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Robert Wilson - Tod in Lissabon

Von Peter Koj

Sie sind kein Fan von Kriminalromanen? Hier kommt einer, der sie umstimmen wird: A small death in Lisbon des englischen Autors Robert Wilson. Er wurde 2000 veröffentlicht, die deutsche Übersetzung Tod in Lissabon von Kristian Lutze erschien zwei Jahre später im Goldmann Verlag, und die portugiesische Übersetzung O último acto em Lisboa erlebt schon ihre 5. Auflage. Zuerst einmal ist es ein hervorragender whodunit in der guten britischen Tradition (Agatha Christie, Dorothy Sayers etc.), denn er lässt den Leser bis zum letzten Augenblick im Unklaren und serviert ihm am Ende von fast 600 Seiten eine unerwartete Lösung, bei der alle Fäden auf eine überraschende aber überzeugende Weise zusammenlaufen.

Der andere große Vorzug dieses Meisterwerks ist, dass die Handlung auf verschiedenen historischen und geographischen Ebenen verläuft. Hintergrund sind das Lissabon der 40er Jahre und die Aktivitäten der Nazis in Portugal während des Zweiten Weltkriegs (Wolfram- und Goldschmuggel). Der Autor zeichnet ein lebendiges Bild der portugiesischen Metropole, das zur damaligen Zeit ein Schutzhafen für die Flüchtlinge aus Deutschland, in der großen Mehrzahl Juden, war und auch ein Treffpunkt der Geheimagenten aus Deutschland, ebenso wie die der Alliierten.

Aber im Mittelpunkt des Interesses steht die Art, wie der Inspektor Zé Coelho - sehr menschlich, sehr sympathisch, sehr portugiesisch - es schafft, den Fall des toten Mädchens Catarina Oliveira zu lösen, dessen Körper nicht weit vom Haus des Inspektors in Paço de Arcos gefunden wurde. Die Haupthandlung findet Ende der 90er Jahre statt, und es ist schon bewunderungswürdig wie die durch mehr als ein halbes Jahrhundert getrennten Ereignisse schließlich zusammenlaufen, wobei sie unterwegs andere entscheidende Marksteine der portugiesischen Geschichte passieren, wie die Ermordung des Generals Humberto Delgado (hier heißt er Machedo), die Geschehnisse des 25. April mit besonderer Berücksichtigung der Aktivitäten der PIDE, der verhassten salazaristischen Geheimpolizei, die übrigens von der Gestapo ausgebildet wurde, und der Befreiung der Gefangenen von Caxias.

Der Autor muss eine ganze Zeit in Portugal gelebt haben, denn er zeigt neben vertieften Kenntnissen von historischen Fakten eine große Vertrautheit mit dem Lissabon von heute. Dasselbe kann man leider nicht von dem deutschen Übersetzer sagen, der z.B. den Guincho (ein Strand in der Nähe von Cascais) oder den Chiado (Lissabonner Stadtviertel) behandelt als wären es Bezeichnungen von Ortschaften (am Strand von Guincho, S.461; in der Rua António Maria Cardoso in Chiado, S.384) und Alcântara als ob es eine Provinz oder Region wäre (bei den Docks in der Alcântara, S.430).

Aber das sollte dem deutschen Leser nicht den Spaß verderben, einen Roman in Händen zu haben, der nicht nur extrem gut geschrieben ist mit einem gehörigen Schuss britischen Humors, sondern ihm auch jede Menge Information über das Lissabon von gestern und heute liefert. Unbedingt lesen.




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Portugal-Post Nr. 23 / 2003