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Begegnungen mit Enzio von Baselli

Von Peter Koj

Statt eines Nachrufs 

Manchen Leuten begegnet man einfach zu spät. So war es Anfang der 90er Jahre mit Prof. Rainer Marggraf, dem Keramikfachmann aus Osnabrück. Diese Begegnung hatte eine sehr schöne Ausstellung portugiesischer Azulejos im Ibero-Amerika-Verein am Alsterglacis zur Folge – einige unserer LeserInnen werden sich erinnern. Kurz darauf riss ein Herzinfarkt Rainer Marggraf aus seinem aktiven Leben, das vor allem dem deutsch-portugiesischen Kulturaustausch gewidmet war.

 Im August 1999 erreichte uns ein Brief von Enzio Baselli, in dem er auf den 250jährigen Jahrestag der Gründung seiner Dienststelle hinwies und eine Einbeziehung unserer Gesellschaft in die „eventuellen Feierlichkeiten“ anregte. Der Brief endete mit dem eher zurückhaltend formulierten Wunsch: „Über jede Art der Zusammenarbeit mit Ihnen würde ich mich sehr freuen.“  

 Daraus entwickelte sich eine rege Korrespondenz und gelegentliche Telefonate. Persönlich kennen lernen sollte ich Enzio von Baselli erst im letzten Frühjahr. Nach einer 2wöchigen Randrundfahrt durch den Algarve und den Alentejo landete ich am 6. April auf der Ilha do Faro. Die letzte Etappe von Barranco do Velho (Serra do Caldeirão) war relativ kurz gewesen, so dass ich mich schon am späten Vormittag in der Estalagem „Aeromar“ einquartieren konnte. Mehrere Versuche, Enzio von Baselli in seiner Dienststelle telefonisch zu erreichen, schlugen fehl: immer besetzt! Gegen 12.30 Uhr hatte ich ihn dann endlich am Apparat. Doch er hielt sich nicht lange mit Förmlichkeiten auf: „Auf der ilha sind Sie? Da komme ich gleich vorbei:“ Und schon eine halbe Stunde später saßen wir in seinem Lieblingsrestaurant, bei „Roque“. Schon sehr erstaunlich die Beweglichkeit dieses älteren Herrn, der sich nach  einer Beinoperation noch der Krücken bedienen musste und der auch sonst – wie sich im späteren Gespräch herausstellte –  im Laufe seines Lebens gesundheitlich einiges durchgemacht hatte (O-Ton: „Ich bin dem Tod viermal von der Schippe gesprungen“).  Auch mit der Wahl des Gerichtes hielt er sich nicht lange auf. Eine Speisekarte war nicht nötig: der Kellner wusste schon was o senhor cônsul am liebsten aß: Arroz de lingueirão.

 Während wir uns an dieser algarvischen Köstlichkeit delektierten, erzählte mir Enzio von Baselli von sich, von seinem Leben und seinen Aspirationen, von seiner abwechslungsreichen und aufreibenden Tätigkeit als Honorarkonsul der Bundesrepublik Deutschland und wie ihm der letzte Staatspräsident der Salazar-Ära, Américo Tomás, o presidente corta-fitas, wie er von den Portugiesen wegen seiner politischen Unbedeutendheit genannt wurde, ein paar Tage bevor er durch die „Nelkenrevoution“ (25.4.1974) hinweggefegt wurde, in einer seiner letzten Amtshandlungen die Akkreditierung ausstellte. Dabei offenbarte Enzio von Baselli eine erfrischende Mischung von konservativen Grundpositionen und einer illusions- bis respektlosen Einschätzung seiner Situation, so dass ich schwanke, ihn einen „revolutionären Konservativen“ oder einen „konservativen Revolutionär“ zu nennen. Auch seine starke Zuneigung zu seiner zweiten Heimat Portugal kam nicht ohne diesen kritischen Ansatz aus, jedoch stets ohne Häme oder Überheblichkeit.

 Ein paar Tage später schwang ich mich aufs Fahrrad, um Enzio von Baselli in seiner Dienststelle zu besuchen. Ich war einigermaßen entsetzt darüber, wieweit der Abriss der historischen Baumasse in Faro seit meinem letzten Besuch fortgeschritten war und sich an ihrer Stelle lieblose Betonkästen breit (und hoch)machten. Auch die Dienststelle  des deutschen Honorarkonsulats befindet sich in solch einer seelenlosen Zementwabe, im 4. Stock der Avenida da República 166. Doch hier hatte Enzio von Baselli all die Dinge um sich versammelt, welche die historische Dimension dieser Dienststelle dokumentieren. Denn das war seine große Aspiration, das folgende Jahr 2002 – das, wie er herausgefunden hatte ,  250. seit der Gründung dieser ältesten konsularischen Vertretung im Algarve (und zwar durch Hamburger Kaufleute!) – würdig zu begehen. Über offizielle Unterstützung, inklusive durch den Hamburger Senat, machte er sich in unserem Interview keinerlei Illusionen. Und wie Recht er behalten hat!

 Noch vor Abdruck des Interviews (nachzulesen in der letzten Ausgabe der Portugal-Post) schickte ich dieses Anfang September an die Senatskanzlei. Doch von dort bisher keine Reaktion. Immerhin, ein Programmpunkt, auf den sich Enzio von Baselli als Mann von der Küste besonders gefreut hatte, scheint zustande zu kommen: ein Besuch der Gorch Fock in Portimão in diesem Sommer. Doch wird Enzio von Baselli dieses selbst nicht genießen können. Denn das aberwitzige Schicksal hat ihn just am ersten Tag des Jahres, das ihm so viel bedeutete und für das er so viel getan hat, abberufen. Wir alle, die wir mit ihm gerade in letzter Zeit zu tun hatten, können über diese Fügung nur erschüttert sein. Und da tröstet es uns wenig, dass es Enzio von Baselli, wie er mir in unserem letzten Telefonat kurz vor Weihnachten stolz berichtete, gelungen ist, ein weiteres im Zusammenhang  mit dem Jubiläum stehendes Projekt weitgehend abzuschließen, nämlich sein Buch über die Geschichte des Konsulats und die deutsch-portugiesischen Beziehungen. Die Portugiesisch-Hanseatische Gesellschaft unterstützt dieses Projekt und hofft, dass sich jemand findet, der das Manuskript druckreif macht.

 Was wir unseren LeserInnen jetzt schon bieten können, ist der Tätigkeitsbericht, den Enzio von Baselli bei meinem Besuch in mündlicher Form gegeben und nach Niederschrift korrigiert und autorisiert hat (Portugal-Post Nr. 17). Er mutet jetzt wie ein letztes Vermächtnis dieses umtriebigen und  kantigen Mannes an. Doch wie gesagt: dies soll kein Nachruf sein. Den möge schreiben, wer Enzio von Baselli länger und besser gekannt hat. Wir haben uns zu spät kennen gelernt. Aber nicht ganz zu spät! So wie Rainer Marggraf in der kurzen Zeit unserer Freundschaft mich in die wunderbare Welt der azulejos eingeführt hat, verdanke ich Enzio von Baselli einen kurzen Blick in das Leben eines Mannes, der sich durch körperliche Gebrechen nichts von seinem Schwung und seiner Beweglichkeit hat nehmen lassen und sich trotz aller Widrigkeiten seinen Lebenstraum erfüllt hat. Und der heißt Portugal. Unter südlicher Sonne liegt er nun begraben, auf dem Friedhof von Lagoa, wo ich ihn auf meiner nächsten Portugalreise besuchen werde und ihm einen Blumenstrauß bringen werde, um ihm zu zeigen, dass er hier in Hamburg und in der Portugiesisch-Hanseatischen Gesellschaft, deren Mitglied das Ehepaar Baselli von Süssenberg seit letztem Herbst ist, nicht vergessen ist.





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Portugal-Post Nr. 17 / 2002