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Amália-Rodrigues-Weg

Von Peter Koj

Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg hat in seiner Sitzung vom 15.5.03 beschlossen, dass eine Straße dieser Stadt den Namen von Amália Rodrigues tragen soll, weil sie - wie es in der Erklärung des Amtlichen Anzeigers vom 23.5. heißt - "in über 50-jähriger Karriere zur legendären ‚Stimme Portugals'" wurde. Damit wurden die Bemühungen der Portugiesisch-Hanseatischen Gesellschaft bei den offiziellen Stellen unserer Stadt von Erfolg gekrönt.

Die Idee stammt von unserem Fado-Spezialisten Helge Dankwarth, welcher der letzte Deutsche gewesen sein muss, der den großen Star noch zu Lebzeiten angetroffen hat. Es war am 1. Oktober 1999, als er von Amália Rodrigues in ihrem Sommersitz in Brejão (Alentejo) zu einem Tee eingeladen wurde (dazu sein Bericht in Portugal-Post 9, S.6-8). Bei dieser Gelegenheit erinnerte sie sich auch an ihren Auftritt in Hamburg Mitte der 60er Jahre. Fünf Tage später, am 6.10.99, starb sie in ihrem Haus in Lissabon.

Bereits im August 2001stellte Helge Dankwarth bei der verantwortlichen Behörde in Harburg, Bezirk mit der stärksten portugiesischen Präsenz, den Antrag, eine Straße oder einen Platz nach Amália Rodrigues zu benennen. In Antwort auf die positive Reaktion des Senatsamtes für Bezirksangelegenheiten in der Person von Herrn Jörg-Olaf Thießen wurde von uns als passender Ort ein Platz am Außenmühlenteich vorgeschlagen.

Leider wurde unser Vorschlag von der Bezirksversammlung Harburg abgewiesen. Mehr Glück hatte unser zweiter Versuch, unterstützt durch einige Argumente unseres Kulturreferenten Dr. Peter Koj (siehe Kasten), bei der Bezirksversammlung Altona. Er wurde positiv beschieden an den Senat weitergeleitet.

Der ausgewählte Ort ist jedoch nicht so schön und grün wie der in Harburg. Es handelt sich um eine kleine Sackgasse von ungefähr 110 m Länge im Stadtviertel Bahrenfeld, und zwar im Dreieck Schützenstraße, Leunastraße und Leverkusenstraße. Sie wird den Namen

Amália-Rodrigues-Weg

erhalten.

Es handelt sich um ein überwiegend als Gewerbegebiet genutztes Viertel, aber ganz in der Nähe, in der Schützenstraße selbst, gibt es einen iberischen Lebensmittelmarkt mit verschiedenen Artikeln auch aus Portugal. Und gleich nebenan ist der Stadtteil Ottensen mit seiner starken portugiesischen Präsenz (dazu der Artikel Neues von der portugiesischen Szene in Ottensen in der 21. Ausgabe der Portugal-Post, die ganz dem Thema Portugal in Hamburg gewidmet ist).

Die Einweihung wird am 24. Oktober um 11 Uhr stattfinden. Mit dabei sein werden Hamburgs Kultursenatorin Frau Horáková, der portugiesische Botschafter aus Berlin, S.E. Herr Dr. João de Vallera, sowie der portugiesische Generalkonsul aus Hamburg, Herr Dr. Fernando Manuel Gouveia de Araújo.

Ähnlich wie allmählich in ganz Portugal (im Mai wurde z.B. die Praça Multiusos in Fundão in Praça Amália Rodrigues umbenannt) wird auch in Hamburg die berühmte portugiesische Fadosängerin durch eine Straßenbezeichnung geehrt werden, zur großen Zufriedenheit nicht nur der zahlreichen portugiesischen Gemeinde als auch aller Anhänger des Fado, der ja mehr als eine bloße Musikgattung ist.

Amália Rodrigues, mit vollem Namen Amália da Piedade Rebordão Rodrigues, wurde am 23.7.1920 in der Lissabonner Mouraria geboren, ein Stadtteil arabischen Ursprungs und wie die Alfama die Heimat des Fado. Aus ärmlichen sozialen Verhältnissen stammend, unterstützte die kleine Amália die Familie als Blumenverkäuferin in den Straßen Lissabons. Bereits 1939 hatte sie ihren ersten Auftritt als Fadista und gleich im Jahr darauf trat sie in Madrid auf. Das war das Startsignal zu der unvergleichlichsten Karriere, die je von einem portugiesischen Künstler erreicht wurde. Sie war der große Star auf allen Bühnen der Welt, wobei ihr Konzert im Pariser Olimpia unvergessen bleiben wird.

Sehr früh begann Amália Rodrigues damit, die Grenzen des traditionellen Fados zu überschreiten, wobei sie sich der Texte klassischer und moderner Dichter bediente (Camões, Alexandre O'Neill, David Mourão Ferreira etc.). Sie wurde in diesen Bestrebungen von Alain Oulman unterstützt, der nicht einmal Portugiese ist, sondern Marokkaner sefardischer Herkunft. Dieser Zusammenarbeit, die bis zum Tode von Alain Oulman bestand, verdanken wir die schönsten Fados Amálias wie Gaivota ("Möwe"), Com que voz ("Mit welcher Stimme"), Maria Lisboa. Andere Titel, die Amália unsterblich gemacht haben, sind Estranha forma de vida ("Seltsame Art des Lebens"), Povo que lavas no rio ("Volk, das du im Fluss wäschst"), Lágrima ("Träne"), Ai Mouraria ("Ach Mouraria"), Barco negro ("Schwarzes Boot"), Casa portuguesa ("Portugiesisches Haus"), Vou dar de beber à dor ("Ich werde dem Schmerz zu trinken geben", der ihr 1973 eine Goldene Schallplatte einbrachte) und Casa de Mariquinhas ("Das Haus von Mariquinhas").

Zwischen 1946 und 1966 trat sie in verschiedenen Filmen auf, in denen sie ebenfalls ihr Talent unter Beweis stellte: Capas negras ("Schwarze Umhänge", 1946), Fado (1947), Amantes do Tejo ("Liebende des Tejo", 1954), As Ilhas Encantadas ("Die verzauberten Inseln", erhielt den Preis für die beste Darstellerin), u.a. da sie sich in gewisser Weise mit dem Salazar-Regime kompromittiert hatte, war sie nach der Revolution vom 25. April 1974 zeitweise "aus der Mode". Sie machte damals eine schwierige Phase durch, schloss sich monatelang in einem New Yorker Hotel ein, wo sie sogar daran dachte, ihrem Leben ein Ende zu bereiten. Das portugiesische Volk hat sie jedoch nie fallen gelassen, sondern verehrte sie voller Hingabe. Diese Hingabe steigerte sich in ihren letzten Lebensjahren zu einer wahren Apotheose: überall wurde sie gefeiert und ausgezeichnet, in Portugal und im Ausland.

Ihr Tod stürzte das gesamte Land in Trauer, und ihr Sarg wurde, ein rührendes Zeichen, im National-Pantheon aufgebahrt, damit das Volk sich von ihr verabschieden konnte. Weniger würdevoll war der Streit, der darum entbrannte, wo ihre sterblichen Überreste zur letzten Ruhe gebettet werden sollten. Zuerst kamen sie in eine Grabstätte im cemitério dos Prazeres, dem Lissabonner Zentralfriedhof, wo auch andere portugiesische Künstler liegen, unter ihnen Alfredo Marceneiro, der große Fadista und Freund Amálias, den sie noch auf seinem letzten Weg im Juni 1982 begleitete. Diese Grabstelle wurde schnell zu einem Wallfahrtsort, an dem sich Szenen abspielten, die sich nicht mehr mit dem friedlichen Charakter eines Friedhofs vereinbaren ließen.

Auf Anregung des Präsidenten der Republik selbst, beschloss das Parlament, die sterblichen Reste in die Santa Engrácia-Kirche, auch als National-Pantheon bekannt, zu überführen. Sie ist die erste Frau, der diese Ehre zuteil wurde und so steht seit dem 7.7.2001 ihr Sarkophag zusammen mit denen von 7 großen Männern des portugiesischen geistigen und politischen Lebens (Sidónio Pais, Teófilo Braga, Carmona, Humberto Delgado, Almeida Garrett, João de Deus und Guerra Junqueiro).

Diese Kirche in ihrer kalten Marmorpracht sonst eher verwaist wimmelt nun von Besuchern, die Blumensträuße und andere Zeichen der Zuneigung niederlegen und den Spruch unter Beweis stellen: "Amália gehört dem Volk". Ein anderer Anziehungspunkt für die Bewunderer Amálias ist ihr Haus in der Rua S. Bento 193, das in ein Museum umgestaltet wurde. Seit dem 25.7.2001 können Besucher dort jeden Tag, außer Montag, von 10 bis 18 Uhr den Nachlass der Fado-Sängerin besichtigen, vor allem ihren berühmten Schmuck und die Garderobe. Und es gibt sogar ein Musical, das ihr Leben und Werk feiert von dem berühmten Regisseur Filipe La Féria. Über ein Jahr spielte es jeden Abend im Stadttheater S. Luiz vor ausverkauftem Haus, bis zum letzten September, um dann ins Teatro Politeama umzuziehen und auf Tournee zu gehen, sogar bis Paris.

Die vielleicht schönste Form der Verehrung von Amália Rodrigues ist, dass es inzwischen eine ganze Reihe von jungen Fado-Sängerinnen gibt, die versuchen, die durch ihren Tod gerissene Lücke zu füllen und, ganz in ihre Fußstapfen tretend, sich nicht damit zufrieden geben, sie einfach nachzuahmen, sondern den Fado zu erneuern, auch wenn dies manchen wehtut. Einige von ihnen haben es bereits zu großem Erfolg gebracht, nicht nur in Portugal, sondern auch im Ausland. Dies sind, um nur einige der bekannteren Namen zu zitieren, Dulce Pontes, Mísia, Mariza, Cristina Branco, Mafalda Arnauth, Marta Dias, Anabela Duarte, Ana Sofia Varela, Ana Moura etc.



Die berühmte Fado-Sängerin Amália Rodrigues (gest. 6.10.1999) ist eine der herausragenden portugiesischen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Die Überführung ihrer sterblichen Reste in das Pantheon, wo sie als einzige Frau unter den politischen und geistigen Größen ihres Landes ihre letzte Ruhe gefunden hat, ist nur ein Zeichen der Verehrung, die sie unter ihren Landsleuten jedweder Couleur genießt.

Das gilt in besonderem Maße für die Millionen Portugiesen, die im Ausland leben und für die Amália Rodrigues eine hohen Identifikationswert mit ihrer Sprache und Kultur hat. Hamburg ist mit über 10.000 Portugiesen eine Hochburg der portugiesischen Emigration. Sie stellen zudem die zahlenmäßig umfangreichste Vertretung europäischer Ausländer in Hamburg dar. Altona ist neben Harburg und HH-Mitte ein von Portugiesen bevorzugter Stadtteil.

Weitere portugiesische Präsenz im Stadtteil Altona:

  • Es finden sich hier eine Vielzahl portugiesischer Cafés, Restaurants und Lebensmittelhandlungen.
  • In den Ottenser Kulturstätten wie "Fabrik" und "Werkstatt 3" wird portugiesische Kultur (auch Fado) geboten. Einer der Organisatoren der "Werkstatt 3" ist Sohn portugiesischer Emigranten.
  • In Ottensen befindet sich auch der Sitz der "Portugiesisch-Hanseatischen Gesellschaft", mit ca. 250 Mitgliedern Deutschlands größte deutsch-portugiesische Kulturvereinigung auf regionaler Ebene.
  • In Othmarschen gibt es das einzige Hamburger Gymnasium, das Portugiesisch als reguläres Unterrichtsfach anbietet (Gymnasium Hochrad).
  • Auf dem portugiesisch-jüdischen Friedhof an der Königstraße zeugen die 2.000 prachtvollen Grabplatten (auf der Vorschlagsliste für das UNESCO Weltkulturerbe!) mit ihren portugiesischen Inschriften von der Bedeutung, welche die Sefarden seit ihrer Niederlassung (ab ca. 1590) für die Städte Hamburg und Altona als Kaufleute, Ärzte und Gelehrte gehabt haben.





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Portugal-Post Nr. 24 / 2003





Amália Rodrigues
(1920 - 1999)
© Silva Nogeira von der CD Ouro, O Fado Amália Rodrigues, Movieplay Portuguese




Sarkophag von
Amália Rodrigues




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