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Die Deutsche Evangelische Kirche in Lissabon

Von Georg Laitenberger *

Wenn man in Lissabon bei der Metro-Station „Praça de Espanha” aussteigt und den richtigen Ausgang benutzt, steht man in der Avenida Columbano Bordalo Pinheiro schon fast vor der Deutschen Evangelischen Kirche, einem bemerkenswerten Zeugnis deutscher Architektur des 20. Jahrhunderts in Lissabon, seit 1934 bis heute das Zentrum der deutschsprachigen Evangelischen in Portugal.

Es ist nicht das erste Kirchengebäude der 1761 unter dem Schutz der holländischen Gesandtschaft entstandenen Kirchengemeinde. Die Gemeinde kam im Lauf des 19. Jahrhunderts unter preußisches Protektorat. Ihre kleine, 1860 erbaute Kirche wurde zusammen mit dem Pfarrhaus im Ersten Weltkrieg als deutsches Vermögen vom portugiesischen Staat eingezogen. Als dann in den zwanziger Jahren das deutsche Vermögen zurückgegeben werden sollte, war die alte Kirche inzwischen an eine brasilianische Malerfamilie verkauft worden, die dort eine Gemäldegalerie eingerichtet hatte. Heute existiert das Gebäude längst nicht mehr.

In langen, komplizierten Verhandlungen erhielt die Kirchengemeinde – inzwischen eine unabhängige, eigenständige Institution – als Entschädigung einen Anteil an einem großen Grundstück der ehemaligen Quinta do Meio in Palhavã in der Nähe des Palácio de Palhavã Richtung Sete Rios. Dort war 1930 bereits die neue Deutsche Schule (heute Teatro da Comuna) und das Deutsche Krankenheim (heute ein portugiesischer Kindergarten) gebaut worden, beide historisch eng mit der Deutschen Evangelischen Kirchengemeinde verbunden. Die Gottesdienste der Kirchengemeinde waren nach dem Bau der Schule in der Aula der Schule gefeiert worden.

Palhavã war damals noch ein ländlich-vorstädtischer Bereich Lissabons auf dem Weg nach Benfica. Es gab noch die eine oder andere Quinta. Neue Häuser entstanden, aber in einem Stil, der sich in das Bild einfügte.

Dem damaligen Pfarrer der Gemeinde, Dr. Paul-Wilhelm Gennrich, der selbst vor seinem Theologiestudium ein Architekturvoluntariat gemacht hatte, gelang es, als Architekten für die Kirche Otto Bartning zu gewinnen, damals schon ein namhafter Architekt, der, vom „Bauhaus“ herkommend, den evangelischen Kirchenbau in Deutschland entscheidend beeinflusst und geprägt hat. Die neue Kirche wurde am 4. November 1934 eingeweiht.

Die Kirche, organisch verbunden mit dem Pfarrhaus, verleugnet ihre Herkunft von dem funktionalen Stil des Bauhauses nicht, hat aber Impulse aus der portugiesischen Umgebung aufgenommen, so dass sie sich in ihre damaligen Umgebung gut einfügte und gleichzeitig einen charakteristischen eigenen Akzent setzte.

Eine Mauer trennt das Grundstück von der Straße. Über einen Eingangshof betritt man durch ein kleines Atrium die Kirche. Auch das Pfarrhaus hat seinen Zugang von diesem Innenhof aus. Ein 30 m hoher Glockenturm, damals weithin sichtbar, verbindet architektonisch Kirche und Pfarrhaus (eine Glocke, verbunden mit der Genehmigung, sie zu läuten, gab es allerdings erst 1961 zur Zweihundertjahrfeier der Gemeinde, übrigens die einzige evangelische Kirche auf der Iberischen Halbinsel mit einer Glocke, die geläutet werden darf). Neben der Kirche, durch eine Mauer vom Nachbargrundstück getrennt, etwas tiefer gelegen, ein Ehrenhof zum Gedenken an die Opfer des Krieges. Dieser Ehrenhof mit seinen von dem Hamburger Hein Semke geschaffenen Skulpturen hat seine eigene Geschichte.

Im Inneren ist die Kirche, in die man durch einen kleinen abgetrennten Vorraum eintritt, ein schlichter heller Bau, ausgerichtet auf das hohe schwarze Kreuz über dem Altar. Taufstein, Kanzel und Altar sind in einer aufsteigenden Linie einander zugeordnet. Wärme strahlt die Kirche durch den Korkfußboden und durch das Holz der Decke und der Bänke aus. Für die Orgel (auch heute eine der besten Orgeln Lissabons) und den Chor befindet sich über dem Eingang eine Empore.

Die Einweihung der Kirche vollzog sich schon unter den politischen Spannungen der damaligen Zeit. Der spätere Pfarrer der Gemeinde, Dr. Lothar Thomas, konnte zusammen mit dem Vorsitzenden des Kirchenvorstandes, Hans Wimmer, während des Zweiten Weltkrieges die Kirche aus einem deutschen Eigentumsverbund heraushalten, sodass sie nach dem Krieg der Kirchengemeinde erhalten blieb.

Sie wirkt heute fast verloren im modernen Straßenbild der Avenida Columbano Bordalo Pinheiro, ist aber nach wie vor mitten in Lissabon ein beachtenswertes Beispiel für deutsche Architektur und evangelischen Kirchenbau im 20. Jahrhundert und erfüllt immer noch den Zweck, zu dem sie gebaut wurde: Sie ist lebendiges Zentrum der deutschsprachigen Evangelischen in Portugal.

e-mail: Pfarrer Dirk Voos, Lissabon


* Georg Laitenberger, Pastor in Aumühle bei Hamburg, war von 1974 bis 1986 Pastor der deutschen evangelischen Gemeinde von Lissabon




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Portugal-Post Nr. 12 / 2000