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Deutsch als Fremdsprache an portugiesischen Universitäten
Chancen in der Krise

Von Michael Laub *

Der universitäre Deutschunterricht in Portugal unterliegt zurzeit starken Veränderungen. Während bisher die germanistischen Abteilungen vor allem angehende Deutschlehrer ausbildeten, ist die Fremdsprachenausbildung inzwischen Bestandteil anderer Studiengänge geworden. Spätestens seit zwei Jahren ist ein rapider Rückgang der Studentenzahlen innerhalb der traditionell mit der Lehrerausbildung verbundenen Germanistik festzustellen. Dieser Trend betrifft alle portugiesischen Hochschulen, an denen Deutschlehrer ausgebildet werden: die Universitäten in Aveiro, Braga, Coimbra, Lissabon (Clássica und Nova), Porto, Vila Real und Viseu. So schrieben sich an der Universidade de Trás-os-Montes e Alto Douro (UTAD) in Vila Real im Studienjahr 1999/2000 noch rund 60 Studenten für den Studiengang Englisch-Deutsch ein, 2003/04 waren es gerade noch drei Studenten! Deshalb wird in Vila Real zum neuen Studienjahr der Lehramtkurs Englisch-Deutsch geschlossen.

Der Hauptgrund für diese dramatische Entwicklung ist an erster Stelle die fehlende Berufsperspektive für Fremdsprachenlehrer. Die meisten Lehramtstudenten haben kaum Hoffnung, eine Anstellung an einer portugiesischen Sekundarschule zu finden. Die Tatsache, dass lange Zeit ein Germanistikstudium in Portugal mit dem Berufsziel Deutschlehrer an Sekundarschulen verknüpft war, ist somit die Hauptursache für die abnehmende Zahl von Germanistikstudenten.

Erst in den letzten Jahren hat langsam ein Umdenkungsprozess stattgefunden. Wenn die Germanistik und vor allem die Vermittlung von Deutsch als Fremdsprache an portugiesischen Universitäten noch eine Daseinsberechtigung haben soll, dann muss sie sich weiter für andere Studiengänge öffnen. Inzwischen wird Deutsch auch in anderen Studiengängen gelehrt, so z.B. in Braga oder Vila Real bei den "Angewandten Fremdsprachen" (Línguas Estrangeiras Aplicadas), an der Clássica in Lissabon, Porto und in Braga bei den "Europäischen Studien" (Estudos Europeus) oder in Coimbra in einem Fachsprachenkurs für Juristen.

Eine im Sommer 2003 gegründete und vom DAAD geförderte Lektoren-AG (darin sind Deutschlektoren der Universitäten in Aveiro, Braga, Coimbra, Lissabon, Porto, Vila Real und Viseu vertreten) hat sich zum Ziel gesetzt, diese Neuorientierung aktiv zu begleiten und eine Öffentlichkeit für diesen Reformprozess zu schaffen. Im Juni 2004 wurden den Leitern der portugiesischen Germanistikabteilungen erste Vorschläge für den zukünftigen universitären Deutschunterricht vorgestellt.

Zu den zentralen Punkten des Strategiepapiers zählen:

  1. Der sinkenden Zahl von Deutschlernern an Sekundarschulen muss entgegengewirkt werden. Dies kann nur gelingen, wenn die Entscheidungsträger für die Sprachenpolitik in Portugal stärker für die Notwendigkeit der Mehrsprachigkeit sensibilisiert werden - Sprachenvielfalt beginnt bereits in der Schule.
  2. Die zunehmende Internationalisierung der Universitäten sollte folgerichtig zu einem breiten Fremdsprachenangebot an den Hochschulen führen. Fremdsprachenkenntnisse gehören heute zu den Schlüsselkompetenzen und dies wird von den immer mobiler werdenden Studenten auch so wahrgenommen. Deswegen müssen an den Bildungseinrichtungen Sprachkurse für Hörer aller Fakultäten eingerichtet werden.
  3. In einigen Studiengängen wie Jura, Umweltwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften oder Tourismus ist Deutsch von besonders großer Bedeutung. In diesen Studiengängen soll Deutsch als Optionsfach integriert werden.
  4. Die Forderungen des Aktionsplans 2004-2006 (,,Hochschuleinrichtungen spielen bei der Förderung der Mehrsprachigkeit in der Gesellschaft eine Schlüsselrolle. Vorschläge des Inhalts, dass jede Hochschule eine kohärente Sprachenpolitik umsetzt und ihre Rolle bei der Förderung des Fremdsprachenerwerbs und der Sprachenvielfalt [...] abklärt, sind zu begrüßen. [...] Alle Studenten sollten mindestens ein Semester lang im Ausland studieren und im Rahmen ihres Studiums eine anerkannte sprachliche Qualifikation erwerben") der Europäischen Kommission müssen ins Bewusstsein der Entscheidungsträger rücken.
  5. Bei den Fremdsprachen spielt Deutsch eine große Rolle. Innerhalb der EU ist Deutsch die am häufigsten gesprochene Muttersprache und durch die EU-Erweiterung im Mai 2004 ist Deutsch im Konzert der Fremdsprachen innerhalb der Europäischen Union an die zweite Position gerückt - Tatsachen, die auch in Portugal die Attraktivität der deutschen Sprache unterstreichen sollten.
Wenn man sich also intensiver mit der Situation des universitären Deutschunterrichts in Portugal auseinandersetzt, ist die Lage nur auf den ersten Blick niederschmetternd. Zwar ist die Zahl der Germanistikstudenten stark zurückgegangen, doch ist die Notwendigkeit des Fremdsprachenerwerbs offensichtlich. Ein wachsender internationaler Austausch und die damit verbundene wachsende Mobilität der Studenten, von der Europäischen Kommission vorgegebene Rahmenbedingungen (deren Umsetzung aber noch sehr schleppend verläuft) und die durchaus vorhandene Attraktivität von Deutsch als wichtige europäische Sprache sind Faktoren, die dafür sprechen, dass in Portugal die Vermittlung von deutscher Sprache, Kultur und auch Literatur eine Zukunft hat. Allerdings müssen die neuen Realitäten an den Universitäten - und dort vor allem von den Germanistikabteilungen - wahrgenommen werden. Wenn nicht, wird die Germanistik in Portugal ein unbedeutendes Nischenfach werden.


* Lektor an der Universidade de Trás-os-Montes e Alto Douro in Vila Real und Mitglied der Lektoren-AG. (Homepage der Lektoren-AG mit weiteren Informationen wie z.B. Listen mit den Angeboten im Bereich der Germanistik an den portug. Universitäten: www1.ci.uc.pt/iea/ag/startseite.htm)




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Portugal-Post Nr. 28 / 2004


Michael Laub mit "seinen" Germanistikstudentinnen vor der Universidade Trás-os-Montes e Alto-Douro in Vila Real