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Der Flug des Albatros
Zur Verleihung des Albatros-Preises (5.5.2006)

Von Peter Koj

Da ist er nun gelandet: ein Prachtexemplar von einem Albatros, mitten im Bremer Übersee-Museum. Misstrauisch blickt er in die Runde. Wer sind all die Leute? Zumindest scheinen sie nichts mit den rauen Seeleuten aus dem berühmten Gedicht von Charles Baudelaire zu tun zu haben, denen es Spaß macht, den "König des Himmelsbau" zu ärgern, der hilflos an Deck gestrandet ist. Im übrigen wäre es auch schwierig, einen ausgestopften Vogel zu necken. Ganz im Gegenteil: Dies hier sind feine und gebildete Menschen, die sich versammelt haben, um der Überreichung des Albatros-Preises der Günther Grass Stiftung an die portugiesische Schriftstellerin Lídia Jorge und ihre deutsche Übersetzerin Karin von Schweder-Schreiner beizuwohnen.

Im Gedicht von Baudelaire symbolisiert der Albatros den Dichter, der wegen seiner großen Flügel auf dem Boden, umringt vom Pöbel, eine traurige Figur abgibt. Doch hat er sich in die Lüfte geschwungen, legt er, der "Fürst der Wolken", Tausende von Meilen ohne Zwischenrast zurück. Auf diesen langen Flügen verbindet er Kontinente, so wie einst die Großsegler der Hansestadt Bremen. Im Fall von Lídia Jorge erweist sich die Wahl des Albatros als Symbol des neu geschaffenen Preises als besonders glücklich: laut Dieter Berghöfer vom Vorstand der Stiftung, der die Anwesenden begrüßt, geht das deutsche Wort Albatros auf das portugiesische albatroz zurück. Dies entspricht zwar nicht genau der Realität, denn albatroz geht wie die meisten auf al- beginnenden Wörter auf das Arabische zurück, kann aber durchaus über das Portugiesische nach Deutschland gelangt sein.

Doch auch das Werk selbst von Lídia Jorge erinnert uns an den Flug des Albatros, verbindet es doch die Küsten der lusophonen, also portugiesischsprachigen Welt, vom Paradies ohne Grenzen (Lissabon) über Milene (den Algarve mit seinen kapverdischen Immigranten) bis zur Küste des Raunens (Moçambique).

Mit glasigen Augen lässt der Albatros de Zeremonie über sich ergehen. Aufmerksam lauscht er den verschiedenen Ansprachen: der Laudatio der ehemaligen Kulturministerin Christina Weiß, die sich dem Werk von Lídia Jorge ausgiebig widmet, und der des Kritikers und Übersetzers Helmut Frielinghaus, der Karin von Schweder-Schreiners Fähigkeiten herausstellt. Schließlich ergreift Lídia Jorge das Wort und erzählt, wie sie ihre Karriere als Romanschriftstellerin begann, den schlechten Prognosen zum Trotz, die der Altmeister Vergílio Ferreira der Gattung Roman stellte. Und Karin von Schweder-Schreiner berichtet, was sie zur Übersetzerin machte und was diese Wahl beinhaltet (nachzulesen auf S.xx dieser Ausgabe).

Dem Albatros zur Seite hockt noch so ein Zugvogel: Willy Schwarz, ein Akkordeonspieler aus Chicago, der in Bremen gelandet ist und im Original (!) einen Lissabonner Fado, eine kapverdische Morna und ein Lied aus Angola singt. Doch als nach 3 Stunden die Gesellschaft sich verzieht und im Restaurant des Museums weiterfeiert, bleibt der Albatros einsam und verlassen zurück. Er wartet darauf, wieder im Magazin zu landen und in zwei Jahren erneut aufzutauchen, wenn die nächsten Preisträger ausgezeichnet werden.





Lídia Jorge (2.v.r) mit den Übersetzerinnen (v.r.n.l):
Karin von Schweder-Schreiner, Lídia Jorge, Inés Koebel,
M.Meyer-Minnemann, Ray-Güde Mertin.





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Portugal-Post Nr. 34 / 2006


Albatros


Dieter Berghöfer überreicht den Preis an Lidia und Karin


Die Preisträgerinnen, Karin von Schweder Schreiner und Lídia Jorge


Christina Weiß


Helmut Frielinghaus


Lídia Jorge und Maralde Meyer-Minnemann, die Übersetzerin ihres ersten Buches


Lída Jorge und der portugiesische Botschafter, Dr. Joao de Vallera


Willy Schwarz