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Der Anatom Joachim Friedrich Wohlwill (1881-1958)

Von Felix Jarck

Friedrich Wohlwill war deutscher Professor und ein großer Anatomie-Pathologe aus Hamburg, wo er bis 1933 eine angesehene Stellung innehatte. Er wurde am 28. August1881 geboren als Sohn einer der wichtigsten und bekanntesten jüdischen Familien neben den Warburgs und den Wolffsons. Sein Vater, Emil Wohlwill, war Chemiker, Doktor der Philosophie und der Gründer der Norddeutschen Affinerie. Er besuchte das renommierte Wilhelmgymnasium. Nach dem Abschluss des Medizinstudiums trat er 1906 in den Dienst der Pathologie am UK Eppendorf ein. 1926 habilitierte er sich und wurde Chefarzt und Prosektor in der Anatomie-Pathologie am Krankenhaus St. Georg.

1933 sah er sich jedoch gezwungen, Deutschland zu verlassen, da er als "nicht arisch" galt. Obwohl er ein wichtiger Vertreter der deutschen morphologischen Schule - praktizierend und universitär - war, genügte dieses, wie es bei vielen jüdischen Intellektuellen der Fall war, nicht, ihn zu beschützen.

Er sah sich gezwungen, ein neues Land zu suchen. Durch günstige Kontakte öffnete Portugal ihm die Türen und gab ihm innerhalb einer relativ kurzen Zeit den Platz als Prosektor der anatomischen Pathologie an der Universitätsklinik Santa Marta (Lissabon). Wohlwill gab der anatomischen Pathologie einen neuen Stellenwert, sowohl durch seine Konzeption und Ausführung als auch durch seine Lehre. Neben seiner Wissenschaft war er außerdem ein großes moralisches Vorbild, da er offensichtlich der portugiesischen Medizin das Beste seines Wissens und seiner Kraft widmete, trotz aller Widrigkeiten, die er erfahren hatte.

Aus diesem Grund ist Jaime Celestino da Costa, selbst Mediziner und Autor des Buches Professor Friedrich Wohlwill (2003 von der medizinische Fakultät der Universität Lissabon veröffentlicht), voller Bewunderung für den deutschen Kollegen. Da Costa beschreibt die schlechte Situation am Anfang der anatomischen Pathologie an der medizinischen Fakultät in Lissabon 1911 und die positiven Veränderungen, die mit Wohlwill kamen, wie z.B. die notwendige Verbindung mit der Histologie (mikroskopische Anatomie).

Wohlwill war seit 1918 verheiratet und hatte fünf Kinder. Die Familie emigrierte mit ihm nach Portugal, wo sie sich gut einlebte und wohl fühlte. Während des Krieges lebten seine beiden Schwestern, Emma und Gretchen Wohlwill, mit der Familie in Lissabon. Emma war aktiv für den Zionismus und für die Rechte der Frauen; Gretchen war eine bedeutende Künstlerin (dazu mein Artikel in der Portugal-Post 28). Nach dem Krieg konnte Friedrich Wohlwill nicht der Einladung seiner Kinder widerstehen, die sich inzwischen in den Vereinten Staaten niedergelassen hatten. Er folgte ihnen im Jahre 1946 und nahm mit 65 seine berufliche Tätigkeit wieder auf. Er war kein Freund des American way of life, aber eine Rückkehr in das Vaterland stand für ihn nach den Nazigräueln außer Frage. Friedrich Wohlwill starb im Alter von 77 Jahren in den USA und hat bis kurz vor seinem Tod als Pathologe gearbeitet.





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Portugal-Post Nr. 33 / 2006


Prosektorat des Hospitals Santa Maria (Lissabon), in der Mitte der Chef, Dr. Friedrich Wohlwill (2.Reihe, Dritter von rechts)




Tafel am Krankenhaus St. Georg (Hamburg)