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70. Jubiläum der Bartning-Kirche Lissabon
Ein Rückblick auf die deutsche evangelische Kirchengemeinde und ihr viertes Gotteshaus

Von Gerhard Schickert *

1761, sechs Jahre nach dem verheerenden Erdbeben, wurde die deutsche evangelische Gemeinde zu Lissabon gegründet. Sie zählt somit zu den ältesten Auslandsgemeinden. Über einhundert Jahre besaß sie kein eigenes Gotteshaus. Gepredigt, getauft, konfirmiert und eingesegnet wurde in holländischen, dann dänischen Gesandtschaftskapellen, in deutschen Geschäftshäusern, später in der deutschen Schule. Die DEKL, wie wir die Gemeinde im folgenden nennen wollen, war, ebenso wie die deutsche Kolonie, vom hanseatischen Geist und Unternehmertum geprägt. Handelsherren aus Bremen, Hamburg und Lübeck leiteten den Werdegang von Gemeinde, Kirche und Kolonie im westlichsten Land Europas. Namen wie Burmeister, Lindenberg, Moller, Hasenclever, Daehnhardt sind z. T. noch heute vertreten.

Untrennbar verbunden mit dem Wohlergehen der Kolonie und der Kirche ist auch die Bartholomäus-Brüderschaft der Deutschen in Lissabon, kurz "Barthel" genannt. Seit über 700 Jahren unterstützt diese paritätische Wohlfahrtsinstitution in Not geratene Landsleute, aber auch deutsche Schulen, Vereine, Verbände und Kirchen. Wahrscheinlich ist "der Barthel" die älteste Brüderschaft von Auslandsdeutschen der Welt. Kolonie, Gemeinde und Barthel - dies waren und sind die treibenden Kräfte unserer schönen und - hoffentlich - letzten evangelischen Kirche in Lissabon.

Nach den katastrophalen Auswirkungen des 1. Weltkrieges kehrten 1920 einflussreiche Mitglieder der deutschen Kolonie aus dem spanischen Exil zurück. Nach zähen Verhandlungen konnte Enteignetes, Konfisziertes, ja sogar Versteigertes teilweise wiedergewonnen werden. Schule, Krankenheim und deutscher Verein nahmen ihre Tätigkeit wieder auf. Aber es fehlte die Kirche. Pfarrer Paul Wilhelm Gennrich, unser wohl vielseitigster Gottesmann, machte sich 1929/30 Gedanken über die "Kapelle mit Pfarrhaus". Seine detaillierten Skizzen gingen 1931 mit ausführlichem Bericht an das kirchliche Außenamt nach Berlin. Bischof D. Theodor Heckel, sein Leiter, befürwortete das Projekt und sagte finanzielle Unterstützung zu. Mit Prof. Dr. Otto Bartning konnte einer der bekanntesten Kirchenbauarchitekten des deutschen Reiches zur Mitarbeit gewonnen werden.

Am 19. November 1933 fand die feierliche Grundsteinlegung statt und ein Jahr später, am 4. 11. 1934, der Einweihungsgottesdienst. Neben vollzähliger Gemeinde war auch viel portugiesische und deutsche Prominenz vertreten und - Zeichen der Zeit - ranghoher Nazi-Apparat. Letzterer jedoch nicht als uniformierte "Goldfasanen", sondern artig im gedeckten Straßenanzug. So artig sollten sie allerdings nicht bleiben, die Herren der NSDAP - AO in Lisboa. Vor- und nachher gab es erheblichen Ärger zwischen Gemeinde und Partei. "Gleichgeschaltet" sollte sie werden, die DEKL, mit allen Mitteln.

Im Zentrum des sich zuspitzenden Konflikts stand ein Hamburger und sein Werk: Der Bildhauer Hein Semke (1899 - 1995) und seine strengen anti-militaristischen Zementplastiken, die an Ernst Barlach erinnern und im Ehrenhof neben der neuen Kirche aufgestellt werden sollten. Um es kurz zu machen: Sie wurden aufgestellt, von Portugiesen bewundert, von Pg's als "entartete Kunst" verrissen, entfernt, teilweise neu aufgestellt - und eine soll, so die in der deutschen Kolonie damals kursierende Legende, in einer Nacht- und Nebelaktion zerstört worden sein. Tatsache ist: Hein Semke obsiegte, obwohl miserabel für sein Werk honoriert. Und die angesehene Gulbenkian-Stiftung stellte eine Bronzekopie seiner eindrucksvollen Plastik "Die Trauernde / A Dor" in ihrem Freiluftmuseum auf.

Nun aber zu unserer Jubiläumsfeier. Zwei Wochen haben wir unsere "rüstige alte Dame", die Bartningkirche (1934 - 2004) gefeiert. Einen sehr norddeutschen Touch hatte das Ganze! Nicht nur durch Pfarrer Dr. Stefan Welz, der aus Wilhelmshaven stammt, sondern auch durch Gastkonzerte von Freunden von der Waterkant. Auch Georg Laitenberger, Pastor der Gemeinde von 1974-86 war mit Ehefrau aus Aumühle gekommen. Zum Erntedankgottesdienst sang der Gospelchor der St. Bonifatiusgemeinde aus Hamburg, deren Gründungspastor Georg Laitenberger ist und an der er bis 1974 tätig war. Seit Jahren unterstützt sie die Sozialarbeit der DEKL und überbrachte auch jetzt eine großzügige Spende von 6.500 Euro.

Eine Woche danach predigte der ehemalige Präses der EKD, Pfr. Manfred Kock. In den Gemeinderäumen war während 16 Tagen eine Ausstellung über Gemeinde und Kirchenbau zu besichtigen. Unser DEKL-Archiv machte eine reichhaltige Dokumentation möglich. Pur Brass, das Bläserensemble aus Wilhelmshaven, begeisterte die Gemeinde in mehrfacher Hinsicht. Von Barock bis Jazz war alles vertreten - aber zweierlei hatte unsere siebzigjährige DEKL-Lady noch nicht gehört: die perfekt geblasene portugiesische Nationalhymne und gleich darauf ein gekonntes Zusammenspiel von Schlagzeug und Orgel.

Ganz kurz und zum Abschluss: Wir haben sie gerne gefeiert, unsere Lady. Aber sie kommt in die Jahre. Selbst beste Bartning-Qualität übersteht unser Atlantik-Klima nicht unbeschadet. Wir müssen tiefgreifend renovieren, in zwei Phasen, bis 2011. Dann ist die DEKL 250 Jahre alt. Unser Schatzmeister begründet akribisch genau € 300. 000 .- an Gesamtkosten, die wir abdecken müssen. Etwa 40 % sind schon geschafft, aber weiteres fund raising wird uns noch jahrelang beschäftigen. Jedoch: Tudo vale a pena quando a alma não é pequena!


* Gerhard Schickert ist Mitglied der PHG und im Gemeindekirchenrat der DEKL verantwortlich für Kirchenarchiv und Pflege des deutschen Friedhofs Lissabon




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Portugal-Post Nr. 29 / 2005


70 Jahre schon ragt der DEKL-Turm in den Lissabonner Himmel




Pfarrer Geord Laitenberger im Gespräch mit dem Vorsitzenden des "Barthel" Ingo Mund




Der Gospelchor der St. Bonifatius-Gemeinde aus Hamburg