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Fruchtbarer Austausch
Portugal und die Hamburger Wirtschaft:
Beziehungen auch nach 400 Jahren sehr lebendig

Von Corinna Nienstedt *

Was verbindet Hamburg mit Portugal? Das Wasser natürlich, die Häfen, die Schiffahrt und der Außenhandel. Aber auch der Portugaleser - die Münze, die von den Portugiesen nach Hamburg gebracht wurde und die der Senat heute verdienten Bürgern als besondere Ehrung verleiht. Dem einen oder anderen Hanseaten ist zudem bekannt, daß die „Rickmer Rickmers“ unter dem Namen „Sagres“ einmal in portugiesischem Besitz war. Doch wer weiß schon Näheres über die mehr als 7700 in Hamburg lebenden Portugiesen, über ihre Bedeutung für die Wirtschaft der Hansestadt? Es lohnt sich, einmal genauer hinzuschauen und die wirtschaftlichen Verbindungslinien zwischen Hamburg und Portugal nachzuzeichnen.

"Portugal boomt!" – die Nachrichten von den großen Entdeckungen der portugiesischen Seefahrer und vom damit verbundenen wirtschaftlichen Aufschwung des Landes verbreitete sich schnell auch bis nach Hamburg. Schon Ende des 16. Jahrhunderts waren portugiesische Häfen bevorzugte Ziele hamburgischer Schiffe. Insbesondere Lissabon bot verlockende Handelsmöglichkeiten, nicht nur mit der Iberischen Halbinsel, sondern auch mit vielen überseeischen Ländern Afrikas und des neu entdeckten amerikanischen Kontinents. Hamburger Kaufleute holten von dort Güter, die portugiesische Karavellen aus dem Orient eingeführt hatten. In Anerkennung dieser engen wirtschaftlichen Beziehungen haben die Stadtväter Hamburgs das Wappen der portugiesischen Hauptstadt im Ehrenhof zwischen den Gebäuden des Rathauses und der Handelskammer anbringen lassen. Zur gleichen Zeit, also im 16. Jahrhundert, kamen die ersten Portugiesen nach Hamburg. Es waren Juden, die sich auf der Flucht vor der Inquisition in der Hansestadt niederlassen wollten. Diese portugiesischen Ärzte, Wissenschaftler und auf den Handel mit Überseeischen Produkten spezialisierten Kaufleute trugen erheblich zur wirtschaftlichen Entwicklung der Hansestadt bei. Und sie brachten aus ihrer Heimat Münzen mit, welche die hanseatischen Senatoren und Bankiers so reizvoll fanden, daß sie sie nachahmten und hier zu prägen begannen mit der Aufschrift „Nach Portugalis Schrot und Korn“. Daraus entstand die Portugaleser-Medaille, die der Senat noch heute verleiht, die aber mit der ursprünglichen Geldmünze nur noch Größe und Gewicht gemeinsam hat.

Die Blüte der portugiesischen Wirtschaft führte dazu, daß bereits 1566 ein hamburgischer Konsul in Lissabon ernannt wurde. Dem folgte rund ein Jahrhundert später die Berufung eines Konsuls in Porto. Doch die Annalen verzeichnen auch in umgekehrter Richtung die Aufnahme offizieller Beziehungen: 1658 hielt sich ein erster portugiesischer Gesandter, Antonio Sylva de Sousa, in der Hansestadt auf. Infolge dieses Besuches kam es zur Ernennung eines portugiesischen Konsuls in Hamburg. Als Lissabon am 1. November 1755 von einem großen Erdbeben erschüttert wurde, beschloß der Rat der Hansestadt,vier Schiffsladungen Bauholz als Geschenk zum Wiederaufbau in die portugiesische Hauptstadt zu schicken. Ein beeindruckender Beleg für die enge Verbundenheit beider Städte!

Heute gründen sich die guten Beziehungen zwischen Hamburg und Portugal längst nicht mehr allein auf die Schiffahrt nach fernen Ländern oder auf den Handel mit exotischen Gewürzen. Diese traditionellen Verbindungslinien wurden jedoch im vergangenen September noch einmal deutlich durch die Sammlung „Portugal und die Öffnung der Welt“, die während der Europa-Woche der Handelskammer im mittleren Börsensaal gezeigt wurde. Anläßlich der Eröffnung dieser Ausstellung stellte sich die portugiesische Kolonie in Hamburg mit Volkstanz, Fado-Gesang und landestypischen Spezialitäten vor. Die unerwartet große Resonanz, sowohl von portugiesischer als auch von deutscher Seite, spiegelte einerseits die starke Präsenz der Portugiesen in der Hansestadt wider, zum anderen aber auch das Interesse der Hamburger an den kulturellen Gebräuchen ihrer Mitbürger von der Iberischen Halbinsel.

Schwerpunkt liegt in Hamburg-Harburg

Und derer gibt es viele in der Hansestadt: Zum 30. Juni 1992 wurden 7760 in Hamburg lebende Portugiesen registriert. Sie sind besonders stark im Bezirk Harburg vertreten. Guilherme de Almeida, Vorsitzender des Kulturkreises Portugal in Hamburg, weiß auch, warum: „In den sechziger Jahren und noch zu Beginn der siebziger Jahre kamen viele Portugiesen nach Hamburg. Sie ließen sich vorwiegend im südlichen Teil der Hansestadt nieder, weil sie bei den dort ansässigen Produktionsstätten, wie der Phoenix AG, der New-York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie oder der Norddeutschen Affinerie, beschäftigt waren.“ Gerade um das Phoenix-Gelände herum, so de Almeida, gebe es ganze Straßenzüge, die praktisch nur von Portugiesen bewohnt würden: „Heute arbeiten viele von ihnen auch bei Mercedes in Harburg oder im Beiersdorf-Werk in Hausbruch. Sie sind dort als zuverlässige und fleißige Kollegen sehr geschätzt.“ Als weiteren Grund für die geographische Konzentration nennt de Almeida die Nachbarschaftshilfe. Portugiesen wohnten eben gern dicht beieinander, um sich gegenseitig besser unterstützen zu können. Von den gut 3000 sozialver-sicherungspflichtig beschäftigten Portugiesen in Hamburg (Stand: 30. Juni 1991) arbeitet die Mehrzahl, nämlich ein knappes Drittel, im Dienstleistungsbereich. 844 Portugiesen sind im verarbeitenden Gewerbe (ohne Baugewerbe) tätig und gut 400 jeweils in den Bereichen „Handel“ sowie "Verkehr und Nachrichtenübermittlung".

Zwei portugiesische Banken hier vertreten

Zwei portugiesische Banken unterhalten in Hamburg eine Vertretung. Für die Banco Português do Atlantico arbeiten zwei Beschäftigte in den Räumen der Vereins- und Westbank; das Bankhaus Borges & Irmão wird von einem Mitarbeiter in der Hamburger Bank repräsentiert. In beiden Fällen handelt es sich lediglich um Vertretungsbüros, deren Haupttätigkeit aus Überweisungen der in Hamburg lebenden Portugiesen in die Heimat besteht. Konten werden hier nicht unterhalten.

Die Portugiesen essen gern und gut, und natürlich mit Vorliebe à portuguesa. Knapp 30 portugiesische Restaurants offerieren in Hamburg die Köstlichkeiten ihrer Heimat. Viele von ihnen sind einfach eingerichtet und bieten gerade deshalb die typische, ungezwungene und familiäre Atmosphäre einer Tasca. Restaurants, in denen die portugiesische grüne Suppe, Caldeirada (ein Fischeintopf), und dazu Vinho verde (grüner Wein) serviert werden, finden sich vor allem in Hafennähe. Besonders die Lokale an den Landungsbrücken werden sehr stark auch von den Portugiesen selbst besucht.

Klein, aber fein

Seltener hingegen sind Portugiesen bei Maria Monteiro-Turres anzutreffen, die in der Hegestraße einen Partyservice mit einem kleinen, aber feinen Bistro und Delikatessenverkauf betreibt. „Meine Kundschaft kommt in erster Linie aus Eppendorf. Vor allem der Partyservice mit portugiesischen Gerichten wird immer stärker nachgefragt“, erklärt die portugiesische Geschäftsfrau, die in ihrem Laden „Quinta da Mafalda“ auch italienische und spanische Spezialitäten anbietet. Maria Monteiro-Turres kocht natürlich selbst. „Aber kein Standard – ich koche immer gerade das, wozu ich Lust habe!“ Und so kann man zur Mittagszeit im Bistro portugiesischen Fleischeintopf oder Tintenfisch in pikanter Sauce probieren. Dazu empfiehlt sie Piriquita und Camarate, zwei exzellente Rotweine aus Portugal.

Wie sieht es andererseits mit der Hamburger Präsenz in Portugal aus? Den Statistiken der Kammer zufolge unterhalten 16 Unternehmen der Hansestadt Niederlassungen in Portugal, darunter beispielsweise Beiersdorf und rotring. Jeweils zwei Hamburger Betriebe haben dort eine Produktionsstätte und sind an portugiesischen Unternehmen beteiligt.

Für den hamburgisch-portugiesischen Außenhandel ergibt sich folgendes Bild: 1991 führten Im- und Exporteure der Hansestadt Waren im Wert von gut 335 Millionen DM aus dem Land auf der Iberischen Halbinsel ein; 1990 betrug diese Summe noch 358 Millionen DM. Von 1989 (249 Millionen DM) auf 1990 hatte es beim Hamburger Import aus Portugal einen beträchtlichen Zuwachs von mehr als 100 Millionen DM gegeben.

Ausfuhren von 1990 auf 1991 verdoppelt

Ein ähnlicher Sprung war bei der Ausfuhr hamburgischer Im- und Exporteure nach Portugal bereits von 1986 (154 Millionen DM) auf 1987 (258 Millionen DM) zu verzeichnen – zweifellos eine Folge des portugiesischen Beitritts zur Europäischen Gemeinschaft. Von 1990 auf 1991 konnten sich die Hamburger Ausfuhren nach Portugal dann sogar mehr als verdoppeln: Ihr Wert stieg von 246 Millionen DM auf 588 Millionen DM. Die Anteile Hamburger Importeure und Exporteure an der Bun-desausfuhr bzw. -einfuhr aus bzw. nach Portugal beliefen sich 1991 auf 7,7 Prozent bzw. 6 Prozent. Der Anteil der Hansestadt am deutschen Export nach Portugal liegt damit über dem hamburgischen Anteil an den deutschen Ausfuhren insgesamt, der sich auf 6 Prozent beläuft.

Die wichtigsten Einfuhrgüter der hamburgischen Importeure sind Kupfererze und Kiesabbrände, Bekleidung, elektrotechnische Erzeugnisse, chemische Halbwaren, Waren aus Wachs und Seifen sowie Lederschuhe. Bei den Waren aus Wachs und Seifen hatten die Hamburger Einfuhrhäuser 1991 einen Anteil von gut 92 Prozent, bei den Kupfererzen und Kiesabbränden sogar von gut 93 Prozent am deutschen Gesamtimport aus Portugal. Die bedeutendsten Waren der hamburgischen Ausfuhr sind elektrotechnische Erzeugnisse, Maschinen, Zucker und chemische Enderzeugnisse. Der gesamte deutsche Export von Branntwein und Tabakerzeugnissen nach Portugal läuft über die Hansestadt. Dies ist ein weiteres Zeichen für das beträchtliche Maß an „Portugal-Know-how“ in Hamburg.

Ein guter Kenner des EG-Mitgliedstaates auf der Iberischen Halbinsel ist Christian Schümann, Geschäftsführender Gesellschafter der Ferdinand Freese (GmbH & Co.). Schümanns Interesse an Portugal kommt nicht von ungefähr: Sein Vater, Werner Schümann, ist Ehrenpräsident des Hamburger Landesverbands der Deutsch-Portugiesischen Gesellschaft e.V. Die Ferdinand Freese (GmbH & Co.), seit über 75 Jahren im Portugal-Handel tätig, ist eine der zahlreichen Hamburger Firmen, die Geschäftsbeziehungen zu dem EG-Staat unterhalten. Daneben gehören zur Schümann-Gruppe die Ende August 1991 gegründete AUFERMA COMERCIO INTER-NACIONAL (Deutschland) GmbH, an der zu 50 Prozent eine portugiesische AG und zu weiteren 50 Prozent die Familie Schümann beteiligt sind, sowie die ABIGA SCHOMANN KG (GmbH & Co.), die in erster Linie Sicherheitsschuhe aus Portugal einführt. Schümann Junior über den Außenhandel mit Portugal: „Unser Portugal-Geschäft hat sich insbesondere in den vergangenen Jahren weiter positiv entwickelt. Dies liegt vor allem an der verstärkten Exportorientierung des Landes im Zuge seiner Vorbereitungen auf den EG-Binnenmarkt.“

Nach den neuesten Statistiken des Hafen Hamburg Verkaufsförderung und Werbung e.V. wurden im Hamburger Hafen 1990 knapp 290 000 Tonnen Importgut aus Portugal und gut 177 000 Tonnen Ausfuhrgut nach Portugal umgeschlagen. Im Transitverkehr über den Hamburger Hafen mit Bestimmungsland Portugal wurden im ersten Quartal 1992 über 2300 Tonnen abgefertigt: der Großteil der Waren (vor allem chemische Vorerzeugnisse, unedle Metalle und Maschinen) kam aus Finnland und der Tschechoslowakei. Im Transitverkehr mit Versen-dungsland Portugal konnten in den ersten drei Monaten des vergangenen Jahres knapp 2400 Tonnen abgewickelt werden. Es handelte sich in erster Linie um Gemüse und Obstkonserven sowie Säfte. Wichtigste Empfängerländer waren Österreich und wiederum Finnland.

Bleibt der Luftverkehr: Der „trockene Hafen“ verzeichnete 1991 knapp 44500 Fluggäste, die in Richtung Portugal unterwegs waren. Rund ein Viertel davon hatte Lissabon als Zielflughafen, und rund 28300 Passagiere benutzten Charterflüge. Von den Charterfluggästen steuerten fast alle die Flughäfen Faro in der Provinz Algarve und Madeira an. Als Luftfracht wurden 1991 174 Tonnen von Hamburg nach Portugal versandt; in umgekehrter Richtung waren es im gleichen Jahr 88 Tonnen. Beides sind nur sehr geringe Mengen im Vergleich zu den fast 28 000 Tonnen Luftfracht, die von Hamburg aus im Vergleichszeitraum insgesamt verschickt wurden, und den 45600 Tonnen, die am Flughafen 1991 insgesamt eintrafen.

Portugal in Hamburg sehr lebendig

Schließlich werden die Verbindungen zwischen Hamburg und Portugal auch manifestiert durch eine Reihe von bilateralen oder rein portugiesischen Vereinen, die ihren Sitz in der Hansestadt haben. Der älteste unter ihnen ist der Portugiesische Freizeitclub, der u.a. einen portugiesischen Kindergarten unterhält. Zu dem in Harburg ansässigen Folkloreverein gehört eine mittlerweile recht bekannte Tanzgruppe, in der auch viele jüngere Portugiesen die schwungvollen Tänze ihrer Heimat pflegen, die sie nicht nur vor portugiesischem Publikum mit großem Erfolg aufführen. Außerdem gibt es am Anckel-mannplatz einen portugiesischen Sportclub. In der Danziger Straße besteht seit langem eine portugiesische katholische Gemeinde.

Zu den beiden gemischten Vereinigungen gehört der bereits erwähnte Landesverband der Deutsch-Portugiesischen Gesellschaft. Seine rund 180 Mitglieder wollen durch Veranstaltungen, wie beispielsweise gemeinsame Essen, die sozialen Kontakte zwischen Portugiesen und Hamburgern fördern. Die Gesellschaft bietet auch Portugiesisch-Kurse an und organisiert Schülerreisen nach Portugal sowie Aufenthalte von portugiesischen Jugendlichen in der Hansestadt. Seit 1988 besteht der Kulturkreis Portugal in Hamburg, von dessen rund 50 Mitgliedern etwa ein Drittel Portugiesen sind. Er veranstaltet Konzerte sowie Vorträge zu kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Themen, die Portugal betreffen. Vor kurzem konnte der Kulturkreis beispielsweise zwei der erfolgreichsten portugiesischen Schriftstellerinnen zu einer Lesung in die Hansestadt holen. Nicht nur daran zeigt sich: Portugal ist in Hamburg sehr lebendig!


* Corinna Nienstedt arbeitet seit vielen Jahren in der Handelskammer Hamburg, wo sie für den Bereich Außenhandel zuständig ist. – Der vorstehende Artikel erschien erstmals im März 1993 in der von der Handelskammer herausgegebenen Zeitschrift "Hamburger Wirtschaft". Die in dem Artikel genannten Zahlen haben sich in den vergangenen Jahren zum Teil deutlich nach oben entwickelt. In einer der nächsten Ausgaben der "Hamburger Wirtschaft" und der Portugal-Post werden auf den neuesten Stand gebrachte Zahlen und Inhalte veröffentlicht werden.






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Portugal-Post Nr. 8 / 1999