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Frankreich - dort wo es die meisten Portugiesen gibt

Von Peter Unkart

Ein Artikel in einer portugiesischen Zeitung vom 31. Dezember 1993 verkündete: "Nur 1% der Emigranten spricht Portugiesisch zu Hause." Gleich darauf bestritt die Botschaft Portugals in Frankreich diese Zahl mit der Begründung, dass der rasante Rückgang des Gebrauchs der portugiesischen Sprache auf die Globalität der französischen Gesellschaft zurückzuführen sei. Die Zahl derer, für die Portugiesisch eine "linguistische Bindung" biete, sei mit etwa 70% anzugeben, so die Botschaft.

"Frankreich - das Land, in dem Portugal am meisten präsent ist", so verlautbarte eine portugiesische Zeitung Anfang der 90er Jahre. Dennoch, die portugiesische Sprache - als die erste gesprochene Sprache - sei nicht vom Aussterben bedroht, sondern von einer drastischen Reduzierung. Einer der wichtigsten Gründe dafür und worüber wir alle nachdenken sollten - zumindest für eine Portugiesin der zweiten Generation, die wie andere (wenige) Kinder von Emigranten ein Studium in Frankreich abschließt - ist die Tatsache, dass die Eltern die eigene Sprache zu Hause ablehnen, weil sie gar nicht anders können. Sie kamen arm, ohne Bildung und Kultur, nach Frankreich, das ihnen ein bisschen Identität gab, das etwas aus ihnen machte und ihren Kindern eine bessere Zukunft ermöglichte, während es in Portugal sehr hart war.

Meiner Ansicht nach sollte die Frage, ob Portugiesisch von 1% oder 70% gesprochen wird, nicht überbewertet werden. Viel wichtiger ist es, die Emigranten für eine bessere und adäquate Bildung ihrer Kinder zu sensibilisieren, damit diese später ein besseres Leben haben - in Portugal oder in dem Land, in dem sie leben. Dann führt das Bewusstsein, dass Bildung, Muttersprache und Allgemeinwissen enorm wichtig sind, zur Änderung der Einstellung bei den Eltern und ihren Kindern.

Die Ziele der Portugiesen sind oft ähnlich, wie verschiedene Aussagen in Zeitungen wie Nacional vom 8. April 1995 zeigen. Dort kann man lesen, dass "die portugiesischen Eltern [in Frankreich] die Kinder zu kurzem Schulbesuch anhalten und sie schon früh zur Arbeit schicken" - so eine Soziologin, die im gleichen Monat das Buch "Faire la France" herausgab, in dem die Analyse über eine Umfrage in Bezug auf diese Problematik abgedruckt ist. Der große Traum, einmal ein eigenes Haus zu besitzen - natürlich vorzugsweise in der Heimat - führt zu einer kurzsichtigen Einstellung, was ein weiteres Zitat in dieser Zeitung unterstreicht: "Die Eltern ziehen den Kauf von Eigentum in Portugal der Bildung ihrer Kinder vor, im Gegensatz zu den Maghrebinern oder Asiaten".

Selbst die Studenten, zitiert der Journalist Daniel Ribeiro einen Professor im Expresso vom 31. Dezember 1993, "glauben, dass das Portugiesisch, das sie von den Eltern gelernt haben, ausreicht, um in den Ferien nach Portugal zu gehen. In der Schule dagegen lernen sie Englisch, was nun ein Fehler sein kann, weil wir in der EU sind".

Im Unterricht der Portugiesischlehrerin Raquel Baião in Frankreich muss sie "oft Dinge auf Französisch erklären, ansonsten verstehen mich die Schüler nicht", sagt die im Expresso vom 15. Januar 1994. So oder ähnlich stellt sich die Situation wohl in allen Ländern der EU, in denen Portugiesen leben, dar. Aber die Tatsache, dass selbst die Eltern (55%!) "die mit der portugiesischen Sprache aufwuchsen, nicht mehr in der Muttersprache mit ihren Kindern reden" und eher Französisch sprechen ist gravierend, denn so schwächt sich die Identifikation der Kinder mit den Wurzeln ihrer Eltern immer mehr ab und beeinflusst negativ deren psychologische Verfassung und deren Selbstbewusstsein. Das Gefühl, "jemand (im Leben) zu sein" läuft Gefahr, nicht so "stark" zu sein wie beispielsweise die Maghrebiner oder die Asiaten, denn "zwei Drittel der Portugiesischsprachigen haben tatsächlich nur kurze Zeit gelernt", so Daniel Ribeiro.

So bleibt uns die Hoffnung, dass sich etwas - oder besser, viel - ändert hinsichtlich der portugiesischen Sprache, damit sie weiterhin - und nicht nur unter den Portugiesen, sondern auch unter den Freunden des Portugiesischen - eine weitverbreitete Sprache bleibt. Schließlich hat die Muttersprache zweifellos eine wichtige Funktion, besonders, wenn man im Ausland lebt: die eigene Identität zu bewahren, die eigenen Wurzeln. Dazu ist die Zusammenarbeit vieler nötig, etwa des Instituto Camões, der zuständigen Kulturbehörden des Aufnahmelandes für Einwanderer, der portugiesischen Kulturorganisationen und Vereine wie auch der Emigranten selbst. Hoffen wir, dass es in Zukunft mehr Portugiesen geben wird, die - abgesehen von der Beherrschung der Sprache des Ziellandes - ihre Muttersprache pflegen und sie auch als kulturelle Bereicherung für das jeweilige Land einbringen. So kann sie auch als Sprungbrett für andere Felder dienen, etwa für portugiesische Musik oder Filme.





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Portugal-Post Nr. 22 / 2003


Portugiesische Emigranten steigen aus dem berühmten Süd-Express in der Gare de Austerlitz (Paris)