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Die Stadt Hamburg gründet ein Konsulat im Algarve

Von Annemarie Schmidt-Cords *

Es ist dokumentarisch belegt: Die Freie und Hansestadt Hamburg errichtete bereits 1752 ein Konsulat in Faro. Dieses gilt inzwischen als Ursprung des Honorarkonsulats der Bundesrepublik Deutschland. Neugierig geworden beschloss ich, einen Aufenthalt in Hamburg für Nachforschungen über die Hintergründe dieser Konsulatsgründung zu nutzen.

Hamburger Sklaven in algerischer Gefangenschaft

Der Hamburger Rat stand in der Mitte des 18. Jahrhunderts unter starkem Druck der Öffentlichkeit. Er musste dem Unwesen algerischer Piraten längs der traditionellen Handelsrouten ein Ende bereiten. Vor allem im gefürchteten Mittelmeer, aber auch entlang der portugiesischen und französischen Küste und selbst in der Nordsee gab es keine Sicherheit mehr vor ihren Überfällen. Die islamischen Despoten von Marokko, Algier, Tunis und Tripolis hatten die Erfahrung gemacht, dass sich nicht nur mit geraubten Schiffen und Handelswaren gute Geschäfte machen ließen, sondern auch die Auslösung der in die Gefangenschaft geratenen Schiffsbesatzungen hervorragende Gewinne erbrachte. Für die Freien Hamburger war es jedoch nicht länger erträglich, Familienangehörige und Mitbürger in nordafrikanischen Sklavendiensten zu wissen. 

Die Bürgerschaft reagierte zunächst mit Kollekten in den Kirchen zugunsten der in die Sklaverei geratenen Opfer, Doch diese reichten bald nicht mehr aus, um die finanziellen Probleme zu lösen. Deshalb waren schon im 17.Jahrhundert besondere Organisationen eingerichtet worden, die gewährleisten sollten, dass die Unglücklichen baldmöglichst wieder ausgelöst werden konnten: 1622 gründete man eine private „Casse“ und 1624 die öffentliche „Sklavenkasse“, die von der städtischen Admiralität verwaltet wurde. In diese Kasse mussten alle Seeleute, die auf Hamburger Schiffen fuhren, Beiträge einzahlen. Der Beitrag war vom Rang des Mitglieds abhängig und wurde von der Heuer einbehalten. Beim Freikauf von Hamburger Sklaven hatten sich folgende Preise eingebürgert: Ein Matrose kostete 2400 Mark, ein Steuermann 3000 Mark und ein Kapitän sogar 7000 Mark.

Militärische Maßnahmen gegen das Piratenunwesen

Die Lage eskalierte, als 1662 algerische Piraten bis zur Elbmündung vordrangen. Sie kaperten unmittelbar vor den Toren der Stadt acht Hamburger Schiffe und verschleppten 119 Seeleute als Sklaven nach Nordafrika. Dieser dreiste Überfall veranlasste die Verantwortlichen, sich zu einer militärischen Abwehr der Seeräuberei zu entschließen: Der Bau von zwei „Konvoischiffen“ wurde in Angriff genommen, die als Kriegsschiffe die im Geleitzug (Konvoi) fahrenden Handelsschiffe beschützen sollten. Die beiden Dreimaster Leopoldus Primus (benannt nach dem deutschen Kaiser Leopold I) und Wappen von Hamburg wurden 1668/69 fertiggestellt. Sie waren jeweils mit 54 Kanonen bestückt und mit 150 Matrosen und 80 Seesoldaten bemannt.

 Von 1719 bis 1747 waren aber trotz des Einsatzes streitbarer Konvoischiffe wiederum insgesamt 50 hamburgische Handelsschiffe mit 633 Seeleuten von algerischen Piraten aufgebracht worden. Aus dem Jahr 1749 ist überliefert, dass sich in Algier 104 Hamburger Sklaven befanden, die verzweifelt auf ihren Freikauf warteten.

Der Friedensvertrag mit dem Dey von Algier

Nachdem auch die Kriegsschiffe die Piraterie nicht definitiv unterbinden konnten und man ihren Einsatz 1746/47 einstellte, beschloss man 1748, es mit diplomatischen Mitteln zu versuchen. Zunächst wurde versucht, Schutzbestimmungen, die zwischen dem deutschen Kaiser und Algier bestanden, auf Schiffe unter Hamburger Flagge auszudehnen. Da dies nicht gelang, entstand der Plan, sich selbst um einen Friedensvertrag mit dem mächtigsten der  der nordafrikanischen “Barbareskenstaaten”, dem “Dey” von Algier zu bemühen. Algerien war seit über 2oo Jahren ein Vasall des osmanischen Reiches und beherrschte zusammen mit diesem die Schiffahrt im Mittelmeer. Der Schritt zu einem eigenen Friedensvertrag mit diesem Potentaten wurde dadurch erschwert, dass Hamburg kein eigenes Konsulat in Algier besaß und auf die Hilfe Dritter angewiesen war. Da die Stadt aber sehr einvernehmliche Beziehungen zu Frankreich unterhielt und der französische König Bereitschaft zur Unterstützung bekundet hatte, konnte mit den aufwendigen Vorbereitungen einer Mission begonnen werden.

Den Auftrag für die Verhandlungen erhielt der aus einer hamburgischen Familie stammende und mit französischen Lebensgewohnheiten und Sprache gut vertraute Kaufmann Jacob Goverts. Er reiste in Algier mit einem französischen Pass ein, besaß ein Empfehlungsschreiben der französischen Regierung an ihren dortigen Konsul und konnte auch in dessen Hause logieren.

 Friedensverträge mit Algier waren zu dieser Zeit bei allen am Mittelmeerhandel interessierten Staaten Europas ein begehrter Artikel. Als Jacob Goverts in Algier ankam, hatten die Staaten England, Frankreich, Holland, Dänemark, Schweden, Österreich und Venedig bereits Schutzverträge mit dem Dey abgeschlossen und Konsulate in Algier eingerichtet. Für die von Hamburg angebotenen Geldzahlungen zeigte der Dey jedoch nicht das geringste Interesse, sondern forderte Waffen, Munition und Bauholz für Schiffe. Diese Forderung löste in Hamburg erregte Debatten unter den Verantwortlichen aus. Frankreich lehnte es höflich ab, Garantien für einen solch delikaten Vertrag zu geben, der vor allem von den mit Nordafrika verfeindeten christlichen Mächten Spanien und Portugal als Provokation empfunden werden könnte. Der Hamburger Rat sah jedoch keine andere Möglichkeit, der Piraterie Herr zu werden, und setzte sich über derartige Bedenken hinweg.

So kam schließlich nach zweijährigen schwierigen Verhandlungen der Abschluss des Friedensvertrages am 28. Februar 1751 in Algier zustande. In Hamburg war man über das Ergebnis begeistert. Der Senat ratifizierte den Vortrag schon am 5. April und drängte auf dessen schnelle Realisierung. Der Dey unterzeichnete den Vertrag seinerseits im August, woraufhin man ihn veröffentlichte. Als Goverts im Oktober 1751 wieder in Hamburg eintraf, waren schon zwei von drei Schiffen mit Waren und Geschenken für den Dey beladen und zur Abfahrt bereit.

Spanien zerstört alle Hoffnungen der Hamburger

Hamburg hatte viel riskiert. Man hatte dem Herrscher Algeriens in einem geheimen Artikel des Friedensvertrages die Lieferung von 54 Kanonen und Mörsern, 4000 Bomben, 6000 Kanonenkugeln und Pulver, 50 Schiffsmasten, Tauen und 1000 Eichenplanken versprochen, dazu noch weitere jährliche Leistungen. In Hamburg wusste man um die seit Jahrhunderten herrschende, längst traditionell gewordene Feindschaft zwischen Spanien und Algier. Aus diesem Grund hatten auch einige Verantwortliche der Hansestadt bei den jüngsten Beratungen über den Friedensvertrag mit Algier ihre Besorgnis über die Beziehungen zu Spanien zum Ausdruck gebracht.

Was dann allerdings bereits acht Wochen nach der Veröffentlichung des Friedensvertrages geschah, überstieg doch die schlimmsten Befürchtungen. Der spanische Resident in Hamburg überreichte am 10. November 1751 dem Senat ein „Promemoria“ seines Königs mit folgendem Inhalt:

Die Stadt habe mit den unversöhnlichen Feinden der Spanier einen Vertrag geschlossen, mit dem sie den Algeriern ihre Häfen öffne, sodass letztere sich noch weiter als bisher in den Ozean wagen könnten; Hamburg liefere ihnen sogar Kriegsmaterial, dessen sie für ihre Räubereien gegen die Christenheit bedürften. Der König sehe, wie die Hamburger seiner alten Freundschaft das Bündnis mit diesem Feinde vorzögen. Er befehle deshalb allen seinen Untertanen, jeden Verkehr mit Hamburg abzubrechen und verbiete die Zulassung hamburgischer Waren in seinem Lande; die Konsuln und Agenten der Stadt hätten Spanien zu verlassen; spanische Schiffe sollten nicht mehr den hamburgischen Hafen besuchen, der Resident habe Hamburg sofort zu verlassen.

Der Konflikt war weniger eine Rechts‑ als eine Machtfrage. Spanien glaubte, sich dem Stadtstadt Hamburg gegenüber einen solchen Schritt erlauben zu können. Für Hamburg zählte aber weniger Recht und Macht als das kommerzielle Interesse. Ein Bruch mit Spanien würde in erster Linie den Holländern zugute kommen, aber auch den konkurrierenden Nachbarhäfen von Altona und Bremen. Die Reedereien Hamburgs würden durch den Ausschluss von den wichtigen spanischen Häfen weit mehr Schaden erleiden als Vorteile durch den gesicherten Verkehr im Mittelmeer. Außerdem musste man mit einem ähnlichen Schritt Portugals rechnen, was für die Hansestadt noch schlimmere Folgen haben würde.

Hamburg versuchte deshalb, mittels intensiver diplomatischer Missionen das Problem zu reduzieren, z. B. durch die Aufhebung des Waffenlieferungsparagraphen im Friedensvertrag mit Algerien. Aber alle diese Versuche fruchteten nichts. Spanien erhöhte Im Gegenteil noch seine Forderungen und verlangte die Aufhebung des gesamten Friedensvertrages. Dem Senat blieb nichts anderes übrig als nachzugeben: am 28. Juli 1752 veröffentlichte er eine Erklärung, in der er den Bruch des Friedens mit Algier bekanntgab. Daraufhin normalisierten sich die Beziehungen zu Spanien wieder. Den Hamburger Schiffern im Mittelmeer drohte jedoch erneut das bittere Los der Sklaverei.

Die Gründung des Konsulats in Faro

Obwohl wir die Gründe für das Einrichten des hamburgischen Konsulats in Faro im Jahre 1752 im einzelnen nicht erfahren konnten, kann man annehmen, dass dieses Ereignis in unmittelbarem Zusammenhang mit den geschilderten Auseinandersetzungen zwischen der Hansestadt und dem Königreich Spanien stand.

Wir müssen uns die Gespanntheit der politischen Situation vor Augen führen, die ab November 1751 einsetzte: Gerüchte redeten von spanischen Schiffen, die ausgeschickt worden waren, um die auf Fahrt befindlichen Hamburger Schiffe mit Lieferungen an den Dey von Algier aufzubringen. Der in Hamburg residierende Abgesandte Spaniens war von der erzürnten Krone abberufen worden. Besonders folgenschwer war aber mit Sicherheit, dass es ab November 1751 in Spanien keine offiziellen Konsulate und Agenturen des Stadtstaates Hamburg mehr gab.

Portugal schien im Gegensatz dazu nie daran gedacht zu haben, Hamburg in der Weise entgegenzutreten wie Spanien es getan hatte. In Hamburg ist man Portugal damals und später dafür sehr dankbar gewesen. Das zeigte sich im Dezember 1755, als im Senat über die Hilfsmaßnahmen zum Lissabonner Erdbeben beraten wurde. Im Beschluss dazu heißt es: „Da nun auch vornehmlich Hamburg jeder Zeit des Glücks theilhaftig gewesen, bey Sr. Königl. Portugiesischen Majestät in vorzüglichen Gnaden zu stehen, welches sich denn vor kurzem bey den entstandenen Misshelligkeiten zwischen der Crone Spaniens und dieser guten Stadt merklich gezeiget...“.

Bedenkt man die räumliche Nähe der Hafenstadt Faro zur spanischen Grenze, liegt die Vermutung nahe, dass das dortige hamburgische Konsulat sein Entstehen der algerischen Piraterie und dem diplomatischen Missgeschick der Hansestadt verdankt, das diese im Umgang mit den Herrschern von Algier und Spanien hatte.


* PHG-Mitglied Annemarie Schmidt-Cords lebt in Lagos. Sie beschäftigt sich mit historischen Themen und ist eine gefragte Referentin. Weitere von ihr zu dem Thema empfohlene Literatur:

Ernst Baasch: 
Die Hansestädte und die Barbaresken, Kassel 1897

Eckart Lessmann: 
Geschichte der Stadt Hamburg, Hamburg 1981

Erik Verg: 
Das Abenteuer, das Hamburg heißt, Hamburg 1997

Ernst Christian Schütt: 
Die Chronik Hamburgs, Gütersloh 1997




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Portugal-Post Nr. 16 / 2001