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Portugiesische Sprache und der Fado

Von Horst Köpke

Wer Portugal liebt, der liebt seine Sprache, und der liebt den Fado. Kürzlich fiel mir wieder Reinhold Schneiders "Die Leiden des Camões" in die Hände, und ich stieß auf seine enthusiastische Beschreibung dieser Emanation des lusitanischen Geistes [...]. Hier wird eines besonders deutlich: der Fado ist so sehr mit dem Besonderen und Einzigartigen des Portugiesischen verbunden, dass er nur auf Portugiesisch gesungen werden kann, ja, dass diese Sprache selbst die wesentlichen Elemente des Fado enthält:

Das Portugiesische ist weich, unbestimmt; es ist so von Gefühl gesättigt, dass es fast seinen Rhythmus verliert; es ist die Sprache der Apostrophen, Verkürzungen und Verschmelzungen, des Verwischens und Hinüberfließens; zusammengezogen von einem gleichsam unterirdischen Temperament, das ganze Silben des lateinischen Stammes unbedenklich überspringt und im Tone noch überhastet, was in der Schrift stehenblieb, eilt es doch nur, um zu vergehen und zu verströmen; es ist die Sprache der Lyriker, und jeder Portugiese ist lyrischer Dichter, der Minister, der Professor, der Fabrikarbeiter, das ganze Volk arbeitet unausgesetzt daran, seine Sprache noch mehr den Empfindungen anzuschmiegen, noch mehr Melodie in ihr zu erwecken.

Und über den Fado:

Diese kurzen, zugleich monotonen und vielfältigen Gesänge, die auch heute noch von den Portugiesen als eigenstes Gut geliebt und gefeiert werden, vibrieren von einem unergründlichen Schmerz, den sie gleichsam in vollen Zügen genießen; es ist Leiden, aber auch ein Leiden-Wollen. Sie haben fast nur ein Thema: Qual durch die Liebe, doch gerade die Qual wird in der Liebe gesucht. Nicht ein Glücksversprechen, sondern ein Versprechen zu leiden ist es, das die portugiesische Liebe verführt, ein Leiden um der Klage willen, denn nur in der Klage entfaltet sich der ganze Reichtum des Herzens, ja auch Welt und Leben werden in ihrem größten Umfange in der Klage empfunden. In diesem Leiden zittert eine betörende, zerstörende Lust; unter der Decke dieser Traurigkeit schmachten und schwelgen die Sinne, sich vereinigend, in einer tödlichen Süßigkeit, immer wieder verhängt von der Klage und neu von ihr entflammt. Es ist ein Schluchzen völliger Selbstvergessenheit, ein Hingegebensein an alle Verführungen der Welt unter einem Tränenschleier, in dem die Farben der Welt verblassen.

Ein solches Lied heißt "Fado", Schicksal, Geschick, Verhängnis; denn im Leide wartet das Schicksal, und das Schicksal wird zum Lied, der Sturz und die Härte des Verhängnisses zur Melodie; das Schicksal überwältigt das Herz, nicht den Willen; es wird empfunden, nicht erkannt; es dringt gleichsam aus der Tiefe in den Menschen ein.





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Portugal-Post Nr. 4 / 1998