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Die kleine Geschichte

Von Karin Miedeck

Mein letzter Ferientag

15 schöne Urlaubstage in der Casa Catarina im Alentejo lagen hinter mir. Das Wetter war prima, Temperaturen über 20°, viel Sonne, wenig Regen.

Am 6. Januar machte ich mich mit meinen Mietwagen auf in Richtung Lissabon, der Abflug nach Frankfurt sollte nachmittags um vier Uhr sein. Vor der Brücke Vasco da Gama legte ich auf dem Parkplatz eines Restaurants eine kurze Pause ein, ein Toilettenbesuch war unaufschiebbar. 

Da meine Tasche ziemlich schwer war (fünf Flaschen des guten portugiesischen Olivenöls, Bücher und persönliche Dinge) entnahm ich ihr nur Portemonnaie und Handy. Ich verschloss das Auto. Es war 13.30 Uhr.

Als ich nach knapp fünf Minuten später wieder zurückkam, fand ich die Autotür geöffnet vor. Keine Spur mehr von meinem Gepäck. Alles weg, Ausweispapiere, Flugtickets, Koffer mit Kleidung, Jacke, Kamera, schlicht alles. Im ersten Moment konnte ich nicht glauben was ich sah, besser gesagt, was ich nicht sah. Eine entsetzliche Situation, ein Alptraum. Was tun? Konzentration: ich zwang meinen verwirrten Kopf zum Nachdenken. Polizei! Tatsächlich kam eine telefonische Verbindung zustande, man versprach, eine Patrouille zu schicken. Ich wartete, keiner kam. Die Zeit verstrich, nur noch zwei Stunden bis zum Abflug.

Ich fuhr weiter zum Flughafen, voller Zweifel, ob es mir gelingen könnte nach Hamburg zu kommen, ohne Ausweis, ohne Ticket, wilde Pläne überstürzten sich in meinem Kopf. In Windeseile gab ich das Auto zurück und machte mich – nun nicht mehr belastet von Koffer und Bordtasche– auf die Suche nach dem Schalter der Lufthansa. Dort erhielt ich die Bestätigung, dass der Computer eine Person meines Namens für den Flug LH 220 nach Frankfurt vorgesehen hätte, ich solle doch bitte meine Identität beweisen. Immer mit der Ruhe, das sollte kein Scherz sein, auf der Polizeiwache würde ich die geforderte Bestätigung bekommen.

Wo um Himmels Willen ist die Wache? Die Minuten verrannen. Endlich fand ich das Polizeibüro, vor mir etliche Leute, denen ähnliches Missgeschick widerfahren war. Die Zeit raste, die Anspannung stieg. Nach einer Ewigkeit wurde ich aufgefordert, ein schwer leserliches Formular über den Tathergang auszufüllen. Tausend Fragen, alles auf portugiesisch, keine Hilfe weit und breit, mein Kopf schwirrte. Damit es schneller ging, wechselte ich ins Englische. Pech, die Polizeibeamtin war unerbittlich. Das Ganze noch mal, aber bitte portugiesisch. Diskussion zwecklos. Die Zeit verrann. Die Kopie der Strafanzeige veranlasste am Lufthansaschalter, dass mir ein zweites Ticket verkauft wurde; währenddessen wurden die Passagiere für LH 220 zum zweiten Mal aufgerufen.

Eine weitere Schreckensidee blitzte auf, ich würde – wenn überhaupt – ohne Hausschlüssel in Hamburg ankommen. Mein Handy funktionierte nur im portugiesischen Netz. Und ich hatte immer noch keine Bordkarte. Während ich zum Schalter raste, telefonierte ich mit einer Freundin in Hamburg. Hilfe! (Immer habe ich mit einer heimlichen Verachtung Leute beobachtet, die im Laufschritt telefonieren, nun war es also auch mit mir so weit gekommen...) Über den Lautsprecher kam die letzte Aufforderung für Senhora Karin Miedeck; ich zwang mich, mein Tempo weiter zu steigern und erreichte Gate 28 völlig atemlos. Geschafft! Ich möchte noch daran erinnern, dass die Nacht des 6. Januars in Hamburg sehr kalt war, besonders für jemanden, der in T-Shirt und Sommerhose ankommt.

Seit diesem Abenteuer bin ich damit beschäftigt, meine Ausweise neu zu besorgen und die Lücken in meinen Habseligkeiten wieder zu schließen. Ganz schön teuer! Und die Quintessenz aus dieser Geschichte: Wer jemals auf einem Autobahnparkplatz ein menschliches Rühren verspürt, sollte sein Gefährt mitnehmen in die casa de banho.





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Portugal-Post Nr. 18 / 2002