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Margarethe von Trotta im Alentejo

Von Peter Koj

Dieses Jahr feierte Margarethe von Trotta ihr 25jähriges Jubiläum als Filmregisseurin. Aber wussten Sie, dass am Anfang ihrer Karriere ein Film steht, der zum Teil im Alentejo spielt? Es war im Juli 1977, dass der Regisseur Volker Schlöndorff in Lissabon auftauchte, um einen Drehort für den Schlussteil des ersten Filmes seiner Frau Margarethe von Trotta, „Das zweite Erwachen der Christa Klages“ zu suchen. Es ist die Geschichte der jungen Kommunardin Angela Luther (dargestellt von Tina Engel), die eine Bank überfällt, um Mittel für einen Kinderladen aufzutreiben. Bei dieser Aktion wird ihr Begleiter (dargestellt von Mario Müller-Westernhagen) von der Polizei erschossen, während es ihr gelingt, sich auf eine Kooperative im Alentejo zu flüchten, wo sich ihr später ihre Freundin (dargestellt von Sylvia Reize) anschließt. Aber ihre Liebesbeziehung wird von den Bewohnern der Kooperative scheel angesehen, und so sehen sich die beiden gezwungen, nach Deutschland zurückzukehren.

Ich lernte Volker Schlöndorff durch meinen Freund Hans Blume kennen. Dieser war für die Rolle des Erich vorgesehen, ein deutscher Lehrer, der portugiesisch spricht und als Verbindungsmann zwischen Bewohnern der Kooperative und den deutschen Frauen dient. Zusammen klapperten wir verschiedene Kooperativen im Baixo Alentejo ab, was für mich den ersten direkten Kontakt mit dieser neuen gesellschaftspolitischen Realität Portugals bedeutete. Ich war sehr beeindruckt von der großen Entschlossenheit, mit der die Landarbeiter nach dem Weggang der ehemaligen Großgrundbesitzer die Landwirtschaft in die eigenen Hände genommen hatten, frei nach dem Motto „Das Land demjenigen, der es bearbeitet“. Aber bei aller Ernsthaftigkeit und allem politischem Engagement herrschte eine Atmosphäre von großer Sympathie und Solidarität, denen ich unvergessliche Momente von zwischenmenschlichen Beziehungen verdanke. Wir entschlossen uns schließlich für die Kooperative „Roter Stern“ (in der Nähe von Ferreira), wo sich übrigens bereits der Hamburger Künstler und Polittourist Jochen Bustorff aufhielt, der spätere Lebensgefährte der Pianisten Maria João Pires. Er hatte sich hierher geflüchtet, nachdem ein Freund bei einer Demo in Porto ums Leben kam. Aber er befand sich im offenen Konflikt mit den Kooperativbewohnern, sei es wegen ihres Essens (zu fett!), sei es wegen ihrer Politik (zu dogmatisch!). So schied er als Dolmetscher und Vermittler zwischen Portugiesen und Deutschen aus.

Die Dreharbeiten fanden im August desselben Jahres statt, zu einem Zeitpunkt als Hans Blume schon nach Deutschland zurückgekehrt war. Und da ich über die nötige Freizeit verfügte (es waren meine ersten Sommerferien an der Deutschen Schule Lissabon) übernahm ich die ihm zugedachte Rolle des Erich. Als ich in unserem Hotel in Ferreira ankam, war schon fast der ganze Verein versammelt: Margarethe, Tina, Luisa Francia (Drehbuch), Alexander von Eschwege (Regieassistent), Vladimir Vizner (Ton) und Franz Rath (Kamera). Gleich stellten alle an mir eine große Ähnlichkeit fest mit dem Berliner Schriftsteller Peter Schneider, der im „deutschen“ Teil des Films die Rolle des Pastors Hans Grawe spielt. Und so wurde das Drehbuch dahingehend geändert, dass ich nun der Bruder von Hans Grawe war.

Eine knappe Woche lang drehte Margarethe von Trotta mit einem für eine Anfängerin erstaunlichen Geschick. Sie brauchte für fast jede Szene nur eine einzige Klappe. Was ihr natürlich sehr half, war die langjährige Erfahrung des Kameramanns Franz Rath. Margarethe, als erfahrene Schauspielerin, ließ uns alle Freiheiten, sogar was den eigentlichen Text anging. Für mich war am schwersten, einen Willy zu chauffieren, einen amerikanischen Jeep aus dem 2. Weltkrieg mit mindestens 16 Gängen. Er wurde uns vom Sohn unseres Hotelbesitzers geliehen, einem Kommunistenfresser und somit persona non grata auf der Kooperative. So musste ich den Jeep durch das unwegsame alentejanische Gelände lenken mit seinen Abhängen, sandigen Wegen und sogar Furten.

Doch das Problem mit dem Besitzer des Willy, war nicht der einzige politische Zündstoff während der Dreharbeiten. Zum Beispiel als wir uns den Ausrutscher leisteten und in einem „faschistischen“ Restaurant zum Mittagessen gingen. Und da Jochen Bustorff außer Gefecht war, blieb die undankbar Aufgabe an mir hängen, mich klärend einzuschalten und die Gemüter zu beruhigen. Wer sich genauer über den politischen Hintergrund beim Entstehen des Films zu informieren, kann dies anhand der Aufzeichnungen von Luisa Francia tun, die am Ende eines Büchleins der Reihe Fischer Cinema abgedruckt sind.1

Da die Dreharbeiten früher beendet waren als geplant, beschlossen einige Mitglieder des Teams, nämlich Tina, Luisa, Alexander und Vladi, nicht gleich nach Deutschland zurückzukehren, sondern noch ein paar Tage bei uns in Estoril zu bleiben. Es war mir ein großes Vergnügen, unseren Gästen ein Lissabon zu zeigen, dass noch typisch war und noch nicht so von der Bauwut entstellt, die Strände an der Costa do Estoril aufzusuchen und mit portugiesischen Freunden zu feiern. Aber ich war einigermaßen überrascht, als Alexander von Eschwege den Pena-Palast in Sintra zu besuchen, den sein berühmter Vorfahre, der Baron von Eschwege, erbaut hatte. Ihm genügte ihm, die Silhouette des Palastes auf dem Kamm des Sintragebirges von ferne zu bewundern, während er sich faulig auf seinem Handtuch am Guincho-Strand räkelte.

Im November erhielt ich einen Brief von Margarethe von Trotta, wo sie unter anderem schreibt: „Der Portugalteil ist sehr schön geworden, und du bist gut und schön anzusehen. Nach der Unsicherheit, die ich beim Drehen empfunden habe, weil es manchmal gar zu dokumentarisch wurde, z.B. wenn wir bei der Korkernte hinterherflitzen mußten, erstaunlich immerhin. Es ist halt ein völlig anderes Licht als in Deutschland, eine fast heitere Atmosphäre. Na, Du wirst es ja irgendwann sehen, das Machwerk...“

Nun, der Film brauchte ein paar Jährchen, bis er in Portugal gezeigt wurde, übrigens im Lissabonner Kino Quarteto. Aber als ich mich am dritten Tag dorthin begab, war er schon vom Spielplan genommen, wahrscheinlich wegen zu geringen Zulaufs an den beiden ersten Tagen. Sehr viel später hatte ich endlich Gelegenheit, den Film auf einem Frauenfilm-Festival in Harburg zu sehen. Er wurde auch im Fernsehen gezeigt; doch habe ich ihn leider verpasst. Ich frage daher unsere geschätzten Leser, ob jemand eine Kopie besitzt, damit ich noch einmal sehen kann, was sich dort vor 25 Jahren auf der Kooperative im Alentejo abgespielt hat.


1 Margarethe von Trotta, Luisa Francia: Das zweite Erwachen der Christa Klages, Frankfurt a.M. 1980, Fischer Taschenbuch 3654




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Portugal-Post Nr. 20 / 2002


Während der Dreharbeiten auf dem 'Willy': Tina Engel als Angela Luther und Peter Koj




Vorne links: Tina Engel, Rechts: Margarethe von Trotta (Regie) und Alexander von Eschwege (Regieassistenz)




Polaroid, das Margarethe von Trotta während der Dreharbeiten aufnahm: Tina Engel, Alexander von Eschwege, Peter Koj, Luisa Francia, vorne: Vladimir Vizner