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Die kleine Geschichte

Aufgeschrieben von Peter Koj


Lissabon - Stätte der Begegnung

Lissabon ist trotz der Neubauten und Modernisierungen der letzten Jahrzehnte nach wie vor ein Ort, an dem es zu den ungewöhnlichsten menschlichen Begegnungen aller Grade kommt. In diesem Zusammenhang erinnere ich gerne an die kleine Geschichte, die mir Ekkehard Jost erzählt hat. Diese große Figur der Hamburger Jazzszene der 60er Jahre (als ich das Vergnügen hatte, mit ihm zu spielen), später Musikwissenschaftler und ordentlicher Professor an der Universität Gießen, ließ sich von den politischen Umwälzungen in den Bann ziehen, die durch die "Nelkenrevolution" ausgelöst wurden. So entschloss er sich wie viele Andere, in Polittourismus zu machen und Ferien in einem endlich demokratischen Portugal zu verbringen.

Es war im heißen Sommer 1976, als er und seine Frau mit dem Wagen in Lissabon eintrafen. Ermüdet von der langen Reise, hatten sie weder Kraft noch Mut, das Gepäck gleich auf ihr Zimmer in einem Hotel am Parque Eduardo VII zu tragen. Es war damals die Zeit, als es "an jeder Ecke einen Freund" gab. Aber unglücklicherweise gab es unter ihnen auch einige "Freunde des Fremdbesitzes", die unerbittlich ihrem Gewerbe nachgingen, trotz der revolutionären Euphorie und des neuen Geistes, der in Portugal herrschte. Und - um ein anderes Lied von José Afonso zu paraphrasieren - "sie klauten alles und ließen nichts da": dem verblüfften Ehepaar präsentierte sich ein völlig leer geräumtes Auto!...

Doch gelegentlich haben Übel auch ihr Gutes. Das ausgeraubte Paar verlebte wunderbare Ferien, denn sie machten die heilsame Erfahrung, dass man sich auch mit wenig Mitteln ein schönes Leben machen kann, vor allem in einem Land mit gastfreundlichen Menschen und noch erschwinglichen Preisen. Unter den geraubten Sachen befandet sich das Manuskript einer Rezension, die Ekkehard Jost für die Zeitschrift Jazz-Podium geschrieben hatte und die eine ausführliche und vernichtende Kritik des Buchs eines jungen Kollegen enthielt. Zurück aus dem Urlaub hatte sich sein kritischer Schwung gelegt, und als Ekkehard Jost die Rezension noch einmal schrieb, begnügte er sich mit einem Dutzend Zeilen, in denen er abschließend feststellte, dass das Werk eine "nützliche Materialsammlung" sei.

Später stellte der Autor des betreffenden Buches, selbst Jazzmusiker, sich bei Ekkehard Jost vor, um in seiner Band Grumpff einzusteigen. Sie wurden Freunde und als Ekkehard Jost ihm die Geschichte vom gestohlenen Manuskript erzählte, hatten sie viel zu lachen, und sie stießen auf die Lissabonner Langfinger an, ohne deren "Hilfe" sie niemals Freunde geworden wären.





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Portugal-Post Nr. 28 / 2004


Ekkehard Jost