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Lissabon - eine Stadt zwischen Weltschmerz und Lebensfreude

Von Marita Marie Loosli

Eine wunderbare Leichtigkeit gepaart mit einer Prise leiser Schwermut prägt das Wesen dieser Stadt. Wer Lissabon nicht gesehen hat, hat nichts Schönes gesehen... So sagt es ein portugiesisches Sprichwort. Und das zu Recht! Denn diese Stadt ist wirklich schön in ihrer so überschäumenden und sprudelnden Lebendigkeit. Ein wenig Zeit kann es allerdings schon in Anspruch nehmen, bis man im stockenden Verkehr von Süden her über die Ponte 25 de Abril ihr Zentrum erreicht hat. Ein mit weit ausgebreiteten Armen ganz seinem brasilianischen Vorbild nacheifernder Cristo Rei grüßt von einem 82 Meter hohen Sockel herunter... wenn ihm nicht gerade ein dichter Vorhang aus Nebel die Sicht versperrt. Gewöhnlich liegt der jedoch nur morgens über der noch schläfrigen Stadt und scheint mit den Rauchschwaden, die an jeder Straßenecke zu fast jeder Stunde des Tages von den Öfen der Kastanienverkäufer aufsteigen, wetteifern zu wollen. Am Nachmittag aber regieren Hektik und brodelndes Chaos das Geschehen. Alle Straßen sind verstopft. Es ist laut und scheint kaum voranzugehen... und doch ist das Flair dieser Stadt einfach unvergleichlich.

Die elegante Rua Augusta ist im Sommer bevölkert von jungen Menschen, die aus aller Herren Länder hierher kommen. Ein lebhaftes Sprachengewirr zeugt davon. Dazwischen laufen bunte Gestalten auf Stelzen herum, bieten Straßenmusikanten ihr Können dar, bewegen sich weißgepuderte, vollkommen in weiße Stoffe gehüllte Gestalten vollendet elegant wie im Tanz zu einer nur für sie hörbaren Musik... Die Hauptflaniermeile mündet am imposanten Triumphbogen in die Praça do Comércio, einen weiten Platz am Ufer des Tejo. Vor wenigen Jahren noch als Parkplatz genutzt, wirkt er heute ohne die vielen Autos eigentümlich leer.

Ein sehr eindrucksvoller Rundblick bietet sich dem, der am Fuße des Kastell-Hügels irgendwo in die schmalen Gassen der Alfama - dem unterhalb des Castelo de São Jorge auf Fels gebauten, ältesten Teil der Stadt - eintaucht und bis zum Castelo hinaufläuft, um oben von den Burgzinnen hinunter die herrliche Sicht über das lebhafte, weitläufige Gewirr der Straßen und die roten Dächer der Häuser hinweg zu erleben.

Dort oben finden sich dann auch genügend lauschige Plätzchen, um sich von den Anstrengungen des Aufstiegs zu erholen... Vorbei an Lissabons ältester Kirche, der Sé Patriarcal - oder auch einfach Sé genannt - die von ihren beiden Türmen flankiert eher wie eine Burg wirkt, geht es nämlich stetig bergan. Der Weg führt durch eng beieinander gebaute Häuser und manches Mal sind dabei schmale, steile Treppen zu erklimmen. Von den Balkonen weht zum Trocknen aufgehängte Wäsche. Auf den ersten Blick ein farbenfrohes, malerisches Bild... die hier lebenden Menschen sehen das aber wohl eher mit anderen Augen! Zwar wird mittlerweile überall mit EU-Fördermitteln geklopft und gehämmert, doch auch die noch immer vorhandene Armut ist nicht übersehbar und es steht wohl zu befürchten an, dass in den attraktiv restaurierten Häusern vermutlich kaum die Bewohner, die sie zuvor verlassen haben, wieder Einzug halten werden. Immerhin werden dort inzwischen schon Ferienappartements angeboten ...!

Der 1902 von Gustave Eiffels Schüler Raúl Mesnier de Ponsard entworfene Elevador de Santa Justa verbindet auf stählern filigranen Füßen den Bairro Alto mit dem Rossio. Im Augenblick muss der Weg hinauf aber entweder zu Fuß oder auch - weniger mühsam - mit der Straßenbahn bewältigt werden, da eine tief klaffende Baugrube gerade den Übergang verhindert. Eine Fahrt in dem holzgetäfelten Fahrstuhl sollte man sich aber trotzdem nicht entgehen lassen... Der Ausblick ist herrlich und in dieser Höhe sieht sich der Betrachter auf einer Ebene mit den Ruinen des um das Jahr 1400 erbauten Klosters am Largo do Carmo. Zur Erinnerung an das verheerende Erdbeben im Jahr 1755 wurde es nicht wieder aufgebaut. Ein Spaziergang durch das Sonnenlicht durchflutete "Kirchenschiff" ruft mit leisem Schauder das Wissen um die Grenzen allen irdischen Lebens wach... und die mit majestätischer Eleganz auf samtweichen Pfoten zwischen den restlichen Fragmenten der Außenmauern graziös dahinschreitenden Katzen machen mit der ihnen eigenen Autorität deutlich, wer heute hier zu Hause ist!

Im "Café Beira Gare" gleich gegenüber vom Rossio Bahnhof mit seiner prunkvollen Fassade auf der einen und dem Teatro Dona Maria II auf der anderen Seite, gibt es immer ganz frisch zubereitete portugiesische Speisen zu unglaublich kleinen Preisen. So geht es denn auch zu wie in einem Taubenschlag. Es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen und besonders in der Mittagszeit kann es recht voll sein. Doch ein Plätzchen am Tresen findet sich immer...

Die Torre de Belém ist das Wahrzeichen der Stadt und Symbol einer ruhmreichen Seefahrernation. Gegen Abend, wenn ihre manuelinischen Mauern bei schon tief stehender Sonne ihr blassrosa Spiegelbild in das sich sanft kräuselnde Wasser des Tejo werfen, zeigt sie sich besonders schön. Nicht umsonst ist sie ein äußerst beliebtes Fotomotiv.

In ihrer unmittelbaren Nähe gibt es ausreichend Parkplätze, die auch für eine Übernachtung mit dem Reisemobil gut geeignet sind. Aber für einen längeren Aufenthalt ist vielleicht doch eher der sehr gut ausgestattete Campingplatz im Parque Florestal de Monsanto vorzuziehen. An der Schnellstraße IC 17 in Richtung der Cril ist er gut beschildert leicht zu finden. Problemlos gelangt der Wohnmobilist von dort mit dem Bus bis zur Praça da Figueira und ist so gleich mitten im Geschehen, das er genießen kann, ohne sich Gedanken über sein rollendes Hab und Gut machen zu müssen.

Die Linie 14 fährt auf dem Weg in das pulsierende Zentrum der Stadt nach halsbrecherischer Fahrt durch die Außenbezirke nicht weniger chaotisch auch mitten durch den Stadtteil Belém. Grundsätzlich sind die Busse hoffnungslos überfüllt. Oft sind schon recht betagte Passagiere darunter und es könnte einem Angst und Bange werden, wenn man sie den Gang entlang schwanken sieht. Doch immer sind gleich von allen Seiten helfende Hände da, die stützen und schützen...

Von Belém aus bietet sich auch eine Fahrt mit der alten Straßenbahn Linie 28 in das etwa sieben Kilometer entfernte Zentrum Lissabons an. Man kann an der Rua Augusta wieder aussteigen und ist dann gleich mitten im geschäftigen Treiben der Baixa... oder man bleibt sitzen - wenn sich denn mit etwas Glück ein Sitzplatz ergattern ließ - und wird ganz gemütlich durch die engen Straßen der Alfama geruckelt. Immer wieder kommt die Bahn mit kreischenden Bremsen zum Stehen. Jeder der vor einem der unzähligen, kleinen Geschäfte haltende Lieferwagen stellt ein unüberwindliches Hindernis für sie dar. Verzögerungen sind also unvermeidlich. Deshalb gibt es auch keine festen Fahrpläne. Sie könnten sowieso nicht eingehalten werden... Eine ideale Voraussetzung, um viele Eindrücke zu sammeln, ohne sich dabei anstrengen zu müssen! Wenn sich der Tag gerade seinem Ende zuneigen sollte, dann empfiehlt es sich unbedingt auszusteigen, wenn der Fahrer ruft: "Castelo!". Der Fußmarsch hinauf wird dann hoffentlich mit einem ebenso traumhaften Sonnenuntergang belohnt.





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Portugal-Post Nr. 30 / 2005


Lissabon


Rua Augusta


Praça do Comercio


Blick vom Castelo de São Jorge


Sé de Lisboa


Elevador de Santa Justa


Ruinen der Igreja do Carmo


Café Beira Gare


Torre de Belém


Straßenbahn Linie 28


Sonnenuntergang vom Castelo