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Der Algarve aus deutscher Sicht

Von Enzio von Baselli

Die Dienststelle des deutschen Honorarkonsulats geht auf eine Hamburger Gründung des Jahres 1752 zurück und ist somit die wohl älteste konsularische Vertretung an Portugals Südküste. Sie blieb allerdings nicht die einzige deutsche Vertretung. Zwischen 1889 und 1910 gab es alleine 4 kaiserliche Konsulate: neben Faro in Portimão, in Lagos und in Vila Real de Stº António. Der Grund war die schlechte Landverbindung entlang der Küste und daher waren so viele Konsulate in unmittelbarer Nachbarschaft vonnöten, um den Export auf dem Seeweg direkt abwickeln zu können. Hauptexportartikel war Kork, auf den die „Proppensniders“ (Korkenschneider) z.B. in den Hansestädten Lübeck und Bremen warteten, damit sie den sog. Rotspon ordentlich verkorken und lagern konnten. Andere Ausfuhrgüter waren Eisenerz, Johannisbrot (als Emulgatoren für die Pharma-Industrie) und Mandeln.

 1916 – 1920 waren die deutschen Konsulate wegen den Eintritts Portugals in den ersten Weltkrieg geschlossen, und zwischen 1945 und 1959 gab es nur einen Vize-Wahlkonsul. Dafür gab es während des 2. Weltkriegs sogar einen Berufskonsul. Er residierte im Hotel Belavista in Praia da Rocha und war für die Nazipropaganda und Spionage zuständig. Letzteres klappte sehr gut, weil der Leuchtturmwärter vom Cabo S. Vicente ein deutscher Spion war. Er informierte die deutsche Botschaft sofort, wenn ein englischer Konvoi auftauchte. Bei Angriffen auf englische Konvois verloren 7 deutsche Flieger ihr Leben. Sie sind auf dem Friedhof von Aljezur beigesetzt.

 Im Augenblick leben schätzungsweise 10.000 Deutsche im Algarve. Es ist keine gewachsene Kolonie. Die meisten Deutschen sind nicht berufstätig und haben ihren ersten Wohnsitz in Deutschland. Es handelt sich um sogenannte Wohlstandsemigranten, d.h. sie sind finanziell unabhängig (Pensionäre, selbständige Geschäftsleute). Die Gründe für die Auswanderung sind das Klima, die Landschaft, gesundheitliche Probleme. Für den Algarve spricht auch die relative Nähe (3½ Flugstunden). Nach dem Beitritt Portugals zur EU meinen viele Deutsche, keine Aufenthaltsgenehmigung haben und Steuern zahlen zu müssen. Auf der anderen Seite können diejenigen, sie sich korrekt verhalten, sehr viel Ärger mit der portugiesischen Bürokratie bekommen. Den deutschen Kindern stehen, sofern sie nicht auf eine portugiesische Schule gehen wollen, drei Privatschulen zur Verfügung: die International School in Porches und die deutschen Privatschulen in Portimão und Faro.

 Der Zustrom der Deutschen hat in den letzten Jahren sprunghaft zugenommen. Während man 1974 ganze 240 Deutsche registrierte, waren es 1982 bereits 842 und heute, inklusive der Nicht-Eingetragenen, ca. 10.000. Dazu kommen jedes Jahr ca. 1,5 Millionen deutsche Touristen (Tendenz: steigend). Von folgenden deutschen Flughäfen kann man den Algarve erreichen: Frankfurt/Main, Düsseldorf, Hamburg, München, Hannover, Stuttgart, Berlin, Köln, Leipzig, Nürnberg, Dresden, Bremen, Paderborn, Münster, Saarbrücken, Erfurt, Friedrichshafen, Baden-Baden, Osnabrück, Zweibrücken.

 Der Tourismus ist inzwischen Haupteinnahmequelle. Die Landwirtschaft ist zur Bedeutungslosigkeit zurückgegangen. Der Grund ist mangelndes Qualitätsbewusstsein. Die Jugend wandert ab. Auch der Fischfang ist rückläufig. Es gibt Prämien für jedes abgewrackte Schiff. Die Fischfabriken schließen. Der fangfrische Fisch wird gern von den Italienern abgenommen. Gezüchtete Fische drängen mehr und mehr auf den Markt. 

Dafür ist der Bauboom ungebrochen. Nur einige Gemeinden versuchen steuernd einzugreifen. Die Abwasserbeseitigung geht voran. Doch die Infrastruktur liegt teilweise im argen, besonders im Gesundheits- und Gerichtswesen. Untersuchungsverfahren brauchen 10-12 Monate um eingeleitet zuwerden. Es ist kein Pflichtverteidiger zu finden, selbst gegen gute Bezahlung. Die Polizei ist nicht bürgernah genug, benimmt sich häufig rüpelhaft. Es fehlt eine Berufsbildung wie in Deutschland; dafür gibt es keine echte Arbeitslosigkeit. Der Bürokratismus schlägt gelegentlich Purzelbäume.

 Das Verständnis für Umweltschutz steigt. Doch die Böden um Faro herum sind stark überdüngt (hohe Nitratkonzentrationen!), woran vor allem die Treibhäuser Schuld sind. Dagegen ist das Trinkwasser von hoher Qualität, Ergebnis enormer Investitionen (Umstellung der Versorgung von Brunnen auf  Stauseen). In den letzten Jahren lässt sich ein Ansteigen der Kriminalität verzeichnen. Es handelt sich häufig um Beschaffungskriminalität von Drogenabhängigen, darunter leider auch von Deutschen. 

 Die Dienststelle des deutschen Honorarkonsulats kann sich über mangelnde Beschäftigung nicht beklagen. Im Jahr 2000 gab es 3.980 Besucher, d.h. 16 pro Tag; 9.785mal wurde angerufen, 7.578 Auskünfte wurden erteilt, 85 Passersatzpapiere ausgestellt, 315 Pässe ausgehändigt und 15mal musste das Konsulat sich in Fällen geistiger Verwirrung von deutschen Staatsangehörigen helfend einschalten.





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Portugal-Post Nr. 17 / 2002


Enzio von Baselli
27.9.1934 - 1.1.2002