ESSA NOSSA DITOSA LÍNGUA XVII
Lassen wir uns überraschen
Peter Koj
Haben Sie schon einmal portugiesische Kreuzworträtsel gelöst?
Während meiner Laufbahn als Lehrer fand ich leider nie die Muße, um mich
diesem für unser Gehirn so förderlichen Zeitvertreib zu widmen. Aber ich
schnitt immer die regelmäßig im Jornal da Costa do Sol, einer
Wochenzeitung, deren treuer Abonnent ich seit Ende der 70er Jahre bin, veröffentlichten
Kreuzworträtsel aus und bewahrte sie auf.
Jetzt, wo ich pensioniert bin, schöpfe ich aus diesem
Schatz und versuche jeden Morgen, bevor ich mich anderen Dingen zuwende, ein
Kreuzworträtsel zu lösen. Und fast jedes Mal stehe ich vor unerwarteten und
gelegentlich unlösbaren Problemen. Sie kommen einerseits von dem großen
Reichtum der portugiesischen Sprache (dazu die Folge VI dieser Serie in der Portugal-Post
5). Diese hat einen ganz präzisen technischen Begriff für einen bestimmten
Sachverhalt, der in anderen Sprachen kaum bekannt ist, z.B. raer = den
Backherd fegen, nachdem er erhitzt wurde, oder siar = die Flügel
anlegen, um schneller hinunterzufliegen (nicht zu verwechseln mit ciar =
rückwärts rudern oder cear = zur Nacht essen). Andererseits gibt es
wahre Schikanen, wenn nach einem Wort gefragt wird, das sich in keinem Diktionär
findet und das häufig aus der weiten Welt der portugiesischsprachigen Welt
stammt (wie z.B. saá, ein kleiner brasilianischer Affe oder um,
ein Baum aus Damão). Und schließlich gibt es immer wieder Irrtümer und
Druckfehler, die eine rasche Lösung verwehren. So glaubte ich kürzlich, als
nach „blefe praktizieren“ gefragt war, es mal wieder mit einem
Druckfehler zu tun zu haben; denn der Lello (Dicionário Prático
Ilustrado), mein treuer Begleiter auf meinen Reisen durch die portugiesische
Sprache, führt diesen Begriff nicht auf.
Doch in dem gerade von
der Academia das Ciências de Lisboa veröffentlichten Dicionário da
Língua Portuguesa Contemporânea von Malaca Casteleiro findet sich blefe
als brasilianischer Ausdruck, der vom Englischen bluff kommt. Nichts
leichter als das, könnte man sagen. Ich war aber einfach von der Orthografie
dieses Anglizismus kalt erwischt worden. Denn wie ich in der 3. Folge dieser
Serie (Portugal-Post 3, S. 8-11) gezeigt habe, streben die vom Englischen
ins Portugiesische übernommenen Wörter an, durch ihre Schreibweise den Klang
des Englischen wiederzugeben. Als
Beispiel zitierte ich tichêrte (=T-shirt), chute (=shoot), taparuer
(= tupperware, das übrigens viele Deutsche aussprechen, als ob es ein deutsches
Wort wäre). Deswegen hätte ich die Schreibung blafe erwartet so wie in pabe
(= pub). Ob es zu tun hat mit der manieristischen Aussprache des viktorianischen
Englands, die noch von einigen Vertretern der älteren Generation praktiziert
wird, die für but [böt] sagen (statt [bat]), für cut [köt]
statt [kat] und für pumps [pömps] statt [pamps]?
Wie bei anderen aus dem Englischen stammenden Ausdrücken
gibt es auch eine Verbform: blefar, das Lösungswort meines Rätsels.
Dieses Verb findet sich schon im Grande Dicionário da Língua Portuguesa von
Cândido de Figueiredo, das besser Auskunft gibt als das Lexikon von Malaca
Casteleiro, wenn es sich um veraltete Ausdrücke handelt. Als weitere aus dem
Englischen abgeleitete Verben seien zitiert: driblar (< to dribble), snifar
(< to sniff), chutar (< to shoot) und liderar abgeleitet
von líder und nicht direkt vom Verb to lead, was lidar ergeben
würde, das es ja schon in anderer Bedeutung im Portugiesischen gibt.
Weitere Verben, die direkt aus anderen Sprachen kommen, wie
aus dem Französischen, dem Spanischen, dem Italienischen oder sogar dem
Deutschen wird es sicherlich geben; doch kann ich im Moment nur mit einem
Beispiel aus einer ganz kleinen Sprachgruppe dienen, nämlich der der Deutschen
Schule Lissabon, wo man spaßeshalber sagte Deixemo-nos überraschar –
Lassen wir uns überraschen. Soweit ich weiß, stammt der Spruch von dem
Linguisten Manuel Luís Mendes Silva, der viel Spaß an solchen makkaronischen
Wendungen hatte und dessen beiden Sprachbände Português Contemporâneo und
Português Língua Viva nach wie vor eine wertvolle Hilfe für alle
diejenigen darstellen, welche diese Sprache lernen oder unterrichten. Aber
sicherlich gibt es noch mehr davon. Deixemo-nos
überraschar.
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Portugal-Post Nr. 18 / 2002
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