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Zur Eröffnung der Vasco da Gama Brücke
(Fast) Ein Augenzeugenbericht

Von Gerhard Steindorf

Gerhard Steindorf aus Berlin, einer der treusten Lieferanten von Informationsmaterial für unsere Portugal-Post, gehört zu den Privilegierten, die zur Eröffnung der Gama-Brücke eingeladen waren. Eine prächtige Angelegenheit, sollte man meinen. Doch dann kam alles ganz anders...

Zurückgekommen aus Portugal, wo wir uns wegen der prächtigen Einweihungsfeier der prächtigen Brücke über den Tejo aufhielten, prächtiges Wetter erwartend, kurieren wir zunächst unsere Enttäuschungen. Nicht nur, dass der Termin zur Vorbesichtigung der noch nicht dem Verkehr übergegebenen Brücke schiefging, weil wir die Treff-Adresse nicht gefunden haben, auch das Volksfest haben wir verpasst. An diesem Tag lag ich mit hohem Fieber und einer Grippe, die sich gewaschen hatte, im Bett.

Die angekündigten und bis zu unserem Eintreffen in Lissabon vorherrschenden Temperaturen von 27º C und Sommerwetter wechselten anscheinend mit dem Augenblick, als wir den portugiesischen Boden betraten. Von da an war es kalt, stürmisch, regnerisch, ungemütlich und im Hotel - wie üblich - ungeheizt. Ich muss gestehen, es war das erste Mal, dass ich hinterher froh war, wieder von Portugal nach Hause zu kommen.

Die Brücke haben wir selbstverständlich noch mit dem Auto befahren, mit 17 km die längste Brückenstrecke in Europa, immerhin! Es war schon ein besonderes Gefühl. Von der neuen "Vasco da Gama" kann man auch die "alte" "25. April" sehen, die Wirkung ist ganz imposant. Ein typisch portugiesisches Erlebnis war das Auffinden der Brücke und der Auffahrt, denn sie war weder in den neusten Straßenkarten noch in Hinweisschildern angezeigt. So sind wir mindestens eine Stunde herumgeirrt, bis wir dann am Flughafen ein abgedecktes Hinweisschild fanden, das durch den Sturm unvorhergesehen befreit worden war und so den Autofahrern den Weg zeigte.

Genau so typisch die Vorbereitungen der Eröffnung. Noch eine Woche vorher konnte niemand glauben, dass die Zufahrten und Anbindungen an den beiden Brückenköpfen, die als öffentliche Aufträge geplant und vergeben worden waren, rechtzeitig fertiggestellt sein würden. Die Brücke selbst ist ein privates Investment, das über Maut finanziert wird und sowohl den Erwerb der "alten" (und deren Erweiterung um eine zweite Ebene für den Bahnverkehr) als auch den Bau der gigantischen "neuen" beinhaltet. Beide Maßnahmen sind voll im Zeitplan. Lediglich die öffentlichen Aufträge hinken hinterdrein und erscheinen sehr unorganisiert.

Für die große offizielle Eröffnung war eine Veranstaltung mit rund 10.000 Leuten geplant, wohlgemerkt: nicht das Volksfest! Nachdem die Regierung in das Kreuzfeuer der öffentlichen Kritik geriet, hat man dann die Veranstaltung ca. 14 Tage vorher auf rd. 5.000 Teilnehmer reduziert. Die offiziellen Einladungen sind dann auf die letzte Minute (oder gar nicht) verschickt worden; die wichtigsten Vertreter des Investitions-Konsortiums waren nicht eingeladen, vor dem Hintergrund der besonderen Konstellation nahezu skandalöse Umstände. Insgesamt jedoch ein fast gewohntes Bild der öffentlichen Verwaltung mit leichten Anflügen von Chaos.

Gut dagegen funktionierte offenbar der als Fest von Procter & Gamble gesponsorte Werbefeldzug des größten Feijoada Eintopf-Essens der Welt, bei dem angeblich 15.000 Gäste kamen und "Fairy" zeigen konnte, wie leicht danach der Abwasch fällt.

Das Expo-Gelände darf man - verständlicherweise - als Unbefugter nicht betreten. Man hat aber von der nächsten Anhöhe aus einen passablen Überblick über das Treiben auf die nahezu unübersehbar vielen, z.T. recht klein strukturierten Baustellen. Es entstehen dort doch eine Reihe von markanten Projekten unter der Mitwirkung von Architekten mit klangvollen Namen, allen voran der wohl bekannteste Portugiese, Álvaro Siza. Aber auch Calatrava aus Barcelona (und Zürich) mit dem neuen Bahnhof und SOM aus Chicago sind mit dabei.

Die Verkehrsinfrastruktur ist vollkommen unzureichend ausgebaut. Dies alleine wird ein Chaos; aber auch die für die Eröffnung erforderliche Fertigstellung der Baulichkeiten wird unter keinen Umständen fertig werden, so viel ist bereits jetzt abzusehen! Daneben gibt es ein aussichtslos zu geringes Angebot der, zum Teil hoffnungslos überalterten, Hotels. Man erwartet katastrophale Verhältnisse ... Das Ministerium für die öffentlichen Arbeiten jedenfalls verkündet mitten im Staub der Baustellen, bei denen jedem Passanten klar wird, dass sie nicht rechtzeitig fertig werden, mit einer Laufschrift und einem elektronischen Zählwerk, in wie vielen Tagen die Expo eröffnet werden wird.





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Portugal-Post Nr. 2 / 1998