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Panóias, eine Kultstätte römischen Ursprungs, wo die Natur zum Beten inspiriert

Von José d'Encarnação *
Übersetzung: Karin von Schweder-Schreiner

Es gibt Orte auf der Welt, wo die gesamte natürliche Umgebung dich auffordert zu schweigen, über die Vergänglichkeit des Lebens zu sinnieren und dich, wenn auch nur spontan, an ein übernatürliches Wesen zu wenden, dessen Odem du dort spürst ... Panóias ist ein solcher Ort.

Es liegt unweit der Stadt Vila Real, im Herzen von Trás-os-Montes in Nordportugal. Auf einer Hügelkuppe am Ortsausgang von Vale de Nogueiras: eine Gruppe erhabener Felsblöcke mit kleinen Vertiefungen, Löchern für die Pfosten der Aufbauten, die sie ursprünglich abdeckten, und Inschriften auf der Rückseite. Inschriften in Latein und Griechisch, Anweisungen für den Gläubigen, wie das Zeremoniell der Initiation abzulaufen hat. Welche rituellen Opfer er darbringen muss, welche Schritte er gehen muss, bis er oben auf dem letzten, womöglich auf einem der ins Gestein gehauenen Gräber ruhenden Felsbrocken die Vereinigung mit der Gottheit erlangt ... Immer weiter gehend - denn das Leben ist ein Weg ... - hat er dann demütig das Ritual befolgt und sich geläutert.

Eine der Inschriften besagt, dass es dem kaiserlich-römischen Gesandten Gaio C. Calpurnio Rufo, Senator (clarissimus vir), irgendwann zu Beginn des 3. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung oblag, Anweisung zu geben, den Ort "allen Göttern und Göttinnen sowie sämtlichen Gottheiten allgemein und auch denen der Lapiteer" weihen zu lassen. Erwähnt wird die Existenz eines Tempels und einer Mulde zum Schlachten der Opfertiere. Etwas weiter heißt es: "Hier sind die Opfer zu töten, hier sind sie zu schlachten; die Eingeweide sind vorn in den Mulden zu verbrennen und das Blut ist in die Becken darunter zu gießen."

Die Kultstätte ist seit geraumer Zeit bekannt und hat auf die Menschen im allgemeinen und die Historiker und Epigraphiker im besonderen schon immer einen enorm großen Reiz ausgeübt, in Anbetracht des (zwangsläufig) hermetischen Charakters einer Anweisung, die nur die Initiierten in Begleitung von Priestern voll und ganz verstehen konnten. Dennoch wird ihr synkretistischer (heute würden wir sagen, ökumenischer) Charakter betont, denn es werden sämtliche Götter - die der orientalischen Mysterien, wie Serapis, die klassischen, die einheimischen (eines dort ansässigen Volkes, der Lapiteer?) - angerufen.

Der Epigraphiker Emil Hübner, den die Berliner Akademie der Wissenschaft Mitte des 19. Jahrhunderts beauftragte, den Corpus Inscriptionum Latinarum der Iberischen Halbinsel zu erstellen, hat sich natürlich intensiv mit der Kultstätte beschäftigt und unter der Nummer 2395 eine sorgfältige Interpretation der Inschriften verfasst. Die Zeit hat die der Witterung ausgesetzten, schon an sich nicht leicht verständlichen Texte verwischt; und deshalb werden noch heute verschiedene Lesarten diskutiert, neue Interpretationen vertreten ... Einer der Forscher, die sich intensiver mit der tieferen Bedeutung der gesamten Anlage auseinandergesetzt haben, ist Prof. Géza Alfödy von der Universität Heidelberg: "Die Mysterien von Panóias (Vila Real, Portugal)", in: Madrider Mitteilungen, 38, 1997, p. 176-246.

Die Kultstätte, ein Nationaldenkmal, kann besichtigt werden, verfügt über ein Informationszentrum und untersteht dem IPPAR (Instituto Português do Património Arquitectónico). Für alle, die das Einssein mit der Natur lieben, namentlich an einem seit vielen Generationen heiligen Ort, wird es fraglos zum unvergesslichen Seelenerlebnis, sich dort zwischen den Felsblöcken in Schweigen "zu verlieren".


* Unser Kolumnist José d'Encarnação ist Professor an der Universität Coimbra. Er lebt in Cascais, wo er als Archäologe und Journalist eine bekannte Persönlichkeit ist. Er ist Spezialist für römische Inschriften in Portugal. Seine zu diesem Thema 1984 veröffentlichte Habilitationsschrift steht in der Susettestraße und kann von Interessenten eingesehen werden




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Portugal-Post Nr. 31 / 2005


Panóias,
Federzeichnung von Rudi Siegesmund




Mehr Informationen vom
IPPAR über Panóias im Internet:


www.ippar.pt/monumentos/
sitio_panoias.html