Erwartungen und böse Vorahnungen
Von José d’Encarnação
Die Wahlen zum Abgeordnetenhaus am 17. März in Portugal
hatten ein Ergebnis, das genau den Erwartungen der Mehrheit der Portugiesen
entsprochen haben dürfte. In der Tat stand die Forderung nach einem Sieg der
PSD (Sozialdemokratische Partei) im Raum, die nach „traditionellem“
Politikverständnis als Mitte-Rechts einzustufen ist; man hätte sich trotzdem
keine absolute Mehrheit gewünscht, obwohl sie von den beiden Parteien mit den
größten Siegeschancen beansprucht wurde. Die absoluten Mehrheiten hatten
schlechte Erinnerungen hinterlassen, denn sie hatten eine gewisse Arroganz in
der Ausübung der Macht ermöglicht.
Es sei daran erinnert, dass diese vorgezogenen Wahlen in
Folge der schlechten Ergebnisse bei den Kommunalwahlen von Premierminister António
Guterres von der Sozialistischen Partei (PS) ausgelöst wurden, der daraufhin um
seinen Rücktritt gebeten hatte, eine Bitte, die der Präsident der Republik
ohne Zögern akzeptierte, in Anbetracht der Tatsache, dass man keine Zukunft sah
für die Fortsetzung einer Regierung, die keine Begeisterungsstürme mehr auslösen
konnte, noch nicht einmal auf Seiten ihres – wie es schien – amtsmüden Führers.
In prozentualen Angaben waren die Ergebnisse die
folgenden: 40,1 für die PSD und 37,9 für die PS, d.h. es zeigte sich eine
Bipolarisation, künstlich als „links“ und „rechts“ bezeichnet, obwohl
es bekanntermaßen heute sehr viel schwieriger, ist diese Unterscheidung
vorzunehmen. Das Wahlprogramm ist eine Sache, die Praxis eine andere. In einigen
Punkten kann eine sogenannte „rechte“ Partei sogar Lösungen anpreisen, die
deutlich in einer „linken“ Ideologie anzusiedeln sind. Und es gab keine
absolute Mehrheit, wobei die PSD mit einer Marge gewonnen hat, welche die
Unterstützung durch andere Parteien erfordert, um ihre Gesetzesvorschläge im
Parlament durchzubringen.
Nun, vom politischen Spektrum her gesehen konnte die
„Allianz“ nur mit dem „sozialdemokratischen Zentrum- Volkspartei“ (CDS-PP)eingegangen
werden, die sich der Wählerschaft als „rechte“ Partei präsentierte und 8,8
% der abgegebenen Stimmen erhielt. Bei der Linken erlangte das Bündnis
„CDU“, angeführt von der Kommunistischen Partei Portugals (PCP), nur 7 %,
und die andere politische Kraft, die drei Abgeordnetensitze im neuen Parlament
errang (2, 8% der Stimmen) war der „Linksblock“, der in den letzten Jahren
diejenigen, die unzufrieden mit einer sogenannten „rechten“ Politik waren
und sich weder in der PCP noch in der PS wiederfanden, um sich geschart hatte.
Folglich war das erste große Problem, dem sich Durão
Barroso, der Führer der
Sozialdemokraten, gegenübersah, sich für eine Regierung zu entscheiden, die
ausschließlich von Mitgliedern seiner Partei gestellt würde, wenn auch unter
Einbindung Unabhängiger, oder den Einzug von Leuten des CDS-PP zu ermöglichen,
um der Zukunft mit mehr Ruhe entgegenzusehen. Die beiden Alternativen wurden
vielfach kommentiert; man erinnerte sich an die Erfahrung der AD
(„Demokratische Allianz“), die von genau denselben beiden Parteiformationen
gebildet worden war; das Pro und Contra wurde abgewogen; und Durão Barroso
entschied sich, dem Präsidenten der Republik ein Regierungsbündnis zu präsentieren,
das am Samstag, den 6.4.02, eingesetzt wurde.
Es wird in der Presse und unter den bekanntesten
politischen Kommentatoren viel darüber diskutiert, ob die Zusammensetzung der
Regierung die beste ist. Oder eher noch, ob Paulo Portas, Ex-Journalist und
ehemaliger politischer Kommentator, Führer des CDS-PP, es schaffen wird, sich
mit Durão Barroso zu arrangieren, den heftig zu kritisieren er sich nicht
enthalten konnte, wie es während des Wahlkampfs normal ist. Die an die
Mitglieder seiner Partei und an ihn selbst (der beispielsweise immer auf die
Notwendigkeit einer größeren inneren Sicherheit gepocht hatte) verteilten Ämter
wurden jedoch schließlich friedlich akzeptiert.
Böse Vorahnungen sind sogleich aufgetaucht: es sei eine
„zweitklassige Regierung“, eine “Übergangsregierung, die nicht lange
halten wird“, „die erwählten
Persönlichkeiten haben... kein Profil!“... Heute weiß man, dass die Presse
verkaufen muss und ihren Platz als vierte Kraft (wenn nicht sogar noch darüber
hinaus!...) erhalten will, und dass es sich deswegen momentan nicht lohnt,
diesen Vorahnungen viel Gehör zu schenken, und man sich vor allem die hohen
Erwartungen auf eine Besserung zu erhalten sollte, trotz der ungünstigen
internationalen Konjunktur in der Folge des 11. Septembers,
bzw. aufgrund des stets unruhigen Klimas in Vorderasien. Es wäre nicht
ungewöhnlich, dass sich erwartete Enttäuschungen in angenehme Überraschungen
verwandeln, und im familiären Leben geschieht es häufig, dass eine Heirat, auf
die man nichts gibt, zur schönsten Zufriedenheit endet.
Fürs erste einige Initiativen, die mir verheißungsvoll
erscheinen, insbesondere auf den Gebieten, die mich am meisten betreffen:
– die
Absicht des neuen Bildungsministers, der Reform der Lehrpläne für die Grund-
und weiterführenden Schulen Einhalt zu gebieten, eine Reform, die allen
Erziehungsfachleuten sehr missfallen hatte, da sie völlig fern der Realität
war. David Justino, der neue Minister, scheint mit den Beinen fester auf der
Erde zu stehen.
– die Schaffung eines Ministeriums für Höhere Bildung
und Wissenschaftliche Forschung. Obwohl sicher nur schwerlich jemand es eines
Tages besser machen kann als Mariano Gago (der bemerkenswerteste Minister, den
Portugal in den letzten Jahrzehnten auf dem Gebiet der Wissenschaft und der
Technologie hatte), so stimmt es nicht weniger, dass die Zusammenlegung dieser
beiden Bereiche schon seit langem angeraten wurde, da doch die Forschung und die
Universitätsbildung gut zusammengehen müssen.
– die Verringerung der Anzahl der Minister und
Staatssekretäre, in der Absicht einer Verminderung der Ausgaben, die abgesehen
davon, dass sie absolut notwendig ist, immer gut ankommt in der öffentlichen
Meinung
– die Ernennung von Pedro Roseta für das
Kultusministerium wird eine Überraschung gewesen sein, fragen sich doch viele,
welche Erfahrung Pedro Roseta auf diesem Gebiet hat. Übrigens könnte man fast
fragen, welche Erfahrung Pedro Roseta überhaupt hat. Ehemann von Helena Roseta
– die nachdem sie der PSD gedient hatte, findet sich heute in den Listen der
PS wieder (sie wurde als
Abgeordnete Coimbras gewählt) – sie ist tatsächlich eine Politikerin,
von der man spricht. Pedro (wenige wissen es vielleicht) gilt als der
Hauptideologe der ersten Satzungen der Demokratischen Volkspartei (PPD, heute
PSD), Satzungen, die zu dieser Zeit sehr viel mehr Interventionen des Volkes
vorsahen, das heißt sehr viel „linker“ als selbst die der PS waren. Und er
hat sich immer diskret zurückgehalten. Er versteht es zuzuhören, ist
pragmatisch, und ich denke, dass Pedro Roseta – in einer Epoche, in der die
Kultur im Rahmen der Globalisierung etwas sehr wichtiges für das Image eines
Landes darstellt– konkrete Maßnahmen mit exzellenten praktischen Ergebnissen
ergreifen kann. Das werden wir sehen. Übrigens werden die kommenden Wochen als
Test dienen – im Bereich der Kultur, der Gesundheit, der Arbeit...
Schließlich, wenn es der PCP nach dem bezeichnenden Einbruch bei den Wahlen
gelingt, sich wieder zu mobilisieren und interne Meinungsverschiedenheiten zu überwinden,
ist es möglich, dass sie die Rolle der Herausforderin übernimmt. Aber das ist
es, was man sich in einer Demokratie wünscht, in der die Opposition unbedingt
ihren Platz gut ausfüllen muss. Mit Fleisch und Blut.
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Portugal-Post Nr. 18 / 2002
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