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Die Düneninseln der Algarveküste

Von Volker Gold *

Im touristischen Schaufenster des Algarve werden nach wie vor die Steilufer (falésias) im westlichen Teil, dem Barlavento, ausgestellt, mit ihren schmalen Streifen feinen Sandstrandes darunter, auf dem sich die Badenden zuhauf tummeln; dem Festland vorgelagerte Inseln gibt es hier nicht. Diese teils bizarren Felsformationen haben schon immer Tourismusunternehmen angezogen, die sich nicht gescheut haben, unter fragwürdigen Umständen kurz vor der Abbruchkante Häuser, Schwimmbäder und Gärten zu errichten. Zunehmend regen- und windreiche Winter haben inzwischen Teile dieser Steilküste abstürzen und schützende Sandstrände weiter östlich von den Fluten abtragen lassen. In Vale do Lobo ist der frühere Sandstrand so gut wie weg und auch die Inseln des Sotavento, um die es hier geht, (vom Flughafen Faro bis über Tavira hinaus) unterliegen steten Veränderungen im Kampf des Meeres gegen das Land und dem Spiel von Wind und Meeresströmungen. Über Ebbe und Flut sollte man einen Hamburger nicht aufklären müssen, doch muss er wissen, dass an der Algarveküsten der Tidenhub ungefähr 3 m beträgt. Dies ist besonders schön zu sehen im Sotavento mit seinen flachen Stränden, aber auch noch am Grenzfluss Guadiana, in der Höhe von Pomarão. Mond und Sonne ziehen mit ihren Massen das bewegliche Wasser der Erdoberfläche an (übrigens auch die auf Magma schwimmenden Schollen der Erdkruste!) und - durch die Erdrotation - seitlich weg. Das Wasser gerät so an Portugals Südküste mit 3 km/h regelrecht ins Strömen.

Gleichzeitig unterliegen die Lagunen zwischen Festland und Meer der Tendenz, sich durch den strömungs- und windgeformten Ring der vorgelagerten Sanddünen immer mehr abzuschließen. Die natürlichen Öffnungen der Lagune ans Meer versanden zunehmend und verlagern sich immer mehr nach Osten, es kommt zu Sedimentablagerungen und Wasserläufe vom Land tragen Tonerde in die Lagune ein. Gewinnt das Land hier gegenüber dem Meer oder verschiebt es sich nur? Man weiß, dass der von den Dünen (des Westens) abgetragene Sand in einer Tiefe von 10 bis 40 m sich jährlich in einer Größenordnung von ungefähr 150.000 Kubikmeter vom Barlavento weg zum Sotavento hin bewegt, also am Abtragungsort nicht ergänzt werden kann. Durch konsequente Re-Naturalisierungsmaßnahmen größten Ausmaßes über fünf Jahre hinweg ist es dennoch gelungen, die Dünen vor dem hochpreisigen Tourismus-Juwel Quinta do Lago vorübergehend um 1,60 m zu erhöhen. Weiter östlich, auf der Ilha de Faro, ist durch illegale, aber bislang geduldete Bautätigkeit (sogar mit drei- bis fünfgeschossigen Gebäuden) die Gefahr von Überflutungen und Destruktionen bei Unwettern nun jedoch nicht mehr von der Hand zu weisen. Man versucht indessen, das aus den Prielen ausgebaggerte Material an den Außendünen wieder aufzuschütten und die Dünen zu bepflanzen, um der Gewalt von Meer und Wind einen Riegel vorzuschieben. Wer mehrere Jahre nacheinander die Ria Formosa besucht, kann diese aufwendigen Maßnahmen zur Korrektur der von Menschen begangenen Dummheiten im Umgang mit Naturkräften durchaus anschaulich studieren.

Was dabei herausgekommen ist, kann beim Anflug auf Faro bestaunt werden, ein riesiger, mit Chaosformen gemusterter Fleckenteppich aus Marschland (sapal), durchzogen von Prielen und Kanälen, und aus Dünenlandschaften in Form von aneinander gereihten länglichen Inseln, den ilhas. Dieses gesamte Habitat, die Ria Formosa, wurde Ende 1987 zum europäischen Nationalpark erklärt. Die Inseln haben die segensreiche Funktion, die Gewalt des offenen Meeres abzufangen und so bis zum Festland bei Flut ein ruhiges, flaches, warmes Gewässer und bei Ebbe eine von Prielen durchzogene Schlicklandschaft entstehen lassen, die von salzverträglichen Pflanzen bewachsen sein kann (Queller mit ihrem antiosmotischen Stoffwechsel). Schwer haben es Pflanzen generell auch auf den Dünen (Winddruck, Lichtintensität, Trockenheit, Zertrampeln und Entnahmen durch Besucher), die man deshalb gegen das Betreten streckenweise "vergattert" hat. Dünen sind in sich keineswegs einheitlich, sondern bilden ein gestaffeltes System von Dünenabschnitten. Die dem Meer und Wind am meisten ausgesetzten Dünen schützen die nächsten, so dass sich zum Land hin immer mehr Vegetation festsetzen kann. Die "wagemutigsten" und somit auch am meisten gefährdeten Pflanzen der Vordüne sollte man keinesfalls zertreten oder gar ausgraben. Insgesamt überrascht die Flora in diesem strengen Biotop durch staunenswert "intelligente" Anpassungsmechanismen der Pflanzen (u.a. verflochtene Wurzelstöcke, wachsartige Überzüge, stacheliges Gewebe, eingebaute Wasserspeicher oder biegsame Halme). Demgegenüber stößt man an der inneren Verlandungszone der Lagune, am Übergang zum Festland, im Frühjahr auf die dank ihres Schmarotzertums üppige, gelb leuchtende und formschöne Sommerwurz (Cistanche phelypaea Coutinho).

Aber nicht so sehr wegen der Flora steht dieses Gebiet unter Naturschutz, sondern in Hinblick auf die Tierwelt, die hier einzigartige Bedingungen vorfindet: Muscheln und Krabben, Kraken und Tintenfische, Fische wie Goldbrassen und Seebarsch, Meerestiere, die hier samt und sonders die küstennahe Gastronomie zu einem kulinarischen Erlebnis machen. Man teste mal das Alcatruz in der Dorfmitte von Santa Luzia, den Grill von O Bote in Olhão gegenüber der Fischhalle oder, ganz einfach, die Kneipe an der Anlegestelle gegenüber von Fuzeta, aber auch die heimeligen Muschel- und Krabbenlokale auf dessen Dorfplatz. Geschützte Vögel aus dem Norden und aus dem Zentrum Europas suchen hier ihre Winterquartiere auf (seltene Entenarten, Strandläufer, Brachvogel, Rotschenkel, Regenpfeifer u.a.). Andere machen hier Station auf ihrer Wanderung nach Afrika. Das Purpurhuhn hat (bei Ludo) seinen einzig sicheren Platz zur Fortpflanzung. Neuerdings sieht man auch wieder mehr Wiedehopfe, Kuhreiher, Flamingos und Singvögel. Wer Flora und Fauna der Ria Formosa entdecken will, kann damit am besten bei der Quinta Marim im Frühjahr beginnen (beim Campingplatz östlich von Olhão, mit angeschlossenem Dokumentationszentrum). Auf schmalen Pfaden finden sich dort Haltepunkte mit Erklärungen oder Beobachtungsständen.

Wer nun aber naturfrommen Sinnes auf eine der Düneninseln gelangen will, wird sich in der Regel der Fährboote bedienen, die in der fast durchgängigen Saison regelmäßig von folgenden Orten aus die genannten Inseln anfahren: Von Faro nach Barreta, auch Ilha Deserta genannt, von Olhão nach Culatra und Armona, von Fuzeta nach Armona und Ilha de Tavira, von Tavira zur Ilha de Tavira. Von Faro kann man auch westlich des Flughafens über eine schmale Brücke mit dem Auto auf die Ilha de Faro bzw. Ilha de Ancão gelangen. Wer kurz nach Luz de Tavira in östlicher Richtung von der E.N. 125 rechts abbiegt, kommt über die Touristenkolonie Pedras d'El Rei an eine Pontonbrücke über den Priel, an deren Ende eine kleine Spaßbahn auf einem erhöhten Damm etwa zur Mitte der Ilha de Tavira führt. Auf einer Düne dort bei den Cafés und Restaurants zeugt ein Friedhof mit Ankern statt Kreuzen von den Glanzzeiten des Thunfischfangs. Ganz im Osten der Ria Formosa sollte man vielleicht auch noch den kleinen Ort Cacela Velha ansteuern, der durch eine kleine Festung imponiert, von der aus man immer noch nach Piraten spähen kann. Zur vorgelagerten Halbinsel gelangt man bei Ebbe barfüßig durch seichtes Wasser, bei höherem Wasserstand und überhaupt bequemer mit einem Bootstaxi der arbeitslosen Fischer.

Um die besonderen Reize dieser Inseln - Natur, Wasserqualität, Einsamkeit und Ruhe, Tosen oder Plätschern des Ozeans - intensiv zu genießen, bewege man sich von der Anlegestelle aus mit sehr leichtem Gepäck mindestens einen Kilometer entweder nach rechts oder nach links und suche sich ein Plätzchen aus zum Nur-Da-Sein. Sonnenschutz und Wasserflasche sind obligatorisch, denn es gibt unterwegs keine Schattenplätze und keine Trinkwasserstelle. Seiner Kleider kann man sich zum Schwimmen und Sonnenbaden an manchen Stellen auch ganz entledigen, ja, manche unverdrossene Naturisten laufen auch nackend die langen Sandstrände ab, bücken sich mal nach Muscheln oder kuhlen sich im weichen Sand auf die Dünen zu ein. Gruppen mit zwei Autos können sich auch so organisieren, dass man ein Auto am Zielort (z.B. Tavira) abstellt, um mit dem anderen an den Startort (z.B. Fuzeta) zu fahren und dann gemeinsam die 12 km immer am Meeressaum entlang zu wandern. Eine anschließende Mahlzeit in Praia de Tavira (z.B. im A Doca; dort mit den köstlichen Meeresfrucht-Salaten aus der Vitrine beginnen!) wird man sich nicht entgehen lassen wollen. Ähnlich verläuft eine Strandwanderung auf Culatra, wo man vom Leuchtturm Sta. Maria ausgeht und gar noch an einem Schiffswrack vorbeikommt, an dem sich die Brandungswellen abmühen. Noch einsamer geht es auf Barreta (Ilha Deserta) zu, der nach Süden und dem Meer gegenüber am meisten exponierten Insel, einem wahren Vogelschutzreservat. Ein gutes Fischrestaurant ursprünglicher Art lohnt zudem die halbstündige Überfahrt.

Vergessen wir aber nicht, aus welch kostbaren Biotopen wir kommen. Wie schnell ist alles übervölkert, krachlaut, verpestet und zugemüllt. Zum Glück war es bisher so, dass die Besucher der Düneninseln des Algarve, die sich - als Pärchen oder in kleinen Gruppierungen - von den Hauptstränden wegbewegen, ein besonderes Bewusstsein für die Exklusivität dieser Lokalität haben. Sie können sich noch über die Ästhetik windgeschaffener Riffelungen im Sand freuen, über das Farben- und Formenspiel der angespülten Muscheln und glatt geschliffenen Steinchen, über den Kreis, den ein im Wind sich drehender Halm im Sand bildet, über die Flussregenpfeifer, die am halbfeuchten Meeressaum flüchtig nach Nahrung suchen und natürlich über die Stille hinter dem Rauschen, über das Zausen des Windes im Haar und an der Haut und über die Wandlungen des Lichts, wenn es auf den Sonnenuntergang zugeht. Hier können sich Touristen so herrlich untouristisch fühlen. Sol e mar pur.


* PHG-Mitglied Volker Gold aus Landsberg/Lech verbringt große Teile seines Lebens in Quelfes (bei Olhão). Frucht dieser langen Algarve-Aufenthalte sind zwei sehr schöne Bücher, die wir unseren Leser in der Nr. 32 der Portugal-Post vorgestellt haben: Im Algarve sein und der Bildband Tavira mit Fotografien unseres Mitglieds Henning Hammond-Norden.






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Portugal-Post Nr. 38 / 2007


Junger Mann einsam in der Weite des Strandes der Ilha de Tavira

Junger Mann einsam in der Weite des Strandes der Ilha de Tavira




Überblick

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Strand

Strand



Wrack am Strand

Wrack am Strand