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Morna: Klagelied der Sklaven?

Von Romina Carneiro

Wie alle kulturellen Erscheinungen ist das Tanzlied Morna vor allem ein Produkt seiner Zeit und aus dem wirtschaftlichen Zusammenhang des Sklaventums zu erklären, aus dem es hervorgegangen ist. Es gibt verschiedene Theorien zur Morna. Eine der wohl interessantesten Studien stellt das umfangreiche und gründliche Werk "Boa Vista, Insel der Morna und des Landú" von Germano Lima dar. Dort definiert Rodrigues Fernandes die Morna als "schmerzerfüllten, von Schwermut durchtränkten Gesang und Tanz im Vierviertel-Takt, in dem das Volk schluchzt und in einem klagenden, schmerzerfüllten und schluchzenden Ton von seinem Leid erzählt, von seiner Traurigkeit und seinem Jammer". Das heißt, Rodrigues Fernandes sieht in der Morna vor allem den musikalischen Ausdruck, der das Leben einer Gesellschaft symbolisiert, die durch Leiden, Traurigkeit und jene süße Melancholie geprägt ist, die man noch heute auf der gesamten kapverdischen Inselwelt spüren kann.

Was den Ursprung des Begriffs "Morna" angeht, so besteht Uneinigkeit. Unter den in der oben zitierten Studie von Germano Lima aufgeführten Erklärungen folgen wir der von José Lopes. Dieser führt drei Erklärungsmöglichkeiten auf, die hier kurz umrissen werden sollen. Als erstes sucht er den Ursprung des Begriffs im Portugiesischen, wobei er seine These mit der Tatsache begründet, dass es im Alentejo einige, wohl einstimmige volkstümliche Trauergesänge gibt "im Stil eines lieblichen Sprechgesangs", die man mornas nennt und die maurischen oder schwarzafrikanischen Ursprungs sind. Damit wäre er nicht der Erste, der die Bedeutung der alentejanischen Gesänge für die afrikanische Musik anspricht. Schon Amílcar Cabral hat in seinem Buch "Der kulturelle Widerstand" zwischen den alentejanischen Gesängen und dem Gesang der Balanta (Guiné-Bissau) eine Brücke geschlagen. Diese These scheint nicht völlig aus der Luft gegriffen zu sein, wenn wir die Information berücksichtigen, die José Tinhorão in seiner Studie "Die Schwarzen in Portugal: eine schweigende Anwesenheit" liefert, dass zwischen 1441 und 1505 140.000 bis 150.000 Schwarze als Sklaven für die Feldarbeit, vor allem im Alentejo, nach Portugal verschleppt wurden. Doch es handelt sich nur um eine Hypothese, die auf soziokulturelle Fakten zu prüfen wäre, was hier zu weit führen würde.

Schauen wir auf den zweiten Vorschlag, der den Begriff als aus dem Französischen stammend zu erklären versucht. Auf Martinique, so informiert uns der Autor, gibt es eine "berückende Kantilene", die chanson des mornes genannt wird. Dabei müsste man "morne" mit "schlaff/gelassen, traurig, gelegentlich bedrückend" wiedergeben. José Lopes bezieht sich auf Archibald Lyall, dem zufolge das Wort morna von französischen Seeleuten in Cabo Verde eingeführt wurde, aufgrund der Ähnlichkeit zwischen "den nostalgischen Liedchen, welche die Mestizen von Martinique mornes nannten, und den Liedern vom kapverdischen Boa Vista". Einer der Faktoren, die man zugunsten dieser Theorie anführen könnte, ist der schon im 16. Jahrhundert existierende Sklavenhandel zwischen Afrika, Cabo Verde und Zentralamerika. Aber zum Beispiel auch die Tatsache, dass 1855 die französische Regierung aufgrund der Hungersnot auf Cabo Verde 250 (offiziell) angeworbene Kapverdier auf einmal nach Trinidad und Guadeloupe verfrachtete. Aber es gibt noch einen anderen wichtigen Aspekt: die französische Anwesenheit auf Boa Vista, die nach Meinung von Germano Lima zur Übernahme des Begriffs morne für die heimischen Gesänge geführt haben kann.

Und wie lautet der dritte Vorschlag? Dieser versucht den Ursprung des Begriffs auf der Basis des englischen Verbs to mourn (be/klagen, be/trauern) zu erklären, ein Ansatz, der sich mit der vorherigen Erklärung durchaus vereinbaren lässt. Wir haben es also mit drei Hypothesen zu tun, aber keiner endgültigen Antwort auf die Frage nach dem Ursprung der Morna. Nötig wäre eine gründliche linguistische Untersuchung, in der z.B. auch die Möglichkeit eines afrikanischen Ursprungs auf ethnischer und soziolinguistischer Basis erforscht wird. So fordert es Germano Lima, wobei er sich auf Ausdrücke wie marne bezieht, was bei bestimmten schwarzafrikanischen Völkern "Mädchen" bedeutet, oder den Begriff mona in der Wendung mona a mauhatu, was so viel wie "kleines Mädchen" heißt.

Unbestritten ist jedoch, dass es sich um einen Gesang handelt, der ausnahmslos als das Klagelied der Seele eines Volkes mit einer Geschichte verstanden werden kann, die reich an Traurigkeit, Enttäuschung und Sehnsucht ist. Eines Volkes, das trotz allem seinen Nächsten immer mit einem sanften, gelegentlich traurigen Lächeln empfängt. Wenn ich bestimmte Mornas höre, habe ich das Gefühl, all diese Elemente vereint zu sehen.





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Portugal-Post Nr. 30 / 2005