin alles an Dokumenten verbrannt ist. Bis dann eines Tages ein portugiesischer Freund von mir sagte: Im Krieg hat es hier schon einen Berufskonsul in Praia da Rocha gegeben. Dadurch stutzig geworden, begann ich der Sache nachzugehen. Und dann hatte ich das große Glück, Herrn Axel Wilhelm kennenzulernen, der als Historiker in Lissabon lebt, und der den roten Faden aller Konsuln weitgehend aufgezeichnet hat. Dann kam das eine und andere noch dazu. Auf jeden Fall eine hochinteressante Sache.

P-P: Und wird es ein Fest im nächsten Jahr geben?

EvB: Dazu sehe ich leider keine große Chance. Ich wiederhole noch einmal: die Bundesrepublik hat kein Geld. Ich hatte schon Kontakte hergestellt zu einem Jugendsymphonieorchester und einer Jazzband in Hamburg. Ich wollte eine Gemäldeausstellung mit 20 namhaften portugiesischen und deutschen Künstlern veranstalten. Die Bilder wären mir von einem deutschen Sammler zur Verfügung gestellt worden. Doch alleine Transport, Versicherung und Katalog hätten zusammen DM 30.000 gekostet, und da sehe ich keine Chance, das Geld aufzutreiben.

P-P. Aber wenn ich es richtig sehe, war dies ja eine Hamburger Gründung.

EvB: Richtig. Dieses Konsulat ist gegründet worden von der Stadt Hamburg gegen die Barbaresken, d.h. die Seeräuber aus Nordafrika. 

P-P: Hamburg müsste also  doch auch sehr stolz darauf sein und sich in irgendeiner Form zu Wort melden. 

EvB: Ich weiß nicht, ob Hamburg stolz darauf ist, dass es hier eine so kleine Dienststelle gibt. Und mir fehlt der Mut, betteln zu gehen.

 P-P: Aber von Hamburg aus hat man sich noch nicht bei Ihnen gemeldet?

EvB: Nein, wahrscheinlich wissen die es dort gar nicht. 

P-P: Ja, und damit wären wir bei der Hansestadt Hamburg. Sie deuteten an, dass sie dort zur Schule gegangen. Was verbindet Sie sonst noch mit Hamburg?

EvB: Ich bin dort nicht zur Schule gegangen, sondern habe nur kurzfristig die Handelsschule besucht. Ich habe aber lange – ich glaube es waren fast10 Jahre – in Hamburg-Altona gewohnt. Um aber noch mal auf Portugal zurückzukommen: ich liebe dieses Land und die Portugiesen, sonst wären ich und meine Familie nicht seit über 34 Jahren hier. Und wir haben unsere beiden Söhne auf die Namen Vasco und Nuno getauft.

 P-P: Lieber Herr von Baselli, vielen Dank für das Gespräch


* Das Interview wurde am 9. April 2001von unserem Redakteur Peter Koj in der Dienststelle des deutschen Honorarkonsulats in Faro aufgenommen

1 Aus Portimão stammender Staatsmann und Schriftsteller (1860-1941); war von 1923-25 portugiesischer Staatspräsident




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Portugal-Post Nr. 16 / 2001