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Ansichten von Lissabon - Costa do Castelo

Von Claus Bunk *

Mitten im traditionellen Lissabonner Stadtteil Mouraria befindet sich, angelehnt an das Castelo de São Jorge, die Straße Costa do Castelo. Sie schwingt sich in einem runden Bogen um die Mauern der Burg und verbindet somit praktisch den Stadtteil Graça auf der einen Seite mit der Alfama auf der anderen Seite. Die Straße Costa do Castelo bietet überall wunderbare Einblicke auf die zu Füßen liegende Stadt, die Baixa mit der Praça da Figueira, erlaubt aber auch den Blick weit hinaus auf den Tejo bis zur Ponte de 25 de Abril. Seitdem ich Lissabon vor fast 30 Jahren kennen gelernt habe, beneide ich diejenigen Menschen, die das Privileg haben, in dieser Straße wohnen zu dürfen, und diese Ausblicke täglich genießen können.

Man erreicht die Straße Costa do Castelo zu Fuß über einen beschwerlichen Aufstieg über mehr als 500 Treppen vom Platz Martim Moniz am Fuß der Mouraria. Eine andere Methode ist die Fahrt mit der Straßenbahn (Touristen-Linie 28). Sie startet auf dem Platz Martim Moniz und gelangt nach einem atemberaubenden Aufstieg durch eine schmale Gasse, Calçada do Santo André, in die praktisch nicht mehr passt als diese Straßenbahn selbst, direkt ans Ende der Costa do Castelo auf den Largo Rodrigues Freitas. Weitere Möglichkeiten, sich den Aufstieg zu ersparen, bestehen mit dem Bus 37, der von der Praça da Figueira zum Castelo de São Jorge fährt, sowie mit der Straßenbahnlinie 28 von der Baixa zum Miradouro de Sta Luzia.

Die Architektur der Häuser der Costa do Castelo geht historisch weit zurück in das 18. Jahrhundert. Die Mouraria, so wie auch die Alfama, gehörte nicht zu den Stadtteilteilen, die das Erdbeben von 1755 völlig verschlang. Trotzdem finden sich in der Straße nicht viele vor diesem Datum errichtete Bauten, jedoch ist davon auszugehen, dass die meisten Häuser auf den alten Grundmauern aufgebaut wurden.

Insbesondere die Herrenhäuser und Paläste, die sich auf der Seite der Burgmauer befinden und deren hintere Gärten an die Mauer grenzen, sind wunderbar restauriert worden. Es gehört der Palácio Marquês de Tancos (No. 23) ebenso dazu wie das restaurierte Vier-Sterne- Hotel Olissippo (No. 126), die Pension Ninho das Águias ( No. 74) und ein wunderbares Guesthouse, die Casa Costa do Castelo (No. 52). Seit ca. 1985 wurden Stück für Stück alte Häuser dieser Straße wieder hergerichtet und die Immobilien und Apartments gehören heute wegen ihrer Lage und des Ausblicks zweifelsfrei zu den teuersten Immobilien der Stadt.

Der Palácio Tancos wurde im 16. Jahrhundert von den Condes de Castanheira erbaut und überstand das Erdbeben von 1755 praktisch unbeschadet. Er diente später dem Marquês de Tancos als Domizil und verdankt ihm seinen heutigen Namen. In der Zeit zwischen 1925 und 1950 lebte der Maler Carlos Botelho im Palácio Tancos und gründete dort sein berühmt gewordenes Atelier da Costa do Castelo. Seit 1987 beherbergt der Palast die Companhia de Dança de Lisboa, nachdem die Stadtverwaltung von Lissabon den Palast 1980 gekauft hatte und den heruntergekommenen Bau von Grund auf renovieren ließ. In vielen Räumen sind die alten Azulejos (Wandfliesenbilder) erhalten, was dem Palast eine besondere Note gibt. Die Companhia de Dança de Lisboa ist weit über die Grenzen des Landes hinaus bekannt. Insbesondere wurden die Tanztheaterstücke Cabo da Boa Esperança - 515 Jahre danach, welches sich mit dem Thema Entdeckung befasst, und Na Abertura do Horizonte - a Cidade da Utopia als Andenken an den Komponisten und Sänger José Afonso, bekannt. (www.cidadevirtual.pt/cdl/historial.html)

Auf der anderen Straßenseite (No. 75) findet man neben vielen wunderbar renovierten alten Häusern aus dem 18.-19. Jahrhundert unter anderem auch das traditionelle Teatro Taborda. Es wurde im Jahre 1870 eröffnet und der Name ist dem Volksschauspieler Francisco Taborda gewidmet. Ab 1916 verfiel das Theater, bis im Jahre 1966 die Stadt Lissabon den Bau kaufte und schließlich 1989 renovieren ließ. Der Stadtteil Mouraria sollte mit diesem renovierten Bau ein neues Kulturzentrum erhalten. Endlich im Jahre 1995 wurde dieses Theater dann neu eröffnet und ist bis zum heutigen Tage in Betrieb. Im Jahre 1997 wurde das Theater unter Denkmalschutz gestellt und gilt seither als eines der wichtigsten Kulturzentren des Stadtteils Mouraria ( www.egeac.pt).

Ein anderes markantes Bauwerk gehört mit seinem hohen, weithin sichtbaren Turm zum Bild der Costa do Castelo. Es handelt sich um das Gebäude der Pension Ninho das Águias. Ich selbst habe dort seit 1976 mehr als 20 mal gewohnt. Es ist eine Erfahrung der besonderen Art. Um in das Gebäude zu gelangen, muss man erst einmal die ca. 100 Stufen einer steilen Wendeltreppe hinaufgehen. Einen Fahrstuhl sucht man vergebens und es ist absolut ratsam, für diesen Aufstieg schwindelfrei zu sein. Danach eröffnet sich von der Terrasse der Pension ein traumhafter Blick in alle Richtungen der Stadt und auf den Tejo. Ein Ausblick, der dem des Castelo de São Jorge selbst in nichts nachsteht. Vielmehr ist es so, dass die meisten Zimmer der Pension diesen Ausblick auf die Stadt bieten, was dieser Unterkunft einen großen Charme verleiht. Wer also keinen besonderen Wert auf luxuriöse Ausstattung legt und auch mal bereit ist, ein WC auf dem Flur zu besuchen, der ist in diesem renovierten Gebäude aus dem 19. Jahrhundert ein gern gesehener Gast. Die Preise liegen heute bei 40 Euro für ein Doppelzimmer, jedoch ist es absolut notwendig, die Inhaber vorher zu kontaktieren, da sich dieser Geheimtipp schon bei vielen Reisenden herumgesprochen hat und die Anzahl der Zimmer mit Ausblick leider sehr begrenzt ist.

Wer für eine Übernachtung in der Costa do Castelo mehr Luxus wünscht, ist besser untergebracht im Guesthouse der Casa Costa do Castelo (No. 54). Hier gibt es Fahrstühle und neben der wunderbaren Aussicht auf die Stadt auch ein eigenes WC für jeden Gast. Der Garten dieses Guesthouses, der direkt an die Burgmauer grenzt, ist legendär. Das Doppelzimmer kostet hier ab 75 Euro (Telefon No. 21 464 74 30). Eine noch höhere Klasse der Unterbringung findet sich in der Costa do Castelo im Hotel Olissippo, welches neu eröffnet wurde, aber nicht über einen so grandiosen Blick verfügt wie die anderen beiden Häuser.

Natürlich fehlt es in der Straße Costa do Castelo auch nicht an Cafés und Bars. Zu empfehlen ist hier die Bar das Imagens da Costa do Castelo, welche im Palácio Tancos untergebracht ist. Am Anfang der Strasse Costa do Castelo auf der Seite der Alfama liegt das Restaurant und die Bar des Theaters Chapitô - "O Restô do Chapitô" mit seinem Innenhof und dem einzigartigen Blick auf die Alfama sowie den Tejo (Costa do Castelo No.1-7). Ein Abstecher hierher ist unbedingt zu empfehlen. Der Belgier Bruno Dekorte und seine deutsche Lebenspartnerin Tina haben in dem Restaurant ein unvergleichliches Flair geschaffen. Im Innenhof wird im Sommer durch die gleiche Gastronomie das "netJazzCafé" betrieben.

Das Chapitô ist eine Theater- und Kulturinitiative, die es inzwischen bereits 20 Jahre gibt (www.chapito.org). Die Companhia do Chapitô ist ein Zusammenschluss von Schauspielern dieses Theaters und besteht seit 10 Jahren. Außerdem betreibt das Chapitô eine umfangreiche Arbeit mit sozial benachteiligten Jugendlichen des Stadtteils.

Ebenfalls in der Umgebung des Chapitô am Anfang der Costa do Castelo befinden sich weitere Restaurants und Cafés sowie das lokale Marktgebäude der Mouraria. Auch lässt sich die Alfama und natürlich das Castelo de São Jorge von hier aus schnell zu Fuß erreichen.

Nachdem der Autoverkehr die Struktur der Straße Costa do Castelo in den letzten Jahren zu verschlingen drohte (praktisch keine Parkplätze vorhanden), gibt es nun ein Projekt, welches die Straße durch Sperrung des Durchgangsverkehrs beruhigen will. Es bleibt zu hoffen, dass es hierdurch gelingt, die Struktur dieses historischen Straßenzugs trotzdem weiter zu erhalten.


* Claus Bunk ist seit 3 Jahren Mitglied der PHG. Er hat im Jahr 1982 an der Universität von Lissabon Portugiesisch studiert. Seither fühlt er sich mit der "Cidade Branca" stark verbunden




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Portugal-Post Nr. 35 / 2006


Plakat, das den Maler Carlos Botelho zeigt, 1937




Azulejos im Palácio Marquês de Tancos




Costa do Castelo Nr. 52




Palacio Tancos




Blick von der Terrasse der Pension Ninho das Águias