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Aus Spanien weder gute Winde noch gute Ehen

Von José d'Encarnação*

Der Augenblick, in dem sich eine Nummer unserer Zeitschrift den Beziehungen zwischen Portugal und Spanien widmet, könnte nicht passender gewählt sein, denn der Präsident der Portugiesischen Republik hat dem Nachbarland gerade einen Besuch abgestattet hat, um die Bande zu verstärken, welche die beiden Nationen der iberischen Halbinsel einen. Zugleich werden hier und dort Stimmen laut, die (wieder einmal) die Vorteile einer "iberischen Union" verkünden! Außerdem zeigen zum einen die merkwürdige Tatsache, dass die Frauen von Elvas in Badajoz ihre Kinder zur Welt bringen müssen, was dazu geführt hat, dass jemand für sie die doppelte Staatsbü rgerschaft forderte ("Man kann nie wissen!...", rief er vor den Fernsehkameras aus), und zum anderen jene, dass es im grenznahen Bereich viele von uns gibt, die durchaus nach Spanien fahren, um den Tank mit billigerem Benzin zu füllen, wie gut der Zeitpunkt für das Thema dieser Ausgabe gewählt wurde.

Weder gute Winde...
Ich habe mir für meinen Beitrag vorgenommen, ein uraltes Sprichwort einfach zu erläutern und zu verdeutlichen: "Aus Spanien weder gute Winde noch gute Ehen." Die Fischer und Bauern im Süden Portugals wissen, was das bedeutet: Wenn auf dem Meer der Wind von der Meerenge von Gibraltar her weht, fährt man besser nicht hinaus, denn die Wellen werden sich gefährlich türmen... Außerdem bläst der suão, der heiße Südwind, verbrennt in den Gemüsegärten die Ernte, erfüllt die Luft mit gelblichem, aus der Wüste kommendem Staub. Man möchte am liebsten die Flucht ergreifen! Im an Spanien angrenzenden Teil von Portugal, vor allem in Beira Alta und Trás-os-Montes, stellt sich das Problem anders dar: Es ist der raue, schneidende Nordostwind, der alles erfrieren lässt und verbrennt ...
Gute Winde kommen also nicht aus dieser Richtung.

... noch gute Ehen
Der Satz bezieht sich nicht auf die niederen Stände - denn gute Ehen kann es ebenso gut zwischen Portugiesen wie zwischen Portugiesen und Spaniern, Italienern oder Ukrainern geben. Er ist vielmehr auf den Adel gemünzt. Lassen Sie es mich klarstellen: Portugal entstand aus der 1143 vom Heiligen Vater anerkannten Unabhängigkeit der Grafschaft Portucale von den Königreichen León und Kastilien. Doch seither wurde immer von der einen wie der andern Seite ein begehrlicher Blick auf verlorene oder noch zu gewinnende Gebiete geworfen. Daher war die Politik der Herrscher verschiedener Königreiche auf der iberischen Halbinsel (es gab bereits Königreiche vor der von den Katholischen Königen1 im XV. Jahrhundert durchgeführten Vereinigung) darauf ausgerichtet, Heiraten zwischen den Erben beider Throne zu arrangieren. Vielleicht würde es ja eines Tages zur Wiedervereinigung kommen ...

Daher lief Portugal, als König Johann von Kastilien glaubte, ein Anrecht auf den Thron zu besitzen, da er vom portugiesischen Königshaus abstammte, in den Jahren 1383 bis 1385 (Unabhängigkeitskrieg) Gefahr, seine Unabhängigkeit zu verlieren. Der Eloquenz von Dr. João das Regras2 war es zu verdanken, dass bei den Cortes de Coimbra im Jahr 1385 die Zusammengerufenen davon überzeugt werden konnten, König Fernandos Nachfolger müsse der Mestre de Avis3 werden. Doch es war noch die strategische Kühnheit eines Nun'Álvares Pereira vonnöten, um - und dies vor allem nach Aljubarrota4 - das durch Gewalt zu ratifizieren, was von Rechts wegen verkündet worden war.

Ähnliches geschah 1580, diesmal allerdings mit einem verhängnisvollen Ergebnis für Portugal. Philip II. von Spanien hatte tatsächlich Anspruch auf den Thron, da er königlicher Abstammung war (eine weitere Ehe, die zu Zeiten König Manuels I.5 aus Gier beider Seiten geschlossen worden war), und forderte dieses Recht, vom portugiesischen Adel, dem Bürgertum und dem hohen portugiesischen Klerus gestützt, gewaltsam ein. Sechzig Jahre lang blieb Portugal unter spanischer Herrschaft, bis zum 1. Dezember 1640, dem Tag, an dem auf dem Terreiro do Paço in Lissabon die Verschwörer den Umstand nutzten, dass die Aufmerksamkeit auf die Revolte in Katalonien gerichtet war, und die kastilischen Vertreter ausschalteten. Aber es mussten noch zwei Kriege gewonnen werden: der mit Waffen und der (möglicherweise schwierigere) der Diplomatie, bei der Pater António Vieira6 in ganz Europa eine entscheidende Rolle gespielt hat... Seither sind mehrere Jahrhunderte vergangen. Es gibt kein Königtum mehr in Portugal. Dennoch glaube ich, dass im Alltag der Bürger (in dem der Politiker wohl eher nicht) das Sprichwort noch immer ganz aktuell ist: "Aus Spanien weder gute Winde noch gute Ehen".

Übers.: Maralde Meyer-Minnemann


* Professor an der Universität Coimbra. Wohnt in Cascais, wo er als Historiker, Archäologe, Schriftsteller und Journalist tätig ist

Anm. d. Übers.

1 Isabella I. von Kastilien (Tochter Königs Johann II. von Kastilien und León und dessen zweiter Gemahlin Isabella von Portugal. Sie vermählte sich am 19. Oktober 1469 mit Ferdinand II., dem Katholischen, von Aragonien und bestieg nach dem Tod ihres Bruders Heinrich IV. 1474 mit ihrem Gatten den kastilischen Thron (wird dann Ferdinand V. von Kastilien) 1479 wurden Kastilien und Aragonien vereint.

2 João das Regras (oder wie auch in den Chroniken angegeben, João das Regas), portugiesischer Rechtsgelehrter, (?-1404).

3 Er wird König João I (1357-1433), zehnter König von Portugal.

4 Aljubarrota: die Schlacht von Aljubarrota. In dieser Schlacht kämpften die von Nuno Álvares Pereira geführten Portugiesen am 14. August 1385 gegen die Spanier, die ihren Anspruch als Herrschaftsmacht über Portugal durch ihren Einmarsch festigen wollten. Sie gewannen gegen etwa dreimal so starke Armee der Invasoren und besiegelten damit die Unabhängigkeit Portugals.

5 König Manuel I, vierzehnter König von Portugal, auch genannt: König Manuel der Glückliche (1469- 1521). Er regierte von 1495 bis 1521. In seine Regierungszeit fällt u.a. die Entdeckung des Seeweges nach Indien durch Vasco da Gama.

6 Pater António Vieira, Jesuitenpater (Lissabon 1608 - Salvador da Bahia 1697 ) war Diplomat und Schriftsteller, den sowohl die Portugiesen als auch die Brasilianer als den ihren betrachten.






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Portugal-Post Nr. 36 / 2006