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Mariza in der Fabrik

Ein Interview von Kornelia Emese Talpai *

Am 19. November gab Mariza ein hinreißendes Konzert vor einem restlos begeisterten Publikum. Anschließend gewährte sie Kornelia Emese Talpai das folgende Interview. Es wurde auf Englisch geführt und von der Verfasserin für uns ins Deutsche übertragen.


K.E.T. Warum Fado? Weshalb hast du dich entschlossen, eine Fadista zu werden?
M. Erst einmal, wo ich herkomme, in meiner Nachbarschaft, da ist es das größte Kompliment, Fadista genannt zu werden! Deshalb warte ich nur darauf, dass mich mal jemand so nennt. Ich würde mich nie selbst als Fadista bezeichnen! Ich rede von mir als jemand der Fados singt, eine Fadosängerin. Tja, und ich glaube ich habe eine sehr alte Seele. Wie schon erzählt, ich hatte immer Fados um mich, überall und immer wurden sie gesungen. Beim Fensterputzen, überall, er war wie dein Atem. Außerdem war mein Vater so ein Fado-Liebhaber. Alles bestand irgendwie nur aus Fados. Der Fado hat mich ausgesucht, nicht ich ihn. Ja, den Satz mag ich gerne sagen. Er wählte mich!

K.E.T. Wirst du durch irgendeine Absicht gelenkt? Ich meine, möchtest du irgendetwas Spezielles beim Publikum bezwecken?
M. Wie? Nee. Ich weiß, dass das Publikum was fühlen wird. Sie werden die Musik fühlen. Musik ist Gefühl. Der Fado ist das Gefühl! Nicht ein Gefühl, sondern alle. Er ist nicht immer melancholisch. Aber Musik und die Gefühle haben irgendwie die gleiche symbolische Sprache. Deshalb versteht es doch eigentlich jeder, auch ohne unbedingt das Wort zu verstehen. Wenn ich auf der Bühne bin, dann ist das irgendwie keine Arbeit, ich bin einfach ich selbst. Da ist nichts unecht, da bin nur ich. Entweder du fühlst das oder eben nicht. Wenn du es fühlst, dann ist es schön und gut. Wenn nicht, dann tut es mir leid, kann aber nichts daran ändern. Musik spricht für sich selbst!

K.E.T. Was ist mit dem Umhang (xaile)? Deiner sieht anders aus, eher wie ein moderner.
M. Ja, der eigentliche Umhang ist dreieckig. Meiner ist länglich, der wurde extra gemacht für mich. Nach meinem Geschmack. Der Schal steht für Energie, er ist ein Energiepunkt! Und mir haben alte Fadistas einen Brauch vermittelt. Weil er dieser Energiepunkt ist, darf niemand ihn berühren, außer man selbst und eventuell wirklich spezielle Personen. Außerdem wäscht man ihn selbst, per Hand, an einem sonnigen Tag. So hält man schlechte Energie fern! Auch wenn es wahrscheinlich Aberglaube ist, ich halte mich daran. Auch bekomme ich meine Umhänge seit Kindesalter geschenkt. Ich habe ganz viele, auch einen, der schon 120 Jahre alt ist.

K.E.T. Und dein Tanzen? Mich hat es etwas an den Flamenco erinnert.
M. So, wirklich? Kann sein, aber nicht beabsichtigt. Der Rhythmus ist das was mich lenkt. Wegen ihm muss ich mich bewegen. Da kann ich unmöglich still stehen. Das kommt dann einfach ganz spontan. Ich fühle einfach!

K.E.T. Wie stehst du zu den Diskussionen, die häufig aufkommen, sobald beim Fado andere Instrumente als nur die klassischen, die Gitarren, verwendet werden?
M. Es passiert halt manchmal, dass man ein Cello oder Piano schön und passend findet. Beim Flamenco und Tango ist so was auch passiert. Die Puristen des Genres sind dann meist irritiert. Ich nähere mich dem Genre schon sehr klassisch. Das Piano wurde beispielsweise beim Fado plötzlich eingeführt, weil die Frauen der Aristokratie so lernten Fados zu spielen. Das Piano ist also nichts Neues. Musik muss wachsen! Und wenn ein neuer Weg ihr dabei hilft, warum nicht? Hauptsache die Musik bleibt.

K.E.T. Du hast wohl mal gesagt, dass du dich nicht klassisch kleidest. Du wärst in dem Punkt anders. Was ist der klassische Stil, was deiner?
M. Nein, ich kleide mich nicht im traditionellen Sinne. Anfangs waren es schwarze Kostüme, Anzüge und Xaile. Amália trug dann diese großen (opulenteren) Röcke und Blusen. Ich trage das was mir gefällt, was meinem persönlichen Stil entspricht. Dazu gehören definitiv nicht enge Sachen. Einer meiner Freunde ist Designer und er macht für mich Sachen, auch nach meinen Ideen. Der Rock, den ich heute anhatte war z.B. mein Wunsch. Ich wollte unbedingt einen langen weiten Rock im Gypsy-Stil. Und er sollte Farbe beinhalten. Tja, und Farbe ist überhaupt nicht traditionell. Und ich liebe diese Korsagen! Und Schmuck. Ketten mag ich gerne. Generell möchte ich einfach gut aussehen, mich gut fühlen. Mode ist mir wichtig. Privat laufe ich so rum wie jetzt (Jeans, Turnschuhe..), ganz normal, aber modisch. Wenn ich mit Freunden weggehe, Party, Bars und so, dann liebe ich es, mich chic zu machen. Das bin ich, kein Image. Meine Haare sind das beste Beispiel. Schwarz und lang ist traditionell, ich habe diese komisch geflochtene Kurzhaarfrisur und bin blond. Natürlich gefärbt, eigentlich sind meine Haare rötlich braun. Als ich mal bei meinem Friseur war, ein Freund, mit meinen langen Haaren, da wollte er sie nur schneiden, wenn ich blond werde. Ich war einverstanden und deshalb diese Frisur. Spontan und noch bevor ich im Fernsehen war. Das war keine Imageproduktion. Aber alle, die über mich schreiben, betonen immer: die blonde Fadista.


* Absolventin einer Hamburger Schule für Mode-Design (JAK)




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Portugal-Post Nr. 25 / 2004