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Wir besuchen den "Millionsten Gastarbeiter"

Von Adelina Almeida *

Wir erfuhren von unserem Taxifahrer, dass Herr A. in der Nähe von Nelas wohnen würde. Wir fuhren also hin, um mit ihm zu sprechen. Leider trafen wir nur die Tochter und die Ehefrau an. Herr A. selbst war fünf Jahre zuvor gestorben. Sein Tod schien noch sehr lebendig in der Erinnerung der Familie. Mutter und Tochter weinten sehr. Wir erfuhren, dass Herr A. vor seiner Emigration im Straßenbau gearbeitet hatte und von seiner Familie und seinen Freunden sehr geschätzt war.

Als über die Gemeinde Arbeiter in die Bundesrepublik angeworben wurden, meldete er sich und fuhr nach Süddeutschland, um in einer Fabrik zu arbeiten. Begeistert schrieb er nach Hause, wie er in der Bundesrepublik empfangen wurde, dass er als Millionster Gastarbeiter ein Motorrad geschenkt bekommen habe, und er hatte die beste Meinung über die Deutschen. Er war stolz in der Bundesrepublik zu sein, und wollte am liebsten die Familie nachholen und den Daheimgebliebenen Deutschland zeigen. Hier war er beliebt bei Arbeitskollegen und Arbeitgebern. Er war fleißig, sparte viel, machte Überstunden und kaufte mit dem Geld ein altes Haus im Dorf mit einer Gaststätte drin. Die wollte er später betreiben.

Dann hatte er einen schweren Arbeitsunfall, ging zum Arzt, war sehr krank. Der Arzt schickte ihn nach Hause. Er glaubte dem Arzt und ging anstandslos nach Portugal zurück, zumal er auch Sprachschwierigkeiten hatte, sich mit dem Arzt zu verständigen. In Portugal erfuhr er, dass er außerdem einen bösartigen Magentumor hatte. Seine Krankengeldansprüche verlor er, sowie seine Arbeit und alles. Er musste von seinen Ersparnissen Ärzte und sämtliche Krankenkosten bezahlen. Als diese erschöpft waren, musste er seine Rentenbeiträge abheben, und die Familie verlor so alle Ansprüche auf eine spätere Witwen- oder Waisenrente. Die fünf Jahre seiner Krankheit haben so alle Ersparnisse aufgefressen. Es blieb ein verschuldetes Haus, zwei unverheiratete Töchter, eine niedergeschlagene Witwe. Diese verfluchte den Tag, an dem ihr Mann in die Bundesrepublik fuhr. Die Witwe lebt heute noch von einer portugiesischen Sozialrente von 120 DM pro Monat sowie von der Unterstützung ihrer Töchter.

Herr und Frau A. wurden nie über ihre Rechte informiert. Frau A. erzählt, dass ihr Mann während seiner Krankheit immer wieder den Wunsch geäußert hätte, noch einmal in die Bundesrepublik zu fahren.


* PHG-Mitglied Adelina Almeida hat diese Reportage erstmals 1985 in einer Dokumentation der Deutsch-Ausländischen Arbeitsgemeinschaft e.V. in Hamburg veröffentlicht; wir haben sie hier unverändert übernommen.




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Portugal-Post Nr. 22 / 2003


Armando Rodrigues aus Vale de Madeiros. dpa-Foto von 1964