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Hein Semke und die Kapelle des Hl. Sebastian in Cascais

Von José d'Encarnação *
Übersetzung: Peter Koj

Ein Ort der Sammlung, profund und karg. Von weitem das Rauschen des Atlantiks, gefiltert durch ein winziges Fenster. Gleich links am Eingang führt die von vier Säulen getragene Treppe zum Chor, das Geländer mit holzgeschnitzten Pflanzenmotiven. Vor uns laden 24 Bänke (12 zu jeder Seite des Mittelgangs) mit ihren eleganten Rückenlehnen zum Gebet ein. Ein Boden mit backsteinfarbenen Platten; rundherum eine geflieste Lamperie aus dem 17. Jahrhundert, von geometrischer Üppigkeit. Auf vier Paneelen das Leben des Märtyrers Sebastian ...

Bevor wir uns der Vita des Schutzpatrons zuwenden, lassen Sie uns in die Vorhalle zurückkehren und das Halbrelief bewundern, das auf einem vorspringenden Sockel aus rosa Sandstein einen gekreuzigten Christus darstellt, umgeben von sechs weiblichen Figuren mit Tunika und Schleier, drei zu jeder Seite, wie Priesterinnen. In der Mitte, weiter unten, ein Kind, über dem sie die Hände halten, als wollten sie es segnen ...

Laut Schrifttafel ist es ein Werk von Hein Semke, 1899 in Hamburg geboren. Ich habe Hein Semke in den 70er Jahren kennen gelernt. Geblieben sind mir von ihm die Erinnerung an eine fast asketische Gestalt und die Kataloge der drei Ausstellungen, die er in der Galerie des Tourismusgebäudes veranstaltet hat: "Die Lebensfreude" (Juli/August 1977), "Auf der Suche nach mir" (September 1978), "50 Jahre Bildhauerei" (April 1983). Fraglos aus dieser Ausstellung stammt das oben beschriebene Halbrelief, das dann dem Museu dos Condes de Castro Guimarães vermacht wurde, wo es als "Der Gekreuzigte" (1937) seinen Platz gefunden hat. Und dass es hier aufgestellt wurde, verdankt es der Initiative der Kustodin Dr. Maria José Rego de Sousa.

Beim Tod der Mutter im Jahre 1909 wird Hein in ein Heim gesteckt - im Gegensatz zu seinen 7 Geschwistern, die zu Verwandten kommen. Eines Tages beschließt er, das Essen, das für den Aufseher bestimmt ist, an seine Heimmitbewohner zu verteilen, und wird dafür schwer bestraft. Das hat sein Leben sicher ebenso beeinflusst wie die Tatsache, dass er nach Beendigung des 1. Weltkrieges zusehen musste, wie ein Arbeitskollege in der Fabrik von einer Maschine zerstückelt wurde. 1932 ließ er sich in Linda-a-Pastora nieder, "damals ein kleines, typisch portugiesisches Dorf", wie er erzählt Er verkehrt mit Almada Negreiros, Sarah Afonso, Mário Eloy, Vieira da Silva, Arlindo Vicente ... Und manche, wie z. B. Jorge Barradas, betrachten ihn als mitverantwortlich für die Renaissance der portugiesischen Keramik. "Der Gekreuzigte", zur rechten Zeit in der Vorhalle der Kapelle des Hl. Sebastian aufgestellt, ist insofern ein Symbol: die unter Schmerzen auf das Kreuz genagelten Arme sind ebenfalls Balsam für tiefe Wunden... Es gibt wohl keine bessere Einführung, um das Leben des Heiligen Sebastian auf blauen Paneelen zu betrachten.


* Professor an der Universität Coimbra mit Wohnsitz in Cascais, wo sich die Kapelle des Hl. Sebastian in unmittelbarer Nähe des Museu dos Condes de Castro Guimarães befindet. José d'Encarnação ist Autor verschiedener Bücher und zahlloser Artikel, von denen einige in unserer Zeitschrift veröffentlicht wurden. Im vorliegen Fall handelt es sich um den ersten Teil eines Artikels, der schon im Jornal da Região vom 30.6.04 veröffentlich wurde.




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Portugal-Post Nr. 28 / 2004


José d'Encarnação