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Krebsgang im schwarzen Dreieck

Von Hanno Zickgraf (Frankfurt)

José E. Agualusas Fortschreibung der Fradique-Mendes-Korrespondenz von Eça de Queirós

Fradique Mendes heißt eine literarische Figur des Eça de Queirós. Sie korrespondiert mit zeitgenössischen Geistesgrößen und Freunden, schwebt – Eças programmatische Wirklichkeitsverhaftetheit kompensierend – als ästhetischer Moralist über der Schwerkraft der gesellschaftlichen Verhältnisse.

 Dass es dieser weitgereiste, in Paris wahlbeheimatete Homme de lettres, ein Buch über seine Afrika-Erfahrung zu schreiben, hat der Angolaner José Eduardo Agualusa als eine Leerstelle empfunden, die er mit einer Fortführung der Fradique-Korrespondenz, dem Roman Ein Stein unter Wasser, ausgefüllt hat. Er hat damit den Boden einer seit den Lettres portugaises einer portugiesischen Nonne illustren Gattung der lusophonen Literatur betreten. Wie diese Briefe der Trauer um eine verlorene Liebe und wie Eça beschränkte auch Agualusa sich (weitgehend) auf einen Briefschreiber. Eine Lösung, die bei ihm nicht überzeugt: Denn mag solche Echolosigkeit uns intensiver an der einsamen und sich steigernden Verzweiflung einer Verlassenen teilhaben oder (durch die wechselnden Adressaten bei Eça) den kosmopolitischen Esprit des originären Fradique umso sonorer hallen lassen, in Agualusas ambitioniertem Büchlein, das fiktiver ethnographischer Reisebericht, Liebes- und Abenteuerroman zugleich sein will, musste sie auf Kosten der Dynamik, der Spannung gehen.

> Eine vielschichtige Handlung und komplexe Psychologie – das hat einst Almeida Farias Lusitanische Tetralogie (deren erster Band Passionstag vor Jahren auf deutsch erschien) glücklich vermählt durch die Polyphonie korrespondierender Angehöriger einer Latifundistenfamilie. Agualusa aber hat sich brav seiner „historischen“ Vorlage anverwandeln wollen. So erleben wir die wundersame Liebes-Verwandlung eines polyglotten Libertins und Skeptikers in einen pikaresken Kämpfer für die Abolition im monotonen Gleichklang eines Fradique-Tenors, der bei Eça einfach unvergleichlich stimmiger klingt. Nichtsdestotrotz ist es lohnend, Fradiques räsonierenden Krebsgängen im schwarzen, von beuteraffenden Kolonisatoren und Sklavenhändlern markierten Dreieck zwischen Westafrika, Brasilien und Lissabon zu folgen, denn sie geben uns Einblicke in die dortigen historischen und Gewaltverhältnisse, wie man sie nicht so leicht auf so knappem Raum haben kann.

 

JOSÉ EDUARDO AGUALUSA: Ein Stein unter Wasser. Roman. Aus dem Portugiesischen von Inés Köbel, dtv, München 2000, 180 Seiten, 28 Mark





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Portugal-Post Nr. 17 / 2002