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José Saramagos "Doppelgänger" im Literaturhaus

Von Romina Carneiro

Als am 28. Oktober der betagte charismatische Nobelpreisträger José Saramago das Literaturhaus betrat, wurde er mit einem sehr herzlichen Applaus begrüßt, was auf die Anwesenheit von vielen Portugiesen im Publikum schließen ließ. Schon viele Wochen vor dem "Auftritt" des Autors von Der Doppelgänger hatte es keine Karten mehr gegeben. Schade, dass trotz der großen Nachfrage frustrierter Besucher die Veranstaltung nicht in einen größeren Raum verlegt worden war. Neben Saramago saßen die deutsche Übersetzerin Ray-Güde Mertin, die sehr schön gedolmetscht und moderiert hat, und der sympathische Schauspieler Max Eipp, der die deutsche Übersetzung gelesen hat, auf dem Podium.

Nach der kurzen Einführung in Saramagos Leben und Werk durch Frau Mertin ergriff der auf Lanzarote lebende Portugiese das Wort und machte deutlich, dass es in seinem "Doppelgänger" nicht ums Klonen gehe. Denn die Tatsache, einen Nobelpreis erhalten zu haben, gebe ihm "noch lange nicht das Gefühl, er könne nun über alles schreiben, auch über Sachen, von denen er keine Ahnung habe". Als nach einer deutsch-portugiesischen Lesung die berühmte Frage des Publikums kam: "Wie sind Sie denn auf die Idee gekommen, ein Buch über so etwas zu schreiben?", antwortete er, die Idee habe er eines Morgens beim Rasieren gehabt, als er sich im Spiegel sah. Mehr hat er nicht verraten. Saramago verrät wenig über sich selber und gibt dem Publikum auch keine Interpretation seiner Bücher an die Hand. Aber vielleicht ist die Erwartung, den Sinn der Geschichte erklärt zu bekommen, ja eine typisch deutsche Haltung. Jedenfalls in dieser Hinsicht war Saramagos Auftritt eher enttäuschend, denn er versuchte vielmehr Fragen aufzuwerfen, als welche zu beantworten.

Wir könnten uns also vielleicht selber die Frage stellen, was es mit dieser Geschichte auf sich haben mag, und uns vielleicht einfach einmal vorstellen: "Was würde ich tun, wenn mir so etwas wie dem gelangweilten Geschichtslehrer Tertuliano Máximo Afonso passieren würde?" Schafft absolute Identität (gemeint ist absolute physische Identität) wirklich nur Ärger, wie der Erzähler es irgendwann behauptet? Auf jeden Fall wird deutlich, dass in einer solchen Situation Fragen der Identität auftauchen, in unserer Zeit bzw. in der Sinnkrise, in welcher der moderne Mensch lebt, zweifellos ein aktuelles und heikles Thema.

Vielleicht durch mein Philosophiestudium angeregt oder aber wegen meiner grenzenlosen Phantasie wäre ich an Saramagos Stelle weiter gegangen und hätte das Thema anders behandelt. Das soll aber keine Kritik an Saramagos letztem Buch sein. Vielleicht versuche ich mich ja einmal selbst an solch einer Geschichte.





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Portugal-Post Nr. 29 / 2005


José Saramago




José Saramago und Ray-Güde Martin