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Wie kam es zum Erdbeben von Lissabon?

Von Rudolf Malkmus *

Seit der Geburt unseres Planeten vor ca. 4 Milliarden Jahren sanken während des Abkühlungsprozesses schwere Materialien ins Kugelzentrum. Es bildete sich ein in Schichten aufgebauter Himmelskörper, unter dessen äußerster Schicht (Erdkruste) auch heute noch eine Gluthölle aus flüssigem Gestein brodelt (Asthenosphäre). Die Erdkruste ist aber keine starre Kugeldecke, sondern besteht aus 16 Platten, die auf den sich in Bewegung befindenden Lavaströmen des Erdinnern driften. Dabei schieben sich die Platten übereinander, tauchen ab, falten Gebirge auf und zerren Kontinente auseinander. Bei diesen im Zeitlupentempo ablaufenden Vorgängen entstehen tektonische Spannungen.

Die bei der plötzlichen Lösung solcher Spannungen freiwerdende seismische Energie versetzt Teile der Erdoberfläche in Schwingungen, sie lässt sie beben. Durchschnittlich alle 30 Sekunden zittert der Untergrund, meist in einer Größenordnung, die der Mensch nicht wahrnimmt. Die Schwingungen können mit Hilfe von Seismometern in Form von Seismogrammen sichtbar gemacht werden. Die dort aufgezeichneten Schwingungsweiten geben Auskunft über die Erdbebenstärke (sie bewegt sich auf einer nach dem amerikanischen Seismologen Richter benannten Skala zwischen 0 und ca. 9).

Den Ort des Bebenherdes bezeichnen wir als Epizentrum. Liegt ein solcher unter dem Meeresgrund, wird die freiwerdende Energie zusätzlich auf den Wasserkörper des Ozeans übertragen: es entsteht ein Tsunami (japan.: große Welle im Hafen). Solch ein Tsunami brach 1755 mit 13m hohen Wellen in die Tejomündung ein und verwüstete Lissabon. Der schicksalhafte Niedergang der portugiesischen Metropole lässt leicht vergessen, dass das Beben in ganz Europa bis zum Ural spürbar war, dass zahlreiche Städte und Dörfer entlang der atlantischen Küste zwischen Marokko und Galicien (z.B. Cádiz, Algeciras) den Fluten zum Opfer fielen oder schwer in Mitleidenschaft gezogen wurden.

Die Wellen zerbrachen in Rotterdam Bojenketten und erreichten sogar die nordamerikanische Küste. Ausgelöst wurde der Tsunami entweder durch den Abbruch eines Teils der Kontinentalscholle in der Nähe Lissabons oder durch die nach Norden driftende Platte Afrikas, die sich in der gesamten Ost-Westerstreckung des Mittelmeeres und im Atlantik bis zu den Azoren unter die Eurasiatische Platte schiebt.

Wie entsteht ein Tsunami? Voraussetzung für die Entstehung eines Tsunami ist eine ruckartig verlaufende vertikale oder horizontale Bewegung der Erdkruste auf dem Meeresboden oder umfangreiche submarine Rutschungen. Die hierdurch ausgelösten tiefreichenden, langperiodischen Meereswellen breiten sich vom Epizentrum aus ringförmig mit einer Geschwindigkeit von 700 - 800 km/h aus und verlangsamen sich mit abnehmender Wassertiefe in der Nähe von Kontinenten (besonders in Schelfgebieten) auf ca. 150 - 200 km/h. Die Geschwindigkeitsreduktion führt zur Aufsteilung der Wellen (bis 30 m!), die in Perioden von 15 - 30 Minuten mit abnehmender Höhe gegen die Küsten branden.

Ein Tsunami gleicher Stärke wie der von 1755, ausgelöst durch ein Seebeben im Bereich des ehemaligen Epizentrums, hätte angesichts der inzwischen viel dichteren küstennahen Besiedlung weitaus verheerendere Folgen als jener vor 250 Jahren. Entsprechende Gefahren für die portugiesische Küste gehen von der Plattenbewegung, submarinen Sedimentrutschungen, dem unruhigen Azorenarchipel und von der Kanareninsel La Palma aus. Letztere weist einen massiven Riss auf, so dass bei einem Beben oder Vulkanausbruch ein Teil der Insel ins Meer kippen könnte, was einen gewaltigen Tsunami nach sich ziehen würde. An die globale Katastrophe unabsehbaren Ausmaßes, die der Einschlag eines Meteoriten in einen Ozean verursachen würde, wollen wir lieber nicht denken. Solche Ereignisse können schon heute oder aber erst in Jahrtausenden über die Menschheit hereinbrechen. Sie sind weder abwendbar noch vorhersehbar.


* PHG-Mitglied Rudolf Malkmus ist von Haus aus Biologe (Spezialgebiet: Herpetologie) und hat eine Reihe von wissenschaftlichen Artikeln und Büchern dazu veröffentlicht. In der "Portugal-Post" ist er mit mehreren Artikeln zum Thema Umwelt, aber auch mit Wanderberichten vertreten




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Portugal-Post Nr. 32 / 2005