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Lasst uns die Zeit anhalten
Die Festung von Oitavos

Von José d'Encarnação *

Es macht Spaß. Dort unten, das ständige Rauschen der Wellen. Wir stellen uns ihr Kommen und Gehen vor und können nicht der Versuchung widerstehen, über die erste sich uns bietende Zinne zu schauen. Es ist eine hellgrüne Decke, die sich über die Felsen ausbreitet. Ich habe Lust, mich in das Gestühl aus Holzlatten zu setzen. Selbst wenn man nicht das Meer sieht, nur den Himmel und die neugierige Möwe. Gelassenheit genießen...

Das war in der Tat was ich zuerst empfand, als ich die Festung von Oitavos betrat. Das Logo - in Dreiecksform aufgeschichtete Kanonenkugeln, fünf, drei, zwei, eine - kündigte einen Kriegsschauplatz an, warnt vor dem anrückenden Feind. Der Mast für die Nationalflagge, aber auch andere Fahnen mit allerlei Signalen, "Feind in Sicht!", "Geschütze in Stellung!", "Feuer!"... auch der Mast evoziert Kriegsschauplätze. Doch es ist alles nur zum Schein. Schöner Schein sind auch die drei gusseisernen Kanonen für Kugeln von zwölf Pfund, dem damals in Mode stehenden englischen Modell nachgebildet, die drohend dem Ozean ihre harmlos aufgerissenen Münder zeigen. An schönen Sommertagen liegt auf dem Boden des Schießstandes (die plattenbelegte Südterrasse) neben den Lafetten, auf denen sie lagern, die ganze Ausrüstung die nötig ist, um dem Feuerbefehl nachzukommen! Heute sehen wir sie drinnen, in der Pulverkammer.

Klar. Entzückt von der Ruhe haben wir ganz vergessen, warum wir gekommen sind. Es ist Zeit hineinzugehen!

Der Aperitif
- Nein, man braucht keine Karte zu kaufen, denn der Eintritt ist frei und die Festung ist jeden Tag geöffnet, außer Montags und an Feiertagen, im Winter von 10 bis 17 Uhr, von 11 bis 18 Uhr im Sommer.
- Also, wie komme ich dorthin, wo parke ich das Auto, wohin mit den Kindern?
- Genau. Nehmen Sie die Kinder mit. Fahren Sie mit dem Auto, denn von Cascais ist es nur ein Katzensprung, es ist auf halbem Weg zum Guincho, vor dem Cabo Raso, genau da, wenn Sie wollen, fahren sie auf die befestigte Düne von Oitavos . Parkplatz ist jede Menge da, denn als man die Schussrampe in ihrer gesamten Ausdehnung nach Norden restaurierte, ließ man reichlich Platz zum Parken. Ah! Aber Sie können auch mit der ganzen Familie dorthin radeln! Denken sie daran, dass Sie von der Bucht von S. Marta ganz bequem einen Fahrradweg haben, schon vergessen?

Der Aperitif im ehemaligen Versammlungsraum ist ein Video von 10 Minuten:
- Willkommen in der Festung von Oitavos, die frisch restauriert am 10. Dezember 2000 für das Publikum geöffnet wurde. Besuchen Sie sie und lernen Sie ihre Geschichte kennen. Eine Geschichte mit viel Meer, vielen Möwen, der Tejomündung, militärischen Strategien, Restaurationstechniken, Erklärungen...
- Machen Sie bitte keinen Lärm, weil dahinten einer der Soldaten von einer Nachtwache ausruht, während sich der andere in Ruhe vergnügt... Warten Sie einen Moment, denn gleich sehen wir besser. Ist es so o.k.? Ich möchte nämlich gerne, dass Sie dieses Uniformenverzeichnis des Infanterieregiments von Cascais aus dem Jahre 1777 lesen, das damals 1128 Reservisten zählte. Da steht: ‚1128 rote Stehkragen', ‚1128 Paare Sohlen und Absätze', ‚2444 wollene Bänder für Schleifen und Haar'... Witzig, nicht wahr?

Eine portugiesische Feijoada
- Hallo, mein Freund, was hältst du vom Geschmack? Fehlt noch ein bisschen Salz? Es ist der Koch am Kamin vor einem riesigen Kochtopf mit einem leckeren Bohneneintopf auf portugiesische Art.
- Diese Blutwurst muss göttlich sein, nicht wahr? Können wir nicht mitessen? Ist in Ordnung, wir sind zwar zu viele für den Tisch, der nur für fünf gedacht ist, aber wir werden uns schon einrichten. Es fehlen die Teller, stimmt. Alles so wie es sich gehört.
Der Soldat am Tisch ist schon fertig mit dem Essen, saugt genüsslich an seiner Pfeife (wie hübsch der Lederbeutel, in dem er seinen Tabak aufbewahrt!...) und spielt mit dem Hündchen: "Möchtest du diesen Knochen? Nein, Bursche, dieser Knochen ist nichts für dich, denn er ist vom Hühnchen und du könntest dich daran verschlucken! Gleich bekommst du die Feijoada-Teller zum Ablecken, warte". Die vier hölzernen Betten - pst, der Mann schläft noch!... - werden an der Wand hochgeklappt, wenn sie nicht benötigt werden. Dieser Raum dient als Küche, Speisesaal, Schlafraum, alles. Also, nicht absolut alles, denn die Latrine ist draußen, an der Südost-Ecke des Schießstandes, überdacht, direkt über der Klippe, und die Regenfälle sind ihre Spülung. Nicht alle, denn die sauberen Niederschläge, die vom Dach, werden offensichtlich in die Zisterne geleitet, die sich im Gebäude-Inneren befindet, neben den Zimmern.

Die Pulverkammer
- Miss mir das gut aus, Mann! Nicht zu viel Pulver noch zu wenig, denn der Schuss muss treffen! Hier liegt alles was man zur Versorgung der Feuerwaffen braucht. Mit dem Wollwischer und mit dem Stopfen (wegen irgendwelcher Reste, die zurückgeblieben sein konnten) wurde das Pulver genau abgefüllt; dann wurde mit Hilfe einer Ladeschaufel der Zündlauf mit Kugeln oder Kartätschen geladen, in diesem Fall mit der cucharra, einem Pulverhorn, und alles wurde mit Beuteln voll Trockenpulver zusammengedrückt. Bei dem Kommando "Feuer!" wurde die Zielrichtung eingestellt und die brennende Lunte gelegt: "Ah, Ihr Verdammten, jetzt zerfetze ich Euch!"

Der Chefkommandeur des Regiments
Am Ende des 18. Jahrhunderts kommandierte ein Zugführer in der Festung. Ihn stützte übrigens eine ziemliche Verantwortung, denn im Falle eines Angriffs, sei es von Seeseite (und ab geht die große Kugel!...), sei es durch die Infanterie (und ab geht der Geschosshagel!...) stand ihm das Operationskommando zu in dieser und in den benachbarten Festungen, damit alles schön geordnet verlief und der Feind entweder die Flucht ergriff oder auf den Meeresboden sank, den Langusten und Krebsen zum Fraß... Schön langsam, denn der hohe Herr hat grad ein Treffen. Selbst der schwarze Kater (schon gesehen?...) respektiert seine Arbeitszeit und genießt die Glut des Kamins - denn hier fordern die Tage und Nächte häufig die Wärme eines knisternden Feuers!... Und das Katzenvieh weiß das sehr wohl, denn nach den üblichen Nachtwachen schleicht keine Ratte ungestraft umher und dezimiert den abgezählten Proviant.
- A propos, lieber Kommandant, können wir nicht noch ein bisschen bleiben, in aller Ruhe am Feuer mit Ihrem Gefährten der langen Nächte der Isolation, dem Schwarzen Kater?... In Ordnung, danach gehen wir wieder uns das Meer anschauen, entlang den Wachhäuschen und der Route der Nachtwache werden wir uns Feinde vorstellen, und es wird uns gelingen, die Zeit anzuhalten, seien Sie unbesorgt. Bis bald!

Übersetzung: Peter Koj


* Unser Korrespondent José d'Encarnação ist nicht nur Professor an der Universität Coimbra und einer der bekanntesten Archäologen Portugals, sondern auch großer Kenner von Cascais, wo er seit seiner Jugend wohnt. Eine seiner neusten Publikationen über Cascais und Umgebung ist das Buch "Cascais e os seus cantinhos", das im letzten Jahr von der Stadtverwaltung Cascais und dem Verlag Colibri herausgegeben wurde. Ein unerlässlicher Begleiter für denjenigen, der sich über diese schöne Ecke Portugals informieren möchte.




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Portugal-Post Nr. 25 / 2004


Hinter den Festungsmauern stehen schwere Kanonen




Über dem Eingang das portugiesische Wappen




Hinter den alten Mauern... der Atlantik




Blick auf die Innenanlagen der Festung von Oitavos