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"Ich komme überall hin mit meinem kleinen Ding"

Von Reiner Drees

Wer schon länger in Hamburg lebt, kennt ihn noch, diesen kessen Werbespruch der HADAG, der, zusammen mit dem Bild eines lustigen Schiffchens, so gar nicht zu den als so hanseatisch "s-teif" geltenden Hamburgern passte und für eine Fahrt mit den Hafenfähren warb. Für die Nicht-Hamburger: Die HADAG - gegründet als staatliche Hafen-Dampfschiffahrt-AG - betreibt Personenverkehr im Hamburger Hafen und auf der Unterelbe.

Während in den ersten Aufbaujahren nach dem 2. Weltkrieg insbesondere der Fährdienst viele Menschen zu ihren Arbeitsstätten hin- und wieder zurückbrachte, stieg mit dem wieder zunehmenden Freizeitbedürfnis auch die Nachfrage nach Hafenrundfahrten und Ausflugsfahrten auf der Unterelbe. Die Schiffe, die man dafür brauchte, mussten also verschiedenen Anforderungen gerecht werden - Fähren mit kurzen Fahrtzeiten und häufigen An- und Ablegemanövern, Ausflugsschiffe dagegen mit mehr Sitzplätzen und höherem Komfortanspruch. Flexibel im Einsatz mussten sie sein, wirtschaftlich im Betrieb sowieso, und die Bauzeiten sollten auch möglich kurz sein.

Die Lösung für dieses ganze Bündel an Anforderungen war ein Serienschiff, ein sogenanntes "Typschiff" mit Dieselelektrischem Antrieb, von dem in den Jahren 1953 bis 1962 insgesamt 28 Schiffe in mehreren Ausprägungen gebaut wurden - wegen der äußeren rundlichen Formen und des platten Bodens liebevoll "Plätteisen" genannt (als Erklärung für Menschen in Südelbien: das sind Bügeleisen. Hier im Norden wird Wäsche "geplättet", und Südelbien fängt an den Elbbrücken an und reicht etwa bis Kapstadt). Alle hießen so, dass man sie sofort mit Hamburg in Verbindung brachte: Blankenese, Vierlanden, Eppendorf, Ottensen oder auch Reeperbahn und St. Pauli, wobei letztere ursprünglich als Sülldorf vom Stapel gelaufen war.

Sie hatten Charakter. Sie waren robust und geduldig und sie prägten über Jahrzehnte das Gesicht des Hamburger Hafens. Aber sie wurden nicht jünger. Mit den Jahren nahm der Individualverkehr auch im Verkehr über die Elbe zu, und im Hafen selbst hielt eine moderne Umschlagtechnik Einzug, die mit weniger Menschen auskam. Ein Autobahntunnel unterquerte die Elbe, und private Barkassenbetriebe konkurrierten mit neuen, schnelleren und komfortableren Schiffen um die zahlreicher werdenden Touristen. Und so kam es, dass auch die HADAG ihre Flotte erneut an die veränderten Verhältnisse anpasste. Für die "Plätteisen" blieb da nicht mehr viel übrig: Etliche wurden verkauft oder aufgelegt, einige wenige sind noch auf der Elbe zu finden, die Bergedorf liegt im Museumshafen in Hamburg-Övelgönne als Restaurantschiff.

Genug der Vorrede - großer Gedankenstrich. Als ich im März 2005 in Lissabon war und auf die Fähre der Transtejo wartete, die mich von Cacilhas zurück ans Nordufer bringen sollte, traute ich meinen Augen nicht: Mitten auf dem Tejo dümpelte ein vertrautes "Plätteisen" und wartete offenbar auf einen freien Anlegeplatz. Der Himmel war zwar etwas wolkig, die Sicht aber klar, ich selbst nüchtern, und so gab es keinen Zweifel: Es war eine HADAG-Fähre mit dem schönen Namen S. Paulus. Das hat mir dann ja keine Ruhe gelassen, und so habe ich nach meiner Rückkehr in Hamburg bei der HADAG1 und im Internet2 nachgefragt und erfahren, dass 1977 eine Anzahl dieser Typschiffe für den Fährdienst auf dem Tejo nach Portugal verkauft und auf einem Ponton nach Lissabon geschleppt wurden, wo sie noch etliche Jahre ihren Dienst versahen, z.B. als Mouraria, Porto Brandão oder Vouga. 1999 kam dann noch die ehemalige St. Pauli dazu, und es ist tröstlich, dass sie in Lissabon nicht viel anders heißen musste. Gibt es ein schöneres Beispiel für die Verbindung und die Verbundenheit zwischen Hamburg und Lissabon als diese Fähre?

Ach ja: Wer mal ähnliche "Erscheinungen" hatte - in Ostafrika im Fährdienst zwischen tansanischer Küste und Zanzibar, in der Karibik die schwimmende Surfschule in der Dominikanischen Republik oder das Tauch- und Badeboot im Küstengebiet von Teneriffa - muss sich nur an die Sprechblase auf dem Werbeposter der HADAG erinnern:

"Ich komme überall hin mit meinem kleinen Ding"

Ein Nachtrag:
Wer die portugiesische Geschichte kennt, weiß um die langjährigen Beziehungen zwischen Portugal und England. Am 21. April 2006, als das Vereinigte Königreich den 80. Geburtstag von Queen Elizabeth II feierte, war ich mal wieder in Portugal. Nachmittags in Belém kam es mir vor, als ob ein Regisseur im Hintergrund heimlich die Strippen gezogen hatte: Erst verzogen sich die dunklen Regenwolken über Lissabon, und dann erschien die Queen selbst - an ihrem Geburtstag war sie in Lissabon! Im Sonnenschein glitt "QE 2" (wie die Grande Dame der Weltmeere kurz genannt wird) unnachahmlich elegant - eben anders als die mit Silikon-Implantaten und Anabolika gemästeten sogenannten Kreuzfahrtschiffe - unter der Tejobrücke hindurch, am Denkmal der Entdeckungen und am Turm von Belém vorbei und dem offenen Meer entgegen.

Und wer war wiederum zur Stelle? Genau! Eines der lustigen HADAG-Plätteisen ...


1 Hinweise erhielt ich von freundlichen HADAG-Mitarbeitern, die mir auch das Magazin "Hamburger Klönschnack", Klaus-Schümann-Verlag, Hamburg; Nr. 1 / Sept. 2002 "Die grüne Flotte" zusandten.

1 für Interessierte: z.B. unter www.luso.u-net.com/ferries.htm (The Present Day Transtejo Ferry Service), www.transtejo.pt/pt/frota/2.htm, www.shiplovers.de (wer wäre das nicht, wenn er in Lissabon oder Hamburg lebt?) mit Verweis auf www.ship-photo.de sowie www.museumshafencafe.de/geschichte_technik.html




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Portugal-Post Nr. 35 / 2006


Am Entdecker-Denkmal vor Lissabon: Die "Queen Elizabeth II" und eines der ehemaligen "HADAG-Plätteisen"




Die S. Paulus (ex-St. Pauli, ex-Sülldorf) vor Cacilhas im März 2005