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Segeln mit Portugiesen?

Von Herbert H. Böhm

Sailing Sailing.... von Rod Steward tönt’ s aus dem Lautsprecher – wen packt da nicht die Sehnsucht nach weißen Segeln und grenzenloser Freiheit? Wollen sich portugiesische Jugendliche diesen Traum erfüllen, so finden sie viel Verständnis und Unterstützung bei der Regierung ihres Landes. Unter dem Motto "Wiederentdeckung des Zeitalters der Entdeckungen und der Entdecker" schreibt das Unterrichtsministerium landesweite Wettbewerbe aus. Den Siegern winken meist mehrwöchige Törns auf einem der schönsten Segelschiffe der Welt, der Creoula.

Einst segelten hunderte dieser "Grand Banks Schoner" jedes Jahr von Aveiro und anderen nordportugiesischen Häfen zu den reichen Fischgründen im Nordatlantik, fast vor der kanadischen Küste. Geblieben ist nur die Creoula. Bis 1973 fuhr der 1937 in Lissabon gebaute 4-Mast-Schoner in diesen kalten Gewässern, um von den "Grand Banks" den begehrten Bacalhau mitzubringen. 54 harte Fischer setzten jeden Tag ihre winzigen dóris (kleine Segelboote zum Kabeljau-Angeln) aus und fingen täglich allein bis zu 600 kg Dorsch mit langen Angelleinen. Erst am Abend, nach 12 Stunden und mehr im kleinen Boot, kehrten sie wieder zu ihrer schwimmenden Basis zurück. Plötzliche Stürme und dichter Nebel forderten viele Opfer.

An diese Zeit erinnern die dóris, die heute noch auf dem weitgehend original erhaltenen Deck der Creoula stehen. Unter Deck entstanden in den ehemaligen Laderäumen Unterrichtsräume, bequeme Unterkünfte für Mannschaft und Mitsegler, sowie Waschräume und Duschen und natürlich die große Mannschaftsmesse für alle. Die 51 Trainees – für mehr reicht der Platz nicht – arbeiten gemeinsam mit der Mannschaft, teilen sich die drei Wachen (4 Stunden Wache, 8 Stunden Ruhe) und müssen genauso wie diese aus der warmen Koje springen, wenn Segelmanöver anstehen. Während der Freiwachen berichten die sehr engagierten Offiziere wie man zu Zeiten eines Vasco da Gama navigierte, und welche Mittel man heute zur Verfügung hat. Klar, daß jeder eine Sammlung kunstvoller Seemannsknoten samt einer Urkunde als begehrtes Souvenir nach Hause mitnimmt.

Bei einem dieser Törns, mitten in der Biskaya, während der "Cutty Sark Tall Ships’ Races 98" entstand die Idee, nicht mit einer rein portugiesischen Mannschaft zur See zu fahren, sondern die traditionell engen hamburgisch-portugiesischen Beziehungen durch eine gemischte Crew mit Jugendlichen aus beiden Ländern weiter zu vertiefen. Die portugiesische Marine, die nach Umbau und Restaurierung seit 1992 für das Schiff verantwortlich ist, signalisierte bereits sehr viel Verständnis für diesen Plan.

Was hält also junge Hamburger zwischen 16 und 25 Jahren davon ab, die Windjammer-Regatten der nächsten Jahre mit solch einer aus jungen Portugiesen und Deutschen bestehenden Mannschaft zu gewinnen??? Gerade die “Cutty Sark Tall Ships’ Races” laden ein, mit internationaler Crew anzutreten, wurden sie doch vor nunmehr 40 Jahren ins Leben gerufen, um nach dem verheerenden 2. Weltkrieg durch gemeinsames Segeln in nationalen und – zwischen den beiden Regatten einer Serie – in internationalen Mannschaften einander kennenzulernen. Alles frei nach dem Motto: wer einmal mit einem Russen, Polen oder Engländer gemeinsam ein wildgewordenes Segel gebändigt hat, gemeinsam das letzte Quentchen Geschwindigkeit aus dem Schiff herausgeholt hat, der hat in Zukunft auch Probleme, auf den anderen zu schießen.

Auch wenn zwischen Portugal und Deutschland glücklicherweise diese Probleme nicht bestehen, so sollte man doch diese Chance ergreifen und die durchaus positiven Aspekte des gemeinsamen Segelns, Arbeitens, Verantwortungtragens nutzen. Gerade die portugiesische Seemannschaft, die ohne jegliche Arroganz gegenüber den unerfahrenen Jugendlichen ist, die Kameradschaft an Bord (es gibt keine Unterschiede beim Essen etc.), die Romantik und das Erfolgserlebnis, ohne maritime Vorkenntnisse solch ein Schiff gesegelt zu haben, verbindet die Teilnehmer auf lange Zeit, schafft Freundschaften (und manchmal sogar Ehen) über alle Grenzen hinweg.





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Portugal-Post Nr. 7 / 1999


S.T.S. Creoula
Länge ü.a.: 67,4m
Breite: 9,9 m
Tiefgang: 4,7 m
Segelfläche: 1244 m2
Masthöhe: 37 m
Maschine: 500 PS (MTU Diesel)
Geschwindigkeit: 8 kn

Besatzung:
6 Offiziere
6 Unteroffiziere
51 Trainees
1 Lehrer / Betreuer