"Weltuntergang am Rio Guadiana. Warum ein Fluss
verschwindet"
Peter Koj
So lautet der Titel des 30minütigen Filmes, den die
TV-Journalistin Susanne Sterzenbach für die Sendereihe „Blickpunkt Europa“
des Südwestfunks gedreht hat. In der Tat verschwindet der Guadiana durch das
Alqueva-Projekt auf einer Länge von 100 km. Mit ihm verschwindet nicht nur eine
der ältesten Grenzen in Europa, nämlich die zum spanischen Nachbar – das wäre
noch eher ein positiver Aspekt. In den Fluten des Stausees verschwindet aber
auch der letzte Auwald Südeuropas mit seiner mannigfaltigen Fauna und Flora. Es
werden die Nistplätze von 38 geschützten Vogelarten vernichtet werden,
darunter die des Schwarzstorches (im Moment nisten hier noch 150 Paare).
Der Film zeigt eindrucksvolle Bilder von diesem dem
Untergang geweihten Naturparadies, immer wieder kontrastiert mit der Brutalität
der Bilder vom Bau der fast 100m hohen Staumauer. Nostalgisch gleitet die Kamera
über Kulturdenkmäler, die ebenfalls in den Fluten versinken, so die symbolträchtige
Ruine der Brücke bei Ajuda (1801 im Krieg um Olivença, der Guerra
das Laranjas, von den Spaniern zerstört), historische Wassermühlen (60 an
der Zahl) und Dolmen (werden z.T. nach oben geschafft). Der Film beschäftigt
sich auch mit dem Leid, das der Stausee für die Menschen mit sich bringt. So
verdrängen die Einwohner von Monsaraz, einem der schönsten Dörfer des
Alentejo, vorerst noch, dass sie bald von ihrer Höhe nicht mehr den Blick über
die Weite der alentejanischen Ebene schweifen lassen können, sondern ihnen ein
(Wasser)Spiegel vor die Nase gehalten wird.
Noch schlimmer trifft es die Bewohner von Luz. Ihr Dorf
wird total geflutet und so hat man ihnen ein neues Dorf einige hundert Meter
weiter bergauf gebaut. Der Bürgermeister, Francisco Oliveira, bezweifelt
jedoch, ob sie sich hier jemals heimisch fühlen werden. Erinnerungen werden
wach an die dramatische Schilderung der Flutung eines Dorfes in der Erzählung A
barragem des großen portugiesischen Dichters und Schriftstellers Miguel
Torga (in der Sammlung Pedras lavradas). Aber auch an meine eigenen Erlebnisse und
Erfahrungen auf meinen Wanderungen im Gerês (Vilarinho das Furnas, Lindoso,
etc): ein Stausee ist für die unmittelbar Betroffenen eine Katastrophe und es
gibt keinen fürchterlicheren Anblick als der eines Stausees in der
Trockenperiode, wenn der Wasserspiegel absinkt und den Blick freigibt auf steile
Hänge voller Geröll, bar jeder Vegetation und wo nur tote Bäume ihre kahlen
Äste in den Himmel recken. Und mit solch einer grauenhaften Szenerie muss im
Alentejo, der mit Abstand regenärmsten Region Portugal, überwiegend gerechnet
werden. Ähnlich wie der Gerês zur Zeit Salazars, so zahlt der Alentejo heute
dafür den Preis, dass er außer Naturschönheit nichts zu bieten hat, nicht
„rentabel“ ist („Europa wird dem Fluss zum Verhängnis“, O-Ton des
Films).
Bleiben nur die Naturschützer, die um Fünf nach
Zwölf ihre warnenden Stimmen erheben. Im Film sind dies der Portugiese José
Paulo Martins (Quercus), der Spanier Víctor
Manuel Pizarro (Aldenex) und der
Deutsche Gerald Hau (Euronatur). Sie
fordern, dass man sich bei der Stauhöhe mit 6-10m weniger begnügt (zur sog. Guerra
das cotas unser Bericht auf S.xx dieser Ausgabe). Dies würde bedeuten, dass
die Hälfte der jetzt zum Tode verdammten Landschaft gerettet würde. Wir werden
sehen, wieweit dieser fromme Wunsch in Erfüllung geht und sich nicht – wie so
häufig – die wirtschaftlichen Interessen durchsetzen werden.
|
. |
|
Portugal-Post Nr. 18 / 2002
|
|
Idyll am Guadiana -
ein Bild der Vergangenheit
|
|