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Ângela Guerreiro - Choreografin, Tänzerin und künstlerische Leiterin des Festivals DanceKiosk Hamburg

Ein Interview mit Peter Koj

P-P Ângela, kannst du unseren Lesern, die dich noch nicht kennen, erklären, was deine Tätigkeit hier in Hamburg ist?

A.G. Ich habe 1995 in Hamburg als Choreografin und Tänzerin angefangen und habe 10 Jahre lang meine Stücke im Kampnagel Theater produziert. Seit 2005 leite ich das Festival DanceKiosk-Hamburg. Darüber hinaus unterrichte ich als Gastdozentin Schauspieler am Schauspielstudio Frese. Und ich arbeite als Choreografin für andere Produktionen und Künstler wie die Gruppe ShowCaseBeatLeMot.

P-P Woher kommt deine Leidenschaft für den Tanz? Hast du irgendwelche Vorbilder? Hat Pina Bausch, die ja bekanntlich starke Bindungen zu Portugal hat, irgendeinen Einfluss auf deine Karriere gehabt?

A.G. Ich habe diese Leidenschaft von Kindheit an. Ich habe 10 Jahre lang klassisches Ballet bei Norma Corner gelernt, habe dann die Escola Superior de Dança de Lisboa durchlaufen und habe mein Studium in dem, wie es damals hieß, Center for New Dance Development in Arnhem/Holland abgeschlossen, das heute mit dem ArtEz fusioniert hat. Ich habe keine Vorbilder, aber eine Reihe von Choreografen, die ich für ihre Arbeit verehre und respektiere. Ich kenne die Arbeit von Pina Bausch und bewundere sie sehr, aber es gibt Künstler aus dem Bereich der visuellen Künste und der Darstellungskunst, die mich sehr viel mehr inspirieren.

P-P Wirst du deinem Namen gerecht? Bist du wirklich eine guerreira/Kriegerin?

A.G. O weh! Muss ich wirklich darüber sprechen? Aber ich glaube, es stimmt. Ich habe immer dafür gekämpft, was ich wollte. Ich wollte immer eine Tänzerin, eine Choreografin sein. Und ich war immer eine entschlossene Kämpferin bei meiner Arbeit. Eine Tänzerin und Choreografin zu sein war zu meiner Zeit in Portugal noch kein 100%ig anerkannter Beruf. Meine Großmutter sagte immer, ich sollte mich lieber zur Sekretärin ausbilden lassen. Der freie Tanz war in Portugal noch sehr umstritten, ein Kampf, an dem ich als Tänzerin aktiv teilnahm. Ich erinnere mich noch an die Treffen in dem Studio, das Rui Horta im Feuerwehrgebäude beim Marquês de Pombal hatte. Und noch heute muss ich ständig darum kämpfen, dass meine Arbeit finanziell unterstützt wird.

P-P Fühlst du dich wohl hier in Hamburg? Wie würdest du die dich umgebende Gesellschaft charakterisieren?

A.G. Ich wüsste nicht, wie ich die Deutschen charakterisieren könnte. Als ich hierher kam, habe ich schon das kulturelle Nord-Südgefälle gespürt. Es fiel mir etwas schwer, bestimmte Muster der Kommunikation, der Freundschaft zu verstehen oder sogar zu akzeptieren. Nach einiger Zeit entdeckte ich jedoch, dass die Leute hier sympathisch, offen sind.

P-P Hast du portugiesische oder portugiesischsprachige Freunde in Hamburg?

A.G. Nein, so seltsam es klingt, ich habe keine portugiesischen Freunde. Ich habe brasilianische Freunde. Ich kenne eine Reihe Portugiesen, bin ihnen aber nicht freundschaftlich verbunden.

P-P Was bedeutet für dich der Begriff "Heimat"? Würdest du der Inschrift zustimmen, die sich zwischen Kunsthalle und Kunstverein befindet: "Die Heimat ist nicht das Land. Sie ist die Gemeinschaft der Gefühle"?

A.G. Meine Beziehung zu Vaterland, Nation etc. hat vor allem mit meinen Emotionen, meinen Erinnerungen zu tun, weniger mit dem Stückchen Land an sich. Es sind die Menschen, die mich mit diesem Vaterland verbinden, die Familie, die Freunde, aber ich muss nicht jeden Tag in ihm leben. Im Augenblick habe ich eine neue Heimat. Es ist die Stadt, in der ich lebe und die ich liebe, die Stadt Hamburg. Das Leben treibt uns um. Wir sind Bürger dieser Welt und machen den Ort zu dem unseren, durch den wir kommen. Aber natürlich gibt es immer einen Ort, eine Ecke auf der Erde, mit der wir uns mehr oder weniger identifizieren.

P-P Was sind deine Wurzeln? Kehrst du gelegentlich dorthin zurück?

A.G. Ich kehre jedes Jahr nach Portugal zurück. Meine Mutter, mein Vater, meine Geschwister wohnen alle dort. Sie leben in Lissabon. Mein Vater ist Angolaner, aber ich war noch nie in Angola. Meine Mutter kommt aus dem Alentejo und als sie in den 60er Jahren heirateten, spielte mein Vater bei Sporting, der Mascarenhas. Sie trennten sich, als ich 4 Jahre alt war, haben aber 20 Jahre später wieder geheiratet. Eine filmreife Geschichte!

P-P Dein Sohn Noah besucht die Rudolf Roß Gesamtschule. Welche Erfahrungen hast du mit dieser Institution gemacht?

A.G. Noah ist acht Jahre alt. Anfangs, als er vom Kindergarten in die Grundschule wechselte, hatte ich Angst. Diese Angst wurde mir schnell genommen, denn es ist eine wirklich gute Schule. Die Lehrerinnen sind gut und zudem ist es eine Schule, die sich um die Kinder von 8 bis 16 Uhr kümmert, was eine wunderbare Sache für jemanden ist, der arbeitet. Und die Tatsache, dass es eine bilinguale Schule ist, etwas, was ich immer gesucht habe, weil es für Noah sehr wichtig ist, eine Verbindung zu Portugal zu haben, so wie ich sie zu Deutschland besitze.

P-P Der DanceKiosk geht weiter? Hast du irgendwelche anderen Projekte auf Lager?

A.G. Im Augenblick bin ich auf der Suche nach einer Finanzierung. Finde ich sie, kann es weitergehen, wenn nicht, muss ich aufhören. Es hängt also alles davon ab, ob es mir gelingt, bis zum Ende des Jahres die nötige Finanzierung aufzutreiben, denn ich kann nicht ein Festival planen ohne finanzielle Sicherheit. Wir werden sehen. Ich habe weitere Projekte mit Afrika, mit Kenia, mit Äthiopien, ein Tanzprojekt. Aber ich bin noch auf der Suche nach finanzieller Unterstützung, nach Sponsoren, um das Projekt verwirklichen zu können. Man muss immer wieder positive Energie aufbringen, die uns helfen soll, für unsere Visionen zu kämpfen und für das, an was wir glauben. Ohne diese Kraft kommt nichts in diesem Leben zustande.







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Portugal-Post Nr. 40 / 2007


Ângela Guerreiro