Algarve: Verlorenes Paradies?
Von Romina Carneiro
Vierzig Jahre
nach dem Beginn des Tourismus im Algarve, bemerkt man ein Wachstum und eine
Entwicklung, die im Vergleich zum Rest des Landes einmalig sind. Keine
portugiesische Region entwickelt sich in demographischer und ökonomischer
Hinsicht so stark wie der Algarve. Sein Beitrag zum portugiesischen
Bruttosozialprodukt ist – laut
der Beilage der Zeitung Público
vom 16.08.01 – unvergleichlich hoch. Das Verhältnis aber zwischen dem was der
Algarve dem Land gibt und dem was er bekommt, ist für den Algarve höchst
nachteilig. Der in dieser Region entstandene Reichtum kontrastiert in finsterer
Form mit einer unheimlichen Armut an Ressourcen. Das Hauptinstrument der
Wiederverteilung von nationalen Ressourcen – der Staatshaushalt – spiegelt
das ungerechte Verhältnis zwischen dem was der Algarve dem Land gibt und dem
was er bekommt. Das Geld, das für die Förderung des Tourismus investiert
werden sollte, wird für Sachen ausgegeben, die den Einwohnern
des Algarve schleierhaft bleiben. Das Hauptproblem ist, dass der Algarve
keine strukturellen Verbindungen zu den restlichen portugiesischen Regionen
besitzt. Immerhin befindet sich die
Autobahn Lissabon-Algarve schon 62 Kilometer vor ihrer Endstation und – wie es
scheint – ist ab nächsten Sommer voll benutzbar, aber es gibt andere Probleme
außer den miserablen Zugangsverbindungen. Der Algarve braucht eine stärkere
Durchsetzungsfähigkeit und eine stärkere Repräsentanz bei der
Zentralverwaltung um neuen Herausforderungen zu begegnen und sich als eine
strukturierte Region zu behaupten. Außer der mangelhaften Kommunikation mit
Lissabon gibt es noch das Problem der internen Unstrukturiertheit des Algarve,
die auf das Fehlen einer unangemessene Verbindungspolitik zwischen Küste und
Innenland beruht.
Aber was wirklich für die unglaubliche Minderung der
Lebensqualität an der südlichen Küste Portugals verantwortlich ist, ist die
Gier der Bauunternehmer. Seit 1989 hat sich die Qualität des Tourismus im
Algarve deutlich verschlechtert.
Der Preiskrieg , der 1994 unter den englischen Reiseveranstaltern ausbrach, hat
den Weg für chaotische Baugenehmigungen geebnet. In diesem verhängnisvollen
Jahr begannen die Spekulanten, unterstützt durch die Kommunalpolitiker (die mit
der Bausteuer die Kassen der Rathäuser
füllten) ebenso wie durch die Regierung, wie wahnsinnig zu bauen. Wohnungen und
Wolkenkratzer, Häuser, Restaurants, und Bars schossen in chaotischer Form wie
Pilze aus dem Boden. Wie der Expresso vom 19.08.89 sagt,
„flossen Milliarden von Mark durch viele Hände bei diesem Mord am
Algarve“. Kein Wunder also, dass man seitdem von einer Flucht der reichen
Touristen vor dem Algarve spricht: Bauarbeiten im August und September, übertrieben
viel Lärm, Wasserrohrbrüche, schlechte sanitäre Verhältnisse. Immer mehr
Geschäfte mit einem belanglosen Angebot zerstückeln die Gegend, verunstalten
die Landschaft, unterwandern die traditionelle Architektur. Schuld der
Kommunalverwaltung? Natürlich. „Und auch der Regierung“, sagen die
Kommunalpolitiker, um nicht die Verantwortung für das Geschehene alleine übernehmen
zu müssen. Es ist offensichtlich, dass wenn die Rathäuser das alles
genehmigen, die Verantwortung der Regierung nicht zu leugnen ist.
Andererseits lassen sich in letzter Zeit eine Reihe von
aktiven Maßnahmen feststellen, die uns glauben lassen, es handle sich nicht um
ein „verlorenes Paradies“. Die große Mehrheit der Kommunalpolitiker und der
Wirtschaftsunternehmer haben in letzter Zeit zunehmend eine Sorge um die
Bewahrung und Verbesserung des Ökosystems gezeigt: das Programm POLIS für
Albufeira, die Sanierung des Arade-Beckens und der Abwassersysteme sind
Beispiele eines Bemühens um die (Wieder)Herstellung der Umwelt. Es handelt sich
also noch nicht um ein „verlorenes Paradies“. Der Algarve hat noch so viele
schöne Ecken, entzückend und friedlich, Erinnerungen an ein Traumparadies
entlang der gesamten südlichen Küste. Lasst uns also hoffen, dass das zügellose
Ausbreiten finanzieller Interessen nicht auch die verbliebenen paradiesischen
Ecken der Algarve-Küste zerstört, die sich bisher vor diesem wahnsinnigen
Baufieber retten konnten.
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Portugal-Post Nr. 16 / 2001
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