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Reif für die Inseln: Madeira und Porto Santo
Bem-vindo na Madeira. Ein Tagtraum oder: Impressões duma viagem imaginária

Von Hans Jessel (Keitum)

Ein schmuddeliger Tag im norddeutschen Wonnemonat Mai: Tiefer Himmel, graue Enge, Windböen voller Niesel. Die Temperaturen werden auch heute nur mühsam zweistellig werden.

Zeit für "Kleine Fluchten" am Computer? Ich tippe ein: www.sapo.pt, wie so häufig schon in diesem nicht enden wollenden Winter. Komme auf die Madeira-Homepage, sehe die aktuelle Wetterkarte: Der sanfte Passat fächelt den zarten Duft blühender Jacarandás herbei, schon dringen die Schreie der pescadores aus der nahen lota zu mir herüber, ich erschaure angesichts des sommerlichen Treibens auf der Avenida do Mar am Hafen Funchals.

Ich tippe ein: Ltur.de. Last minute-Angebote. Und das Gesuchte erscheint: Madeira, Abflug Hamburg 20. Mai, eine Woche für DM 368,-. Estou bem!

1. Tag: Ach wie schön ist es, auf Madeira aus dem Flugzeug zu steigen! Subtropisches Lebensgefühl, der weiche Passat, der Duft der Jacarandás, insularidade. Keine zehn Minuten braucht das Taxi vom Flughafen nach Machico. Erster Stop: Das Café Mercado Velho, zur Begrüßung gibt‘s einen Café com leite unter Platanen im Licht des späten Nachmittags.

Ich wohne bei Senhora Rosa (Adressen der Privatvermieter im örtlichen turismo) mit Blick auf die Ribeira do Machico und den Atlantik: Sonnenglast über den Wellen am Morgen, irrisierende Lichterspiele auf dem Frühstückstisch. Férias portuguesas.

2. Tag: Ich breche auf zur Boca do Risco, eine knapp 4-stündige Steilküstenwanderung hinüber nach Porto da Cruz. Vistas atlânticas aus mehreren hundert Metern Höhe, unverstellte Weitsichten, tiefe Empfindungen, Lebensgefühl auf hohem Niveau, hier und heute.

Auf der Terrasse des Restaurants A Praça Velha in Porto da Cruz qualmt der Grill im Meereswind. Die Espadarte-Spieße sind fertig und sie schmecken, als sei ihr Fleischanteil heute morgen noch durch die Wellen gehüpft. Und der Vinho da Casa vom Weinberg rechts oben macht Lust auf noch ein Gläschen. Saúde, Atlântico!

Spaziergang zur örtlichen engenha, wo noch heute Zuckerrohr zur Schnapsherstellung gepresst wird, dann mit dem Nachmittagsbus zurück nach Machico.

3. Tag: Umzug an die Nordküste. Stundenlange Bustour durch die Wein- und Weidendörfer Santana und São Jorge bis nach São Vicente. Die Junior Suite in der Estalagem do Mar gönne ich mir, das Meeresrauschen gibt’s gratis, nächtliche Wolkenbrüche auch. Schwere Träume zwischen Insel und Meer.

4. Tag: Bummel durch das heimelige São Vicente am Morgen, bevor die Touristen von der Südküste kommen. Besuch bei „meiner“ Korbflechterfamilie, mehrere bicas zwischendurch, dann mit dem Bus entlang der schönsten Küstenstraße Europas nach Porto Moniz. Sprung ins Felsenschwimmbecken in der Mittagshitze, Espada-Filets in dem Residencial Orca, eine Abendwanderung hinauf zum miradouro, ein Gläschen Wein zum pôr-do-sol. Dann Stille, die schönste Stille der Welt über dem nächtlichen Porto Moniz, sanft fächelt der Passat zwischen den Gardinen herum, es duftet nach Meeresgrund. Urlaubshöhepunkt.

5. Tag: Regenmorgen, ein frühes Bad im Atlantik. Tramptour über den Encumeada-Pass zur Pousada dos Vinháticos. Wanderungen über den Wolken, Watte in den Tälern, man möchte hineinspringen, so schön. Abend am Kamin, Carne de vinho e alhos (Madeirensisches "National"-gericht) im Pousada-Restaurant. Früh ins Bett, ein harter Tag steht bevor.

6. Tag: Wolkenrasen im Hochgebirge; wo im Südwesten mag die Quelle für derart kalte Winde sein? Langes Frühstück, Wartezeit. Gegen 11 Uhr der Wechsel: Man glaubt es nicht, so schnell. Der eisige Nebel verpufft innerhalb von Minuten, der Wind verabschiedet sich, die Wälder und Weiden dampfen im Sonnenlicht. Sofortiger Aufbruch zur 6-Stunden Wanderung im Curral das Freiras, das ist kein Zuckerlecken. Schwieriges Terrain, enorme Reliefenergie, diffuse Wegführung, kein Trinkwasser mitgenommen. Als ich den Curral am späten Nachmittag erreiche, bestelle ich mir im örtlichen Café drei Flaschen Bier, gleichzeitig. Der Ober lacht, er kennt das schon. Turistas! Die sonderbaren Wesen.

Mit Bus Nr. 81 nach Funchal. Turmzimmer im Residencial Santa Clara mit Blick über das Häusermeer, Abendspaziergang durch die Altstadt, Vinho Verde vom Faß in der Adega da Queimada, Urlauberglück bei Mondschein an der Hafenfront.

7. Tag: Der Bus quält sich die steilen Straßen Funchals hinauf. Fahrtziel Flughafen. Regen prasselt gegen die Scheiben, Konturen verschwimmen, Gedanken auch. Kälte macht sich breit. Ist es das Ende einer subtropischen Reise, oder war es nur ein Traum?





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Portugal-Post Nr. 7 / 1999


Machico mit Ribeira
Foto: Hans Jessel




Saúde, Madeira!
Foto. Hans Jessel




Kinderarbeit auf Madeira
(Korbflechter in Boaventura)
Foto: Hans Jessel