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Die Portugiesischschule der Katholischen Mission

Von Eurico José de Azevedo *

Im dritten Quartal des Jahres 1965 erschien zum ersten Mal in Hamburg ein Priester, um mit der örtlichen Kirche bei der Betreuung der portugiesischsprachigen Gläubigen zusammenzuarbeiten. Es war der Pater Vicente Miranda, gebürtig aus Goa. Es war seine Aufgabe, erste Kontakte zu den Portugiesen aufzunehmen, die in Norddeutschland verstreut lebten, von Holland bis Berlin, von Dänemark bis Göttingen. Am 8. Februar 1971 sandte die portugiesische Bischofskonferenz den amtierenden Missionar, Pater Eurico José de Azevedo nach Hamburg, aber die portugiesische Katholische Mission wurde offiziell erst am 8. März 1974 vom Bischof von Osnabrück ins Leben gerufen.

Die erste Maßnahme des neuen Missionars, der die erste Messe für Portugiesen in Hamburg am ersten Märzsonntag 1971 feierte, war an der St. Marienkirche in Hamburg einen Sammelpunkt zu schaffen mit den dazugehörigen Gemeindestrukturen. Allmählich wurden der Religionsunterricht und - in höchst enger und effektiver Zusammenarbeit mit der Caritas - die Sozialhilfe aufgebaut. Ihre Tätigkeit wurde dann ausgedehnt auf den Bereich der Kultur, wobei Kurse zur Einführung in die deutsche Sprache und zur Alphabetisierung angeboten wurden.

I. Die Gründung der Schule
Zu Beginn der 70er Jahre litt die portugiesische Gemeinde in Hamburg vor allem unter der Trennung der Familien. 1973 gab es in Hamburg 4.224 portugiesische Männer gegenüber 1.786 Frauen, während es 19884 4.890 Portugiesen gegenüber 4.114 Portugiesinnen waren.
- Warum lassen Sie Ihre Frau nicht nachkommen? wurde gefragt.
- Sie muss in Portugal bleiben, um sich um die Kinder zu kümmern.
- Und warum lassen Sie nicht auch die Kinder kommen?
- Auf keinen Fall: hier gibt es keine portugiesische Schule und wenn sie nicht portugiesisch lernen, haben sie noch weniger Zukunft als wir, zumal wir nur so lange hier bleiben, bis wir ein Haus zusammengespart haben.

Weil es keine portugiesische Schule gab, blieben die Kinder in Portugal, und weil die Kinder dort bleiben mussten, blieben die Ehepartner getrennt. Die Männer lebten zusammengepfercht in Unterkünften, mal jüngeren mal älteren Baujahres, aber alle unmenschlich: acht in einem Zimmer in Etagenbetten mit einer Gasflamme für vier oder fünf, zwei oder drei Schichten pro Tag arbeitend und sonntags trostlos durch die trostlosen Straßen der am Wochenende trostlosen Stadt irrend. Entweder musste ganz schnell eine portugiesische Schule her oder die Situation würde sich ganz fürchterlich verschlechtern.

Am 22. Januar 1973 war es soweit, dass die Schule ihre Tätigkeit aufnahm. Im ersten Jahr gab es nur eine Grundschule: 31 Schüler in der 1. Klasse, 19 in der 2. und 3., 14 in der 4. Die 14 Schüler der 4. Klasse wurden extern geprüft und bestanden alle. Als Lehrer, nur der Pfarrer unterstützt von Srª D. Albertina Mota, einer Arbeiterin für Gummiwaren, die einen Abschluss einer Wirtschaftsschule hatte. Die Schule entwickelte sich allmählich: 1974 gab es schon eine 5. Klasse und so weiter, so dass wir 1977/78 die 9. Klasse erreichten. Die Zahl der Lehrer nahm mehr und mehr zu.

Die Anfangsschwierigkeiten waren enorm:
- mangelnde offizielle Anerkennung,
- mangelnde finanzielle Strukturen
- Mangel jeglicher Unterstützung, sei es vonseiten der portugiesischen Regierung sei es vonseiten des Hamburger Senats. Das Geld kam von der BPA ¹ (DM 2.000 pro Monat), von den Eltern (DM 5 pro Monat) und vom Gehalt des Pfarrers selbst.

Aber ohne die Schule ging es nun mal nicht, und sie hatte das Glück als Oberkoordinator des Portugiesischunterrichts in Deutschland einen echten Humanisten zu haben, Dr. Olívio Caeiro. Durch ihn ging es mächtig voran, auch wenn er von den schwerfälligen staatlichen Strukturen abhing. Am 27. September 1978 schickte er mir folgenden Brief:

"Verehrter Dr. Eurico de Azevedo, ich darf Sie darüber informieren, dass mit dem Erlass vom 11.9.78 seiner Exzellenz des Staatssekretärs für die Grund- und weiterführenden Schulen der von Ihnen geleitete Hauptschulkurs für portugiesische Sprache und Kultur der Katholischen Mission Hamburg offiziell anerkannt wurde.
Somit wird der Hauptschulkurs der Katholischen Mission über dieselben Rechte und Pflichten verfügen und über dieselbe Unterstützung und Weisungsbefugnis der obersten Schulbehörde wie die bereits bestehenden offiziellen Kurse."

Die offizielle Anerkennung war da und unsere Kinder waren nicht mehr externen Prüfungen unterworfen, bei denen sie nicht immer anständig behandelt wurden. Aber die Unterstützung war nach wie vor dürftig, die Eifersüchteleien zahlreich und die Ungerechtigkeiten zahllos.

II. Weiterentwicklung der gewählten Schulform
Neue Wege einschlagen heißt gewisse Risiken eingehen. Wie soll man eine Schule für Kinder organisieren, die schon müde von der deutschen Schule kommen und über die ganze Stadt verstreut sind? Zuerst muss die Schule ihnen soweit wie möglich entgegenkommen und nicht umgekehrt. Deswegen wurde gleich an drei Fronten beschult: in Hamburg-Mitte, Hamburg-Süd und Hamburg-Osten. Im Hamburger Westen gab es schon 12 Wochenstunden, die vom Hamburger Staat bezahlt wurden. Andererseits war es für Kinder, die so überlastet waren und so weit auseinander wohnten, wichtig zu entspannen, zu spielen und sich kennen zu lernen. So wichtig wie der Unterricht war die Pause.

Welche Schulform sollten wir wählen? Die monokulturelle, d.h. die Kinder nur auf die deutsche Schule schicken und sie dort germanisieren lassen, wurde von den Eltern in Bausch und Bogen abgelehnt, und um diese zu umgehen, gab es ja unsere Schule. Die interkulturelle, d.h. eine einzige Schule, an der Deutsche und Portugiesen unsere Sprache lernen und sich für unsere Kultur interessieren, wäre schön, aber nur virtuell. Sie würde geradewegs ins Subproletariat führen: sie würden weder ausreichend Deutsch lernen, um mit den Deutschen zu konkurrieren, noch ausreichen Portugiesisch, um mit den in Portugal ansässigen Portugiesen mithalten zu können. Außerdem liefen sie Gefahr, ein Ghetto zu bilden, vor dem alle warnten und das keiner wollte.

Die von uns gewählte Strategie musste sich nach den Bedürfnissen der Schüler richten. Die Zukunft dieser Kinder war sehr problematisch. Niemand wusste ob sie in Deutschland bleiben würden oder ob sie bald nach Portugal zurückkehren müssten. Die Eltern hatten immer eine möglichst rasche Rückkehr geplant. Unsere Strategie musste dieser Dynamik der Familien entsprechen: die Kinder darauf vorzubereiten, dass sie sich früher oder später im portugiesischen Erziehungswesen integrieren mussten und dass zwei Drittel unserer Kinder nach Portugal zurückkehrten, ohne einen Hauptschul- oder Sekundarschulabschluss vorzuweisen. Deswegen wählten wir den parallelen Weg - vormittags Besuch der deutschen Schule ohne Abstriche und nachmittags zweimal wöchentlich drei Stunden portugiesische Sprache und Kultur, dazu mindestens eine halbstündige Pause.

III. Ergebnisse
Als unsere Schule begann, muss es wohl zwei bis fünf Portugiesen gegeben haben, die ein deutsches Gymnasium besuchten, wenige die Realschule und fast alle die Hauptschule. Heute hat sich das Bild umgekehrt: die überwiegende Mehrheit unserer Schüler besucht das Gymnasium oder die Realschule. Dies hat verschiedene Gründe, vor allem aber der Unterricht der Schüler und die Aufklärung über das deutsche Schulsystem, die wir den Eltern geben.

In Hamburg gibt es ehemalige Schüler unserer Schule, die an der Universität studieren, von der Medizin bis zur Pädagogik über Jura und Wirtschaftswissenschaften. Aber der größte Teil unserer ehemaligen Schüler befindet sich in Portugal: Ärzte, Zahnärzte, Manager, Ingenieure, Architekten, Rechtsanwälte, Lehrer. Heute gibt es auf fast allen portugiesischen Universitäten ehemalige Schüler von uns.

Obwohl Zahlen nicht die beste Art sind die Verdienste einer Schule zu bewerten, so ist es doch zumindest die am wenigsten subjektive. 1988, im Jubiläumsjahr des 25jährigen Bestehens, besagen die Zahlen exakt, dass unsere Schüler die folgenden Abschlüsse erzielt haben:
148 Schüler der deutschen Schule erreichten den ehemaligen Grundschulabschluss (4ª classe);
20 Erwachsene den kompletten Grundschulabschluss (4ª classe);
11 Erwachsene den vollständigen Zweijahreskurs (2º ano);
1.121 die Beobachtungsstufe (6ª classe);
701 den Hauptschulabschluss (9a classe).
Insgesamt besuchten 3.798 Schüler unsere Schule.

Von den Schülern, die den Hauptschulabschluss erlangten entschieden sich viele für ein Aufbaugymnasium, das zum Abitur führt, um sich in einer portugiesischen Universität einzuschreiben. Diese konnten auf Wunsch in den vier Jahren Oberstufenkurse in portugiesischer Kultur und Literatur belegen.

IV. Die augenblickliche Situation - Schuljahr 2002/03
Es scheint mir angebracht, in groben Zügen die Situation dieses Schuljahres zu schildern. Im Februar wurde von der Koordinierungsstelle für den Portugiesischunterricht in Deutschland mitgeteilt, dass mit Beginn des Schuljahres 2002/03 der Senat für den Portugiesischunterricht unserer Kinder zuständig ist, die vormittags die staatlichen Schulen besuchen, und die Kirche für diejenigen, welche die Katholische Schule besuchen. Da die Koordinatorin sich in einem offenen und illoyalen Krieg feindselig gegen uns gezeigt hat ², habe ich mich schriftlich an das portugiesische Erziehungsministerium gewandt h, um dieses dazu zu bringen, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, wie z.B. bei der neuen Regelung für dasselbe Unterrichtsniveau zu sorgen, den neuen Verantwortlichen pädagogische Unterstützung zu gewähren, einen Katalog von entsprechenden Kriterien einzurichten, die Erziehung unserer Kinder als staatliche Aufgabe anzusehen und den von den neuen Arbeitgebern verpflichteten Diensthabenden berufliche Absicherungen zu gewähren wie sie die augenblicklich Entsandten besitzen. Es wäre nötig, dass Portugal sich nicht seinen Verpflichtungen entzieht, die es unseren Kindern gegenüber hat, nur weil die Kirche und der Hamburger Staat ihren eigenen Verpflichtungen nachkommen.

Ich schrieb am 21. April und noch einmal am 6. Juni. Dann telefonierte ich. Niemand antwortete, es wäre auch nicht nötig, da die Maßnahmen ergriffen seien... Doch weder wurde geantwortet noch irgendeine Maßnahme ergriffen. Bevor es in die Ferien ging, wurde mir gesagt, dass alles organisiert sei. Die Generalverwaltung der Katholischen Schulen sagte mir, dass man nur auf eine Antwort wartete, die man dem portugiesischen Staat gesendet hatte. Erleichtert darüber dass ich nicht mehr verantwortlich war, das Beschaffen finanzieller Mittel für unsere Schule zu organisieren, fuhr ich in die Ferien.

Als ich am 16. August aus den Ferien zurückkehrte, hatte sich die Kirche zurückgezogen, weil die portugiesische Regierung nicht einmal auf ihre Briefe geantwortet hatte. Und der Hamburger Staat hatte auch keine Schule außer derjenigen, für die der portugiesische Staat aufkommt für Portugiesen, Deutsche, Türken und Chinesen, die Rudolf Roß. Ich versuchte noch mich telefonisch zu erkundigen was der Núcleo do Ensino Português no Estrangeiro (NEPE) davon hielt. Doch sie konnten mir kaum etwas dazu sagen. Von der Koordinationsstelle kein einziges Wort. Am 19. August schrieb ich an den NEPE mit einer Kopie an den Premierminister einen Brief, in dem ich um Antwort auf den Brief der Generalverwaltung der Katholischen Schulen bat. Der Premierminister antwortete mir, er habe die zuständige Stelle angewiesen zu antworten, doch bis heute kein Wort.

Damit diese wunderbare 30jährige Geschichte nicht im Chaos endete, habe ich mit Hilfe meiner üblichen Mitarbeiterinnen den Unterricht organisiert, ohne fremde Hilfe, um Zeit zu gewinnen, damit die offiziellen Stellen sich verständigen. Ich ging davon aus, dass die zwei Monate bis zum Ende der Oktoberferien genügen würden. Aber bis heute ist kein einziger Schritt zu erkennen. Momentan haben wir außer den Schülern der 8. und 9. Klasse in Hamburg-Mitte, die sich für den offiziellen Unterricht bei ihrer alten Lehrerin, Regina Correia eingeschrieben haben, 322 Schüler, aufgeteilt auf 17 Gruppen, 9 in Hamburg und 8 in Harburg. Es gibt 3 Vollzeitlehrer, Padre Eurico für die drei Gruppen der dritten Stufe, D. Filomena und D. Albertina für die zweite und unterstützt von D. Amélia, D. Camila, D. Elisabete und D. Sandra in der Eingangsstufe, welche die meisten Schüler hat.

Die Schüler der 8. und 9. Klasse wären gerne im ehemaligen Gebäude geblieben, Regina Correia ebenfalls, zumal es für sie leichter und effizienter gewesen wäre, wie gewohnt im Team zu unterrichten; aber der portugiesische Staat hat sie in einem offenen Akt von Diskriminierung verlegt, aus Angst vor einem Kontakt mit der christlichen Ideologie. Jetzt sind die jüngeren Geschwister in Hamburg-Mitte und die älteren in Hamm, was den Familien das Leben schwer macht. Die größten Opfer ideologischer Willkür sind immer die Kinder.

Hamburg, den 15. Januar 2003


* Pfarrer der Katholischen Mission

¹ Banco Português do Atlântico
² Wir stehen mit der Koordinatorin, Piedade Gralha, seit längerem in freundschaftlichem Kontakt. Trotz mehrfacher Zusagen, hat sie es bisher leider nicht vermocht, uns eine offizielle Darstellung aus Sicht ihrer Dienststelle zur Veröffentlichung zuzusenden.




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Portugal-Post Nr. 22 / 2003


Eurico José de Azevedo




Regina Correia