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Die „Frauleins“ von Porto

 Viele unserer Leser werden sich an Dr. António Pinto Machado erinnern, portugiesischer Generalkonsul in Hamburg von 1993 bis 1995. Sein Vater war der Direktor des Portuenser Kristallpalastes (1935-65), der inzwischen abgerissen wurde und durch den Sportpalast „Rosa Mota“ ersetzt wurde, der nicht im geringsten an die Schönheit des alten Palastes herankommt. Der kleine António verlebte eine glückliche Jugend im Schatten des Palastes, betreut von verschiedenen „frauleins“ deutscher Sprache, wie es damals die Mode war. Mit freundlicher Genehmigung des Autors, der jetzt als Pensionär inseiner Heimatstadt Sintra lebt;  drucken wir aus seiner Autobiografie das kleine Kapitel „As Frauleins“ ab und danach einen kleinen Bericht unseres Mitglieds Hertha Theiler, deren Mutter von 1922-27 als „fraulein“ in Porto tätig  war. 

Es gab damals bei uns zu Hause eine Schweizerin, das Fräulein Nelly, die auf germanische Weise damit beschäftigt war, in unsere „Truppe“ ein wenig Zucht und Ordnung zu bringen. Unsere Eltern waren übrigens darauf bedacht, uns von früh auf eine besondere Erziehung zu geben, und wie es damals in den besseren Familien üblich war, ließen sie für uns ausländische Erzieherinnen kommen, vor allem Deutsche oder Schweizerinnen, wie es die Mode war. Das waren die „frauleins“. 

Die erste, die zu uns kam, war eine 18jährige Deutsche mit Namen IRMGART HEIMANN, die im Oktober 1928 antraf. Dann, 1933, war das Fräulein NELLY an der Reihe (Nelly Schneider mit vollem Namen), eine Schweizerin aus Schaffhausen, ganz anders als ihre Vorgängerin, eine richtige Dame, sehr gebildet und schön. Sie begleitete meine Mutter sehr häufig zu Festen und Gesellschaften. Und so geschah es, dass sie auf einer dieser den Richter Pinto Osório kennen lernte, den sie später heiratete und uns, logischerweise, verließ.

 Schließlich war IRMGART STUTZ, auch eine Schweizerin, wenn auch von ganz anderer Art, an der Reihe. Sie lebte als ständige Erzieherin bei uns im Haus. Sehr viel jünger als Fräulein NELLY, war sie eher eine Gefährtin meiner Schwestern. Sie blieb ungefähr zwei Jahre und kehrte nach Hause zurück um zu heiraten.

 Damit meine Schwestern und Zé (ich selbst war noch zu klein dafür) nicht das Deutsch vergaßen, das sie gelernt hatten, gingen wir dazu über, „frauleins“ auf Stundenbasis zu verpflichten. Die letzte war Madame MARCOVITCH, an die ich lebhafte Erinnerungen habe. Sie hatte eine Missbildung an einer der Hände oder an den Fingern der rechten Hand, denn sie trug einen Wollhandschuh, um diese zu bedecken.

 Es war mit diesen Kindermädchen, dass wir die schönen Weihnachtsfeste organisierten, die deswegen auch ihre besondere deutsche Note hatten. Wir sangen im Chor „OH TANNENBAUM“ und „STILLE NACHT“, und die zentrale Figur war der Weihnachtsmann mit einem Sack voller Geschenke. Es war immer eine der „frauleins“, das sich als Weihnachtsmann verkleidete. Erst später, als es keine Schweizerinnen mehr gab, wurde diese Rolle von CAROLINA übernommen.

 António Pinto Machado, Da Pena ao Palácio. Recordações de uma juventude feliz,

Sintra 1994, S.51/2

Übersetzung: Peter Koj

  

Meine Mutter, Marianne Theiler, geb. Tretow (1906-1998) war es, die in mir das Interesse an und die Liebe zu Portugal, und da speziell zu der Stadt Porto, weckte und pflegte. Und das kam so...

Sie war mit drei Geschwistern wohlbehütet in einer gutbürgerlichen Familie in Bad Oldesloe aufgewachsen, als die ältere Schwester – nicht gerade zur Begeisterung der Eltern – einen in Porto lebenden Deutschen heiratete, dessen  Familie ursprünglich aus Hamburg stammte. Die Schwester war also „in weite Ferne“ entschwunden, was die Phantasie meiner Mutter ungeheuer beflügelt haben muss. Nach langem Drängen bekam sie von den Eltern die Erlaubnis, ihre Schwester während der Schulferien in Porto zu besuchen. Natürlich durfte sie die Schiffsreise nicht allein unternehmen (sie war noch nicht ganz 16 Jahre alt); ihr älterer Bruder wurde als „Aufpasser“ mitgeschickt. 

Und dann kam alles ein wenig anders, als sich die Eltern das vorgestellt hatten: Meine Mutter war so fasziniert von all dem Neuen und Fremdartigen, das sich ihr bot, dass sie zunächst Schwester und Schwager und – nach deren Zustimmung – auch ihre Eltern mit dem Wunsch bestürmte, die Schule verlassen und in Porto bleiben zu dürfen. Schließlich hatte sie ihr Ziel erreicht und der Bruder reiste allein nach Hause zurück.

 Ihr erster Arbeitsplatz als „Fräulein Marianne“ war bei der Familie Lacerda in Foz, wo sie den Kindern die deutsche Sprache beibringen sollte, was – wie man später am Beispiel von Ruy de Lacerda sehen konnte – auch gut gelungen ist. Später wechselte sie dann zu der Familie Begonha mit ihren vielen Kindern. Zu deren Familien- oder Freundeskreis gehörte Mrs. Johnston, eine Brasilianerin, die nach längerem Aufenthalt in Porto wieder auf ihren Besitzungen nach dem Rechten sehen musste. Sie machte meiner Mutter das Angebot, sie für zwei Jahre als Gesellschafterin nach Brasilien zu begleiten, und meine Mutter sagte zu. Im November 1927 reiste sie noch einmal nach Deutschland, um sich von ihren Eltern zu verabschieden. Anfang Dezember lernte sie dort meinen Vater kennen, der zu einer Fortbildungsveranstaltung aus Berlin nach Bad Oldesloe gekommen war, und Weihnachten war die Verlobung! Alle anderen Pläne waren hinfällig.

 Durch den Umzug nach Berlin, den frühen Tod meines Vaters (1938) und die Kriegsjahre rissen die Kontakte nach Porto für viele Jahre ab, was unsere portugiesischen Freunde später dann sehr bedauerten, weil sie uns vielleicht hätten helfen können. Im Jahre 1953 reiste meine Mutter dann erstmalig wieder hin, und seitdem war Portugal ihr und mein bevorzugtes Reiseziel... und sie war für ihre Zöglinge noch immer das „Fräulein Marianne“. In all den Jahren hat sie immer wieder mit großer Begeisterung von ihren Jugendjahren in Porto berichtet. Davon sind mir folgende Schilderungen in besonderer Erinnerung geblieben:

 An einem Sonntag machte sie mit Schwester und Schwager einen Spaziergang auf dem Passeio Alegre in Foz, als ihnen eine Gruppe junger Männer mit den traditionellen schwarzen capas der Studenten entgegenkam. Als sie näher kamen und meine (blonde, blauäugige) Mutter entdeckten, warfen sie ihre capas vor ihr auf den Boden. Meine Mutter, vollkommen ahnungslos, wollte zur Seite ausweichen und an den Umhängen vorbeigehen, da wurde sie von ihrer Schwester belehrt: das wäre eine Ehrbezeigung für sie und sie müsse über die capas hinweg weitergehen, sonst seien die Studenten beleidigt! 

Als begeisterte und sehr gute Schwimmerin nutzte sie jede Gelegenheit, diesen Sport zu treiben, was allein schon in der damaligen Zeit für ein junges Mädchen nicht gerade üblich war. Sie ging dazu aber nicht vom Strand aus ins Wasser, sondern startete von der Mole aus und schwamm weit ins Meer hinaus. Das hat so manches Mal zu Aufregung geführt und es kam vor, dass Leute „Rettung“ veranlassen wollten, bis sie dann von Eingeweihten beruhigt wurden.

 Etwa 1925 muss sich einmal meine Großmutter auf die Reise gemacht haben, um in Porto nach ihren Töchtern zu sehen. Bei einem Bummel durch die Innenstadt blieb sie vor dem Schaufenster eines Fotoateliers wie versteinert stehen: Als Blickfang in der Mitte des Fensters stand ein großformatiges, handkoloriertes Porträt meiner Mutter, das sie im Profil mit Bubikopf-Haarschnitt und einer Andeutung von entblößten Schultern zeigte! Das war zu viel für sie. Aber es stellte sich heraus, dass meine Mutter ihre Zustimmung gegeben hatte. – Und wenn ich das Bild heute betrachte, finde ich es traumhaft schön...  

Herta Theiler

 





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Portugal-Post Nr. 14 / 2001