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DIE KLEINE GESCHICHTE

Von Peter Koj

Ein Tag in Cuxhaven

Portugiesen in Hamburg zu begegnen ist keine Seltenheit, vor allem wenn man in Harburg oder Altona wohnt. Doch was ich an einem einzigen Tag in Cuxhaven an portugiesischer Präsenz erlebte, war schon atemberaubend.

Es war an einem dieser heißen Tage Anfang August. Also nichts wie hin zum Baden in der Elbmündung! Am Grimmershörner Bojenbad hatte eine dreiköpfige Familie dasselbe vor. Aber großes Geschnatter: Ai, que fria! Was mich bei angenehmen 20º eher verwunderte, zumal ich die Woche zuvor in Sagres mit Temperaturen von 16º - 18º kämpfen mußte, während dort die Portugiesen mit der Wassertemperatur keine Probleme zu haben schienen.

Nach dem Bad eine kleine Entspannung auf der Grasnarbe des Deichvorlandes. Auf einmal ein besonders lauter und melodiöser Handy-Jingle. Ein junger Mann auf der Deichkrone röhrt ins Handy: ‘Tou! ... ‘Tá aqui o Till! ... Não, pá! Não posso. ‘Tou aqui na praia.

Dann ein paar Einkäufe in der Nordersteinstraße. Auf einmal ein durchdringender Brüller in der dicht gedrängten Fußgängerzone: Mãe, quero pão. Ein 3-4jähriger Knirps – wahrscheinlich ein Vertreter der terceira geração (3. Generation) – an der Hand seiner jungen portugiesischen Mutter – ganz offensichtlich Vertreterin der segunda geração (Kinder der ersten portugiesischen Einwanderer) – verlangte heftig nach einem Brötchen.

In Hamburg hätte sich dieselbe Szene sicherlich auf deutsch abgespielt. Hier spricht die segunda geração durchgehend deutsch unter sich und mit den Kindern. Selbst wenn sie von ihren Eltern, der primeira geração, portugiesisch angesprochen werden, antwortet sie zumeist auf deutsch.

Auf dem Weg zu meiner Tante geht vor mir ein junges Mädchen. Sie trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift Basquete Clube de Aveiro. Sollten die wackeren Basketballer aus Aveiro inzwischen Weltruhm genießen wie ihre amerikanischen Kollegen von den Lakers, den Chicago Bulls etc., deren Clubnamen die T-Shirts der deutschen Kids zieren? Mitnichten! Das junge Mädchen war tatsächlich aus Aveiro, so wie viele Cuxhavener Portugiesen, die aus der Region Aveiro/Ílhavo/Gadanha kommen.

Die Szene spielte sich übrigens vor der katholichen St. Marienkirche ab, an deren Fassade der schöne Spruch hängt: „Fremde sind Freunde, die wir noch nicht kennen. Herzlich willkommen!“ So ist St. Marien auch der Treffpunkt vieler Cuxhavener Portugiesen. Hier werden portugiesische Messen abgehalten, und an den alljährlichen Prozessionen nehmen deutsche Gemeindemitglieder gerne teil, darunter auch meine Tante. Sprachliche Defizite spielen keine Rolle, denn – so der O-Ton meiner Tante – „die Portugiesen singen so schön!“

Dass die Cuxhavener Portugiesen inzwischen selbst in das Allerheiligste des deutschen Wesens vorgedrungen sind, offenbarte sich mir bei einem Blick aus dem Fenster des Altenheimes, wo ich meine Mutter besuchte: inmitten der Schrebergartenkolonie am Schlossgarten wehte eine portugiesische Flagge!

Krönung dieses Tages sollte der Besuch eines portugiesischen Restaurants werden. Doch das Algarve in der Deichstraße hatte nur tiefgefrorenen Fisch und wirkte zudem wenig einladend: der vordere Bereich des Restaurants ist inzwischen zur Kneipe verkommen mit laut laufendem Fernsehapparat (RTPi) und einer sueca (eine Art Skat) dreschenden Schar alter Männer, während im hinteren Bereich gähnende Leere herrschte. So zog ich zu „Bohlsen“, eine der vielen am Fischereihafen entstandenen Fischrestaurants. Doch wie konnte es anders sein: die Inhaber waren Portugiesen! Pedro und seine beiden jungen Helferinnen erwiesen sich, spätestens als ich sie auf portugiesisch ansprach, als besonders aufmerksame und zuvorkommende Bedienung, was sich nicht zuletzt an der Größe des liebevoll (und frisch!) zubereiteten Fischgerichts ablesen ließ.

So sage ich den Cuhavener Portugiesen "Muito obrigado". Denn wenn ich jetzt in meine Heimatstadt zurückkehre, ans „Tor zur Welt“ – oder um es mit dem portugiesischen Nationaldichter Camões zu sagen: onde a terra acaba e o mar começa – habe ich einen Grund mehr zu sagen: sinto-me como em casa – ich fühle mich wie zu Hause!





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Portugal-Post Nr. 8 / 1999