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Die deutsche Stimme von António Lobo Antunes

Von Ferdinand Blume-Werry

Viel zu wenig ist von dem Handwerk des Übersetzens bekannt, zu wenig von dem in mühsamer Kleinarbeit über viele Jahre erworbenen Wissen, für das ein vorangegangenes Studium bestenfalls eine Grundlage bildet. Handwerk ist Erfahrung, dessen Fingerfertigkeit sich nur durch Leidenschaft, durch das Entflammtsein für eine Sache einstellt.

Eine gute Übersetzung zeichnet sich dadurch aus, dass sie in der anderen Sprache die Sprache des Urtextes miterleben lässt, dass sie Äquivalente für kulturspezifische Sprachbilder und Ausdrücke findet, die stimmen. Da kann es geschehen, dass man manchmal tagelang mit nur einer Zeile im Kopf herumläuft, bis dann plötzlich die richtige Lösung aufscheint. Und weil diese Arbeit eigentlich unschätzbar ist und damit zugleich im Grunde genommen auch unbezahlbar, kann man guten Gewissens von ihr als von einer Kunst sprechen.

Diese Kunst beherrscht Maralde Meyer-Minnemann. Ihre Übersetzungen aus dem Portugiesischen, Brasilianischen und Spanischen, die seit Jahren in so bekannten Verlagen wie Hanser, Suhrkamp oder Luchterhand erscheinen, sind wirklich Kunstwerke, aus denen die Seele der Autoren und deren Originaltexte hervorscheint, dargeboten in einem Deutsch, dass sich so mancher Leser der fertigen Übersetzung bei der heimlichen Frage schon ertappt hat, ob es sich überhaupt um eine Übersetzung dabei handele. So rein und gelungen wirken die Texte als seien sie gleich auf Deutsch geschrieben worden. - Jeder Autor, dessen Werke in andere Sprachen übersetzt werden, kann sich nur wünschen an einen Übersetzer oder an eine Übersetzerin zu geraten, die es mit der Kunst des Übersetzens so ernst nimmt wie Maralde Meyer-Minnemann und dabei gleichzeitig fast mit spielerischer Leichtigkeit die schwere Last der einen Sprache ans Ufer der anderen hinüberträgt. Wenn Übersetzungen Brücken zwischen verschiedenen Kulturkreisen sind, so sind die guten Übersetzer ihre Baumeister.

Seit nahezu zwanzig Jahren übersetzt Maralde Meyer-Minnemann Literatur aus dem spanischen und vor allem aus dem portugiesischen Sprachraum. Seit Anfang der neuziger Jahre ist sie die Übersetzerin von Lobo Antunes ins Deutsche. 1992 erhielt sie den Hamburger Förderpreis für literarische Übersetzungen, im vergangenen Jahr den Preis "Portugal - Frankfurt '97" und nun den mit 20.000 Mark dotierten Helmut M. Braem-Preis, der je zur Hälfte vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels und von dem "Freundeskreis zur internationalen Förderung literarischer und wissenschaftlicher Übersetzungen" verliehen wird. Die Ehrung ist eine Auszeichnung für die Lobo Antunes-Übersetzungen, insbesondere für die vielbeachtete Romanübersetzung "Das Handbuch der Inquisitoren". Die deutsche Übertragung bringt uns nicht nur einen großen portugieschen Autoren näher, sondern macht Lust auf das nicht einfache aber wundervolle Portugiesch. - Wir freuen uns mit Maralde Meyer-Minnemann und schon jetzt auf das nächste Buch.





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Portugal-Post Nr. 4 / 1998


Maralde Meyer-Minnemann mit der kunstvoll gestalteten Urkunde des Helmut M. Braem Übersetzerpreises bei einer spontanen Überraschungsparty mit Freunden in Hamburg