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Die Herrenhäuser im Trás-os-Montes

Von Peter Unkart

Weder erinnern sie so sehr an den Barock wie ihre reizenden und eindrucksvollen Zeitgenossen des Minho, noch sind sie so mustergültig wie jene in der Nähe Lissabons: die Herrenhäuser im Trás-os-Montes. Sie setzen dagegen selbstbewußt ihre ureigenen Reize. So findet man sie an fast vergessenen Orten inmitten von langgezogenen Dörfchen oder gebirgigen Landschaften des Trás-os-Montes – wunderschöne Landschaften in dieser nördlichen Region Portugals, die oftmals eine totale Unberührtheit und „Reinheit” ausstrahlen.

Die Herrenhäuser – solares genannt – zeichnen sich durch ihre Originalität aus, sei es wegen der besonders gestalteten Fassaden, durch ihr Interieur oder eben einfach durch den Gesamteindruck, den sie vermitteln, betrachtet man sie sich aus mittlerer Distanz. In anderen Fällen heben sie sich etwas unrühmlicher hervor, dann nämlich, wenn sie ihre Reize in den Ruinen verbergen, die dann lediglich erahnen lassen, was sie einst darstellten. Verlassen und verfallen sind sie ein virtuales Etwas, wo das Geisterhafte dominiert – ja gewiss, auch das mag seine Reize haben. Dieses Verlassensein und dieser Verfall der Herrenhäuser des Norte Interior, wo sie uns weitaus seltener begegnen als in anderen Landesteilen Portugals, zeugt von den stetigen Bemühungen der Menschen, ihr Lebensumfeld zu besiedeln, zu beleben, ja, wenn wir wollen, es zu beseelen. Die solares waren die unbändigen historischen Begleiter eines Entwicklungsprozesses, in dem sie sich beharrlich behaupteten; das ist der Grund, warum wir heute einige dieser Exemplare als Touristen nutzen können.

Ein weiterer Terminus des Portugiesischen, turismo de habitação, der nichts anderes meint als die Absicht, alte verfallene Objekte zu restaurieren und sie so vor dem endgültigem Aus zu retten, ist seit einiger Zeit in aller Munde. Inzwischen wurden landesweit schon viele Gebäude auf diese Weise gerettet, und durch die Einnahmen, die der Tourismus ermöglicht, kann man weitere Objekte, seien es pousadas, solares etc…, sanieren und somit erhalten. Diese Art der Rückgewinnung dieser anmutigen Herrenhäuser bedeutet aber nicht den Verlust ihrer Intimität und ihres familiären Charakters inmitten ihrer vertrauten Umgebung, wo sie sich seit langem eingefügt haben. Zwei der betagteren Exemplare (17. Jahrhundert) zeugen von der Vorsicht, die bei der Neugestaltung an den Tag gelegt wurde, um die einstige architektonische Anmut zu erhalten: das Casa da Nogueirinha – Haus des Nußbäumchens – in Pontido, gelegen nahe von Vila Pouca de Aguiar; und die Quinta Real, in der Umgebung von Chaves.

Es sind Objekte geprägt von einer gewissen Einfachheit, ja nahezu demütig, ruft man sich die prunkvollen Bauwerke des 18. Jahrhunderts in Erinnerung. Sie fügen sich in ihrer Nüchternheit ein, die sie von der sie umgebenden Landschaft offensichtlich übernommen haben. Auch der verwendete Granit in der Bausubstanz trägt zu einer eher harten ästhetischen Ausdrucksform bei. Mit Beginn des 18. Jahrhunderts fanden auch in der Architektur der Herrenhäuser mehr und mehr dekorative und kurvenförmige Elemente Eingang, geprägt durch den Barock und das Rokoko. Davon zeugt beispielsweise die Frontseite des früheren Palastes der Távoras in Mirandela, in dem sich das gegenwärtige Rathaus befindet. Es ist ein Bauwerk aus dem 17. Jahrhundert, umgebaut und erweitert um 1700 und mit zahlreichen Voluten und Jochs ausgestattet, wo aber auch die „Theorie der gebogenen Giebel” spürbar wird, die wohl als „überentwickelt” angesehen werden darf.

Wenn diese wertvollen Zeitzeugen vergangener und nicht nur in architektonischer Hinsicht bedeutsamer Epochen kein jähes Ende in solchen Ruinen finden sollen, wie sie mancherorts ins Auge fallen - so etwa das solar Castelo Branco in Mogadouro und die Casa dos Calainhos in Valpaços (1795) -, dann hilft wohl nur noch die Hoffnung, daß auch hier der turismo de habitação den rettenden Stein ins Rollen bringt.





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Portugal-Post Nr. 12 / 2000