Der
Heidelberger
Elfenbein-Verlag hat sich in seinem fünfjährigen Bestehen bereits sehr
verdient gemacht durch die Herausgabe portugiesischer Literatur: Die
einzigartige zweisprachige, vollständig neu übersetzte Camões-Ausgabe der Lusíadas
etwa, oder die bisher in zwei Bänden erschienene Werkausgabe der Texte Al
Bertos, um nur einige von den bisher acht lieferbaren Titeln zur portugiesischen
Literatur zu nennen.
Ganz
offenbar hat der Verlag auch eine Affinität zu jüngeren deutschen Autoren, in
deren Werk zumindest Portugal und seine Literatur nicht unwichtig sind. Bereits
zur Leipziger Buchmesse im März 2001 sind in der Reihe Lyrik
der Jahrtausendwende zwei Bücher erschienen, die diesen Eindruck bestätigen;
so Ralph Roger Glöcklers Das Gesicht
ablegen und Ferdinand Blume-Werry Entwegtes
Land. Während in letzterem nur an einigen Stellen Portugal aufscheint
– die Städte Lissabon und Coimbra tauchen in Bildern auf bzw. werden genannt
–, widmet Glöckler gleich sein ganzes Buch Portugal, was nicht zuletzt durch
das Nachwort des Schriftstellers und Kritikers Nuno Júdice unterstrichen wird,
aber auch durch den Fernando Pessoa gewidmeten zehnteiligen und titelgebenden
Zyklus, mit dem das Buch schließt.
Beiden
Neuerscheinungen gemeinsam ist die bildreiche Sprache. So lesen wir
beispielsweise: „auf meiner karavelle / ... / bin ich gegen die ozeane
gesegelt / ... / fast wahnsinnig wurden wir / in der brechung des lichts / von
sturzbächen / und blätterflammen“ (Glöckler). Oder bei Blume-Werry: „afrika
in lissabon, die kirschkerne / strotzen vor leben im rinnstein, helle winde, /
kreisende lichtpunkte, die maulbeerbäume / träumen vom gelächter der glocken,
/ hunde schleichen sich über balkone, / von denen es elfenbein regnet / in
schattenlosen kaskaden unzähliger blüten“. Und gleich an mehreren
Stellen des Entwegten Landes tauchen
Splitter aus dem lyrischen Werk Fernando Pessoas auf, der somit in beiden Büchern
eine Rolle spielt, und sei es, dass ihn die beiden Dichter verehren.
Ein
weiteres, von der portugiesischen Seele kaum abzutrennendes Merkmal, das in
beiden Lyrikbänden zu Tage tritt und lange Zeit eine eher untergeordnete Rolle
in der deutschen Lyrik einnahm, ist die Auseinandersetzung mit Religion und
Glaube. Das Thema wird in beiden Büchern aber transformiert, mit intensiven
Naturbildern durchbrochen. Bei Glöcklers Zyklus Liturgia
wird nicht die Liturgie im kirchlichen Sinn bezeichnet; er greift bestenfalls
auf sie ideell zurück und transformiert persönliches Leid durch eine Trost
spendende Naturerfahrung mit spirituell-mystischer Dimension. In seinem Gedicht Missa
hält die Natur dem Dichter eine Messe ab.
Bei
Blume-Werry hingegen wird Spiritualität nicht nur makrokosmisch erfahren,
sondern vollzieht sich auch im Mikrokosmos als dessen Spiegel: Dort werden wir
zu „pilgern im eigenen körper, / sind priester im fremden land“; der eigene
Körper als etwas Fremdes, das es zu entdecken gilt, da wir längst „gefangene
unseres denkens“ geworden sind, das wertet und trennt, statt wertfrei das
„gebet der anrollenden see“ zu erfahren, und im Gegenüber, dem „du / die
erschaffung der welt“ zu sehen. Eine Einsicht, die uns durch unser nüchtern
geprägtes Weltbild abhanden gekommen ist. Obgleich: Gerade die Erforschung des
Universums, insbesondere in den Disziplinen der Astronomie, lässt die
Forscher heute wieder staunen und an Grenzen geraten: „und in den laboren /
schälte sich eine erkenntnis heraus / die niemand verstand“. Spätestens
hinter der aufwändig gewonnenen Datenfülle beginnt das Mysterium von neuem:
Jene seltsame Sehnsucht nach Geborgenheit, die offenbar durch kein Wissen der
Welt zu stillen ist. – Als Anspielung auf die portugiesische Saudade
schreibt Glöckler in seinem Pessoa-Zyklus: „sehnsucht ist teil des universums
/ kontinente sind seine pforten / dort stehen keine engel“. Fürwahr; aber
dort steht die Erkenntnis des Mysteriums unseres Lebens. Davon berichten diese
Gedichte.
Der
Verlag hat auch eine Internet-Seite, die regelmäßig aktualisiert wird. Dort
findet jeder Interessierte auch Textbeispiele aus den Büchern und Hinweise zu
Lesungen der Autoren:
www.elfenbein-verlag.de.
Die Internet-Adresse von Ferdinand Blume-Werry befindet
sich im Moment noch im Aufbau. Aber auch hier finden Sie
bereits die Termine seiner Lesungen www.carpe-colores.de
Ralph Roger Glöckler
DAS GESICHT ABLEGEN
Gedichte, Geb. 120 S., DM 23,47
ISBN 3-932245-39-3, Nachwort von Nuno Júdice
Ferdinand Blume-Werry
ENTWEGTES LAND
Gedichte, Geb. 120 S., DM 23,47
ISBN 3-932245-40-7, Nachwort von Herbert Rauner