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Marvão - Balkon der Menschheit

Von Peter Koj

Wenn man von der Schönheit der Landschaft und der Städte des Alto Alentejo spricht, fällt einem als erstes Castelo de Vide und Marvão ein. Das sind zwei historische Ortschaften dicht an der spanischen Grenze und zauberhaft am Nordrand der Serra de São Mamede gelegen. Während Castelo de Vide über ein unvergleichliches, aus dem Mittelalter stammendes architektonisches Erbe verfügt (von den gotischen Bauten seien nur die kleine Synagoge und der hübsche Brunnen erwähnt), sehr begehrt von der Lisabonner Creme der Künstler und Intellektuellen, besticht Marvão durch seine Lage hoch oben im Gebirge und seinem wirklich atemberaubenden Blick. Wer auf die kleine Aussichtsplattform an der Burg in ca. 800 m Höhe steigt, wird nicht nur den Eindruck gewinnen, dass sich der gesamte Alentejo vor ihm ausbreitet, sondern dass er die ganze Welt in ihrer Unendlichkeit erblickt. Es ist José Saramago selbst, der in seinem Buch Viagem a Portugal dieses Gefühl so beschreibt: "Von Marvão sieht man die ganze Erde. Es ist verständlich, dass der Reisende hier voller Respekt murmelt: Wie groß die Welt ist!"

Am 12. Februar 2000 hat sich dieser zauberhafte Ort für das Weltkulturerbe der UNESCO beworben, in der Hoffnung, diesen Titel im Juli dieses Jahres verliehen zu bekommen. Für die Verleihung sprechen die verschiedensten Gründe. Abgesehen von der landschaftlichen Schönheit und dem historischen und architektonischen Erbe ist vor allem eine reiche Umwelt einer der Trümpfe für die Bewerbung von Marvão. Es liegt mitten im Naturpark der Serra de São Mamede, wo es noch eine Reihe von Tierarten gibt, die in anderen Gegenden selten oder bedroht sind, darunter der Dachs, die Otter, seltene Gattungen von Fledermäusen und Amphibien, wie die Geburtshelferkröte, der iberische Frosch und die Wassereidechse, die an den Ufern des Sever-Flusses lebt. Früher gab es sogar Adler, die hoch oben auf der Burg nisteten, die deswegen auch lange den Namen "Adlernest" trug.

Dazu kommt der Reinlichkeitssinn, der unter den fast 200 Einwohnern dieser kleinen, von einer Stadtmauer umgebenen Ortschaft herrscht. So wie in vielen anderen Dörfern und Ortschaften des Alentejo, werden die Frauen nicht müde, sogar die Bürgersteige und Türschwellen zu fegen. Kein Müll bleibt in den Gassen liegen und keine Plakate oder Graffiti verunzieren die Wände der alten Häuser.

Aber Marvão ist auch ein Ort voller Geschichte und Geschichten. So erzählt man sich z.B. die Legende von der kleinen Amaia. Eine Dame in den mittleren Jahren soll das verlassene und verzweifelte Kind gefunden und aufgezogen haben. Amaia heiratete später den Sohn der Dame, Marcelo. Das war zur Zeit der römischen Invasion, als fast die gesamte Bevölkerung der Gegend von den Besetzern gefangen oder getötet war. Aber das junge Paar konnte in die Berge fliehen und errichtete dort, Stein auf Stein, das Haus, in dem sie bis zu ihrem Lebensende wohnten. Die Geschichte berichtet, dass ihre Nachkommen das kleine Haus zu einer Burg ausbauten - die Burg von Marvão1. Der eigentliche Name der Burganlage stammt von einem islamischen Ritter, Ibn Maruán, der zu Zeiten der arabischen Besatzung (ab 711) sich häufig in die Berghöhen zurückzog. Später, in Zeiten der Inquisition, war Marvão, ebenso wie Castelo de Vide, ein Zufluchtsort für die spanischen Juden, die Sefarden.

Schließlich muss noch der Reichtum Marvãos an Kunsthandwerk und Gastronomie ins Feld geführt werden. Der beste Zeitpunkt sich von diesen Schätzen zu überzeugen ist das "Kastanienfest", das an dem Wochenende vom Hl. Martin (November) gefeiert wird. Dann wird um die Wette gekocht, immer auf Basis von Maronen, selbst die Süßspeisen. Aber wer Marvão lieber zu einer wärmeren Jahreszeit besuchen möchte, sollte dieses Anfang Juli tun, wenn das Gastronomie-Festival von Marvão stattfindet. Jedes Jahr kommen Tausende von Besuchern, um sich an den typischen Gerichten des Alentejo gütlich zu tun und sich gleichzeitig durch das Ambiente einer historischen Ortschaft verzaubern zu lassen mit jungen Leuten in festlicher Kleidung, mittelalterlichen Musikgruppen, Feuerspuckern und verschiedenen Animateuren.


1 In der von der Wochenzeitung "Expressso" herausgegebenen Reihe "Rotas dos Castelos de Portugal" ist es die Nummer 8. Die Reihe findet sich in unserem Büro in der Susettestraße und kann von Interessierten eingesehen werden.




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Portugal-Post Nr. 20 / 2002





Blick in den Innenhof der Burg von Marvão




Blick von der Burg auf den alten Ortskern von Marvão (Vista do castelo sobre a vila amuralhada de Marvão)





Sehen Sie sich dazu auch unsere Diashow an:
Marvão und die Serra de São Mamede