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Warum geht das Hamburger Konzept der "wachsenden Stadt" für die portugiesische Gemeinde nicht auf?
Anmerkung zum statistischen Bericht vom 12.07.07 zur ausländischen Bevölkerung in Hamburg

Von Reiner Drees

Hamburg propagiert das Konzept der "Wachsenden Stadt" als strategisch-politisches Ziel zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Doch die portugiesische Gemeinde in Hamburg wächst nicht mit, im Gegenteil - sie schrumpft, und so frage ich halb besorgt, halb provokant: Muss man die Hamburger Portugiesen auf die "Rote Liste bedrohter Arten" setzen?

Soweit kommt es zum Glück nicht, aber ein Bericht des Statistischen Amtes für Hamburg und Schleswig-Holstein vermeldet per 31.12.06 gegenüber dem Vorjahr erneut einen Rückgang der portugiesischen Bevölkerung in Hamburg, diesmal um 180 Personen oder 2 % auf nunmehr 8.876 Mitbürgerinnen und Mitbürger. Das hört sich nicht nach viel an, setzt aber eine Entwicklung fort. Ende 2003 lebten 9.703 und 2001 sogar noch 10.293 Portugiesinnen und Portugiesen in Hamburg. Allerdings hat der Anteil ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger an der hamburgischen Bevölkerung in 2006 insgesamt leicht gegenüber 2005 abgenommen. In der Rangfolge nach Bevölkerungsanteilen liegt Portugal nach wie vor auf Platz 5 nach der Türkei, Polen, Serbien/Montenegro und Afghanistan.

Betrachtet man die langfristige Entwicklung, so sieht das Bild wesentlich differenzierter aus. Die Zahlen seit 1970 spiegeln die bundesrepublikanische Entwicklung von Arbeitsmigrantinnen und -migranten: Zuerst willkommen geheißen als "Gastarbeiter", dann nach Anwerbestopp und dem "Gesetz zur Förderung der Rückkehrbereitschaft" (!) ab 1983 wieder hinauskomplimentiert und inzwischen nach Schaffung des Binnenmarktes und Internationalisierungstendenzen erneut mobil geworden oder sesshaft geblieben bereits in der dritten Generation, findet man bei den Zuwanderern alle Varianten, so auch bei den Portugiesen. Seit gut zehn Jahren beträgt der Anteil der portugiesischen an der gesamten ausländischen Bevölkerung Hamburgs übrigens zwischen 3,7 und 3,5 %, mit leicht abnehmender Tendenz.

So gesehen, gibt es keinen Grund zur Beunruhigung; eher tauchen Folgefragen auf nach der Lebenssituation: Wie gern leben die portugiesischen Familien hier in Hamburg, was hält sie hier (wenn sie bleiben) und was hat sie bewegt, wieder fortzuziehen (wenn sie Hamburg verlassen haben)? Dem müsste man nachgehen.

Vielleicht ist es auch so, dass sich in den Zahlen ein Stück Normalität im zusammenwachsenden Europa widerspiegelt: Wenn der ursprüngliche Grund für Migration nicht mehr besteht, kann man neu entscheiden. Ist Hamburg der neue Lebensmittelpunkt geworden mit Kindern, Schwiegerkindern und Enkeln, Nachbarn, Kollegen und Freunden, dann bleibt man womöglich hier wohnen; fühlt man sich noch immer fremd in der Fremde, ist die Rückkehr nach Portugal verständlich.

Für den, der weitere Einzelheiten zu den aktuellen Zahlen per 31.12.2006 wissen möchte, weisen die Statistiker Folgendes aus:

  • Das Geschlechterverhältnis beträgt rund 47% (Frauen) zu 53% (Männer)
  • 17% sind bis 18 Jahre alt, etwa 13% über 60.
  • Sie verteilen sich wie folgt über die 7 Hamburger Bezirke:
    Altona 1.300 14,6%
    Bergedorf 241 2,7%
    Eimsbüttel 902 10,2%
    Harburg 2.220 25,0%
    Mitte 2.529 28,5%
    Nord 912 10,3%
    Wandsbek 772 8,7%
Sie, die Sie als Portugiesin oder Portugiese dieses Heft lesen, gehören vermutlich zu den 8.876. Und Sie, die Sie es als Deutsche oder Deutscher lesen, kennen bestimmt mehr als eine oder einen, wenn nicht sogar sehr viele - da sage mir keiner, Statistiken seien dröge: Wenn man hinter die Zahlen schaut, öffnet sich der Blick auf das tatsächliche Leben.

Wer mehr Interesse an diesem Thema hat, sei verwiesen auf z.B.
  • die Literaturempfehlung Heimat in der Fremde von Henry Thorau in dieser Ausgabe
  • das Handlungskonzept des Hamburger Senats vom 19.12.06 zur Integration von Zuwanderern, im Internet unter www.zuwanderung.hamburg.de (mit weiterführenden links) oder besuche die Ballinstadt, das neue Museum auf der Veddel (Hamburg - Port of Dreams), das die große Auswanderungswelle der Deutschen im 19. und 20. Jahrhundert zum Thema hat und somit ein Gegenstück zur Einwanderung darstellt (Öffnungszeiten: Montag bis Sonntag, 10-18 Uhr, s.a. www.ballinstadt.de).
Ein letzter Gedanke zum Ausklang? Was rar ist, ist wertvoll. Lassen Sie uns Hamburger in Zukunft noch sorgsamer und freundlicher mit unseren portugiesischen Freundinnen und Freunden umgehen - sie sind es doppelt wert: Als unsere Mitbürger aus dem Land, dem wir unser Herz geschenkt haben.







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Portugal-Post Nr. 40 / 2007