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Ein kleiner Hund wandert aus

Von Karin Miedeck

Corgo da Figueira, 8. Juli 2003
Casa Catarina

Liebe Freunde,

heute schreibe ich. Mein Frauchen hat nämlich viel zu tun, auspacken und so. Saubermachen, ich weiß auch nicht genau, warum, hier wird doch wieder alles staubig. Die meisten von Euch wissen es bereits: wir ziehen um. Auswandern nennt man das, obwohl wir manchmal wieder nach Deutschland fahren werden. Nach Portugal ziehen wir um. Das ist ziemlich weit weg und dort habe ich vor ganz langer Zeit Frauchen und Herrchen kennen gelernt. Aber das ist eine andere Geschichte.

Also, die Fahrt war ziemlich langweilig, fast drei Tage habe ich in meinem Wäschekorb geschlafen. Gab nicht viel zu sehen. Es hat mächtig geregnet unterwegs. Herrchen hat sich drüber gefreut, dann wird es nicht so heiß, hat er gesagt. Komisch, in Hamburg hatte er ganz andere Worte für Regen!

Dann sind wir angekommen. Irgendwie roch alles gar nicht so unbekannt. Eukalyptus und Lavendel. Das musste ich mir näher angucken und deswegen habe ich mich gleich beim ersten Abendspaziergang abgesetzt. Lästig, diese aufdringlichen Egon-Rufe hinter mir, kann ich nur sagen. Na ja, irgendwann haben sie es ja eingesehen, dass hund auch mal seiner Wege gehen muss. Immer an der Leine... was sollen bloß die Anderen von mir denken!?

Schön ist es hier. Manchmal nerven die lärmenden Vögel ein bisschen, Schwalben besonders, demnächst fang' ich mir eine, das soll ihnen eine Lehre sein. Es gibt hier Salamander und sehr interessante Käfer. Die schmecken aber nicht. Kaninchen auch, nur, es ist meistens viel zu heiß um hinterher zu rennen. Von gefährlicheren Tieren habe ich bislang schon gehört, leider noch keine gesichtet. Marder soll es geben und wilde Schweine. Ich vermute, dass ein mutiger Hund wie ich immer respektiert wird. Ich bin völlig gelassen.

Heute war es doll heiß. Frauchen ist nachmittags in der Sonne eingeschlafen, anschließend war sie sehr rot. Kann mir nicht passieren, gut, dass hund ein dickes Fell hat. Dann haben wir Antónia besucht. Von Antónia haben wir eine Tüte Apfelsinen gekriegt, daraus machen meine Leute dann mit viel Lärm gelben Saft, den sie morgens immer trinken. Gesund soll das sein! Sagen sie. Gurken gab es auch noch und weiteres ungenießbares Zeug.

Anschließend sind wir auf den Mühlenberg gefahren, sie wollten den Sonnenuntergang sehen. Ich fühlte mich gelangweilt, schließlich ist so ein Sonnenuntergang ein überaus alltägliches Ereignis und als wir oben waren, war die Sonne schon weg. Aber sie haben gesagt: guck doch mal, diese schönen Farben. Rot und Orange und Gelb… Ist doch klar, was sonst?

Donnerstag, 10. Juli 2003
Liebe Freunde! Ich habe mich entschlossen, meine Berichte fortzusetzen. Betrachtet es als Hundetagebuch. Meines Wissens gibt es dergleichen noch nicht und hund sollte immer bereit sein, neue Wege zu beschnüffeln.

Heute war kein besonders schöner Tag. Gestern muss es auf meinem Abendspaziergang passiert sein, dass ich mir eine von den 1001 Kletten in die rechte Vorderpfote eingetreten habe und jetzt tut es sehr weh. So weh, dass ich in Begleitung von Frauchen Doutora Isabela in Milfontes aufgesucht habe. Als wir wieder zu Hause waren, haben sie mich an der langen gelben Leine angebunden. Damit ich mich nicht überanstrenge, damit ich nicht weglaufe, haben sie gesagt. So ein Mist, beinahe Vollmond heute, bestimmt treffen sich alle unten in Gavião am Brunnen, wie soll ich da meine Kontakte ausbauen? Gavião, das muss ich Euch noch erklären. Da wohnen wir nämlich. Für alle, die es noch genauer wissen wollen, die Großen sagen, Gavião liegt im Alentejo und zum Einkaufen fahren wir nach Odemira. Einige Leute sagen, Gavião sei ein Dorf, vielleicht ist es mal eines gewesen: Heute wohnen mehr Hunde als Leute dort, weit voneinander entfernt und keiner kann seine Nachbarn sehen. Zum Glück hört man die anderen Hunde bellen, besonders nachts.

Sonnabend, 26. Juli 2003
Sie haben gesagt, dass sie auf den Markt wollen, und das wäre nichts für Hunde. Und zum Strand. Dort gibt es neuerdings Schilder, auf denen angeblich steht, dass Hunde im Sommer am Strand nicht zugelassen sind. Das stelle sich hund mal vor! Warum denn nicht? Die Großen sind seltsam. Ich freue mich auf den Winter, dann kann ich wieder am Strand von Almograve entlang wetzen, wie es mir gefällt.

Freitag, 2. August 2003
Oh Leute, heute ist es wirklich heiß! Selbst an meinem Lieblingsplatz in der Duschwanne sind es viele Grade zuviel und alle Großen hängen im Haus rum. In unserem Schlafzimmer scheint nachmittags die Sonne durch die Dachfenster direkt auf Frauchens Bett, das ist im Moment sehr ungemütlich, Frauchen und die Katze merken das nicht so. Vielleicht habe ich das falsche Fell.

Wau, Grad auf Portugiesisch heißt grau. Viele davon heißen graus. Da haben sie Recht, die Portugiesen! Über 41 sollen es gewesen sein. Ich empfinde zum ersten Mal in meinem Leben meine Frisur als lästig. Weniger Haare wären besser gewesen heute. Obwohl, die anderen schwitzen auch, sogar Tosca und Willi und die Großen, die mit dem ganz glatten Fell. Blöde ist, dass es nur noch warmes Wasser zu trinken gibt, das schlägt mir sehr auf den Appetit.

Donnerstag, 7. August 2003
Frauchen meint, es wird Zeit, dass ich auf meine Fan-Post eingehe. Eigentlich bin ich gar nicht überrascht, wie viele Leute meine Berichte lesen, schließlich gebe ich mir große Mühe, sie für jedermann interessant zu gestalten. Monika, Ursel, Karin W. und viele andere meiner Freundinnen aus Deutschland haben sich dazu geäußert, Ernst hat angekündigt, dass seine Katze Lily mir auch schreiben will. Ich habe aber Zweifel, ob ich das von einer normalen Katze erwarten kann. Unsere könnten das bestimmt nicht!

Gestern Abend hatten wir Besuch von einer Riesenheuschrecke. Beim Essen. Ich hätte mich gerne um das Tier gekümmert, aber mir fiel rechtzeitig ein, dass ich nicht auf den Tisch darf. Das hatten sie jetzt davon. Herrchen sagte zu Frauchen: mach sie weg, aber vorher fotografieren. Und dann hat es dauernd geblitzt.

Wespen füttern wir jetzt übrigens mit Fischköpfen. Die hängen an einem Draht in einer großen Flasche. Unten drinnen ist Wasser. Und Spülmittel. Das Ganze ist angeblich eine Erfindung von Jutta. Die hat so einen Apparat gekauft. Bei uns wird alles selbst gemacht. Die Großen haben viel Fantasie und jetzt sind in der Flasche mehr Wespen als draußen. Nicht schlecht.

Donnerstag, 21. August 2003
Wir kriegen jetzt nur noch ganz selten Besuch von Nachbarn, nicht mal meine Hundefreunde aus dem Dorf trauen sich zu uns herauf. Das liegt daran, dass sie alle Angst vor Willi haben, sagt Frauchen. Das halte ich aber wirklich für sehr übertrieben. Der tut doch rein gar nichts. Schnell rennen kann Willi nur, wenn José auf seinem Mofa den Berg runter rollert, hinter unserem Haus vorbei. So schnell wie José im Leerlauf ist Willi allemal. Aber dann hat José seinen Stinkelärm-Motor wieder angemacht und weg war er. Jetzt hat Frauchen José und Antónia eingeladen zu uns nach Hause, damit sie unsere großen Hunde kennen lernen können und keine Angst mehr vor Willi haben. Gute Nachbarschaft ist wichtig, sagt Frauchen, und sie will, dass wir zu allen Leuten freundlich sind.

Sonnabend, 23. August 2003
Gestern haben sie mich mitgenommen. Kaum zu fassen. Zwar musste ich mir die üblichen Ermahnungen anhören, die fangen alle an mit "….Egon, wehe wenn du…", aber das ist nicht so schlimm. Sie haben gesagt, dass sie jemanden besuchen wollen, der António heißt. António heißen die meisten Männer in Portugal, müsst Ihr wissen. Ganz wenige nennt man José oder Manuel. Bei den Frauen ist das ähnlich. Ich kenne sehr viele, die Frauchen Antónia nennt. Die anderen heißen Maria. Das ist aber einfacher, weil da immer noch ein Name hinterher kommt. Augusta oder Rosa oder so.

Also dieser António, den ich besucht habe, wohnt ganz weit weg, in einer Stadt, die von den Großen Cercal genannt wird. Sein Zimmer liegt an einer Straßenecke und hat zwei Türen. Praktisch, eine für rein und eine für raus. Man nennt das Kneipe und normalerweise darf ich da nicht rein. Glücklicherweise haben die Großen so viel von mir erzählt, dass António mich unbedingt kennen lernen wollte. In dem Zimmer ist es sehr dunkel, aber das macht nichts, tausend aufregende Gerüche verschlagen den Hundeatem. Nach Rotwein, das kenne ich, wenn wir Besuch haben, nach hundertjährigem Holz, nach aufregenden Geschichten, nach Staub und Hühnerfutter. Einige alte Männer sitzen auf Hockern und riechen auch. Als wir eintreten, werden alle ruhig und ein Mann hinter einem Tisch sagt: Olá Dona Catarina, olá Henrique (so heißt mein Herrchen hier), olá canito. Das bin ich, auf Portugiesisch. Der Mann hinter dem Tisch ist António. Den Großen gibt António etwas zu trinken, ich werde von Dona Maria Rosa mit einem Schälchen Wasser bedient.

Dann sind wir weitergefahren. Zum Markt, Brunheiras heißt es dort. Frauchen hat mit mir einen Rundgang gemacht, damit ich mir einen Überblick verschaffen konnte. Aber an der Leine. Damit die vielen Leute mich nicht umrennen. Es gibt alles dort und viele Sachen, die keiner braucht. Ich habe noch nie solche Ansammlungen von Plastiknäpfen gesehen, für Hunde aller Größen, vermute ich. Dann Berge von Anziehsachen, obwohl die Leute hier bei der Wärme vernünftigerweise gar nicht soviel übereinander tragen. Obst und grünes Zeug natürlich, das scheint unvermeidlich.

In einer Ecke roch es sehr genießbar und appetitanregend. Dort wurde der Käse angeboten, den wir auch im Kühlschrank haben. Der weiße, der nach Ziegen riecht. Lecker. Den gibt es nur ganz selten bei uns. Nur den, der übrig bleibt, wenn der Besuch abgereist ist. Und dann gab es noch Schinken und fette Wurst auf dem Markt. Die ist aber ungesund, sagt Herrchen. Ich war gespannt, was Frauchen kaufen würde. Für Honig hat sie sich entschieden, stellt Euch das vor, und mir ein Probierhäppchen für abends in Aussicht gestellt. (Hat sie aber leider vergessen!) Zusätzlich noch das unvermeidbare Obst und das grüne Zeug und dann musste ich auf das Auto aufpassen, damit nichts geklaut wird. Wobei ich mir nicht vorstellen kann, dass jemand unser Auto klaut, man holt sich ja schon lehmstaubige Pfoten, wenn man nur in den Kofferraum springt.

Zu Hause gab es dann frango für alle Hunde. So nennt man hier die Hähnchen, wenn sie auf dem Grill waren. Vorher heißen sie anders. Ich kann Euch sagen, die portugiesische Sprache ist recht kompliziert.

Dienstag, 26. August 2003
Am Nachmittag kriegten wir wieder Nachbarinnen-Besuch. Maria Augusta und Virgínia kamen den Berg hoch gekeucht. Und wie sie schleppten! Leider sagte mir bereits ein prüfendes Schnüffeln, dass sie außer linguiça nichts Genießbares mitgebracht hatten. Linguiça ist eine Wurst, die aus vielen Fettstücken und etwas Fleisch besteht und die auch ein gutes Gebiss herausfordert. Sie riecht nach Kaminrauch und altem Lehmhaus, wenn man sie geschenkt kriegt und nicht kaufen muss. Köstlich, kann ich Euch sagen. Und das Beste an linguiça ist, dass sie so ungesund fett ist und meine Großen sie nicht vertragen. Ich mache mir Hoffnung auf Reis mit Karotten und linguiça in maulgerechten Happen.

Die Unterhaltung war eher langweilig. Pois. Um die Korkeichen ging es, denen sie in den letzten Wochen die Pelle abgemacht haben, Rinde sagen sie dazu. Das darf man - ganz vorsichtig - nur alle neun Jahre, weil so ein Baum ja schließlich auch seine Haut braucht. Frisch gepellte Bäume haben einen leuchtend gelben Stamm und es wird eine Zahl draufgeschrieben. Jedes Jahr eine andere. Dann werden die Rindenstücke, die manchmal wie halbierte Rohre aussehen, zu Mauern hoch getürmt und alle sind mächtig stolz, wenn sie hohe Mauern haben und reden über Euros und arrobas. So nennen sie das Gewicht für Rinden. Ich finde, sie sollten die Rindenmauern stehen lassen, die sind viel schöner als die langweiligen Zäune, die es offenbar billiger gegeben hat.

Jetzt bin ich schon beinahe zwei Monate lang ein ausgewanderter Hund. Wie mein Urteil lautet? Nun, auf einige Situationen hatte ich mich neu einzustellen, zum Beispiel, dass das barfuß laufen geübt werden musste, die portugiesischen Anforderungen sind mit dem Hamburger Pflaster nicht zu vergleichen. Aber, liebe Freunde, ich bin sehr froh, dass die Großen mit mir umgezogen sind: hier riecht es besser, der Himmel ist hoch, nachts gibt es unendlich viele Sterne. Sie flimmern mir vor den Augen, wenn ich sie zähle. Und was wohl am wichtigsten ist: alle sind nett zu mir und ich verstehe mich ausgezeichnet mit unseren Freunden und Nachbarn. Besucht mich doch mal in meinem Hundeparadies!

Até logo. Beijinhos und Wau!

Euer Egon


PS: Wer nachlesen möchte, wie es mir weiterhin ergeht, der suche bitte meine Seite im Internet auf, die heißt: www.egon.ferienwohnung-algarve.de. Dort könnt Ihr auch Bilder von mir sehen.





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Portugal-Post Nr. 29 / 2005


Egon















Egon mit Frauchen Karin Miedeck





































Egon zum Abkühlen in der Duschwanne















die Riesenheuschrecke




Willi der Wachhund




José und Antonia





















































die Korkmauern












Egon nach einer Regendusche